"Weißwurst-Filiale von Kaisers Gnaden": Wie sich das Verhältnis zwischen dem FC Bayern und RB wandelte

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Einst unterstützte der FC Bayern Red Bulls Einstieg in den Fußball - mittlerweile bedienen sich die Münchner regelmäßig im RB-Imperium. Nun soll RB-Macher Ralf Rangnick den Trainerposten übernehmen.

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Eine erste Version dieses Artikels erschien im Oktober 2023, damals bahnte sich Max Eberls Wechsel zum FC Bayern an.

Als sich der Getränkekonzern Red Bull 2005 aufmachte, den österreichischen Traditionsklub Austria Salzburg auszulöschen und ein weltweites Fußball-Imperium zu errichten, spielte der FC Bayern München eine entscheidende Rolle. "Ohne mein Mitwirken hätte Mateschitz das Projekt wohl fallen gelassen", sagte der kürzlich verstorbene Franz Beckenbauer, damals war er Präsident des FC Bayern.

Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs diente dem mittlerweile ebenfalls verstorbenen Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz als Berater. "Wenn der Fußball so eine Chance bekommt, dass ein Unternehmen wie Red Bull einsteigt, war meine Antwort auf die Frage von Mateschitz klar", sagte Beckenbauer. "Ich habe mich gerne dazu bereit erklärt, ihn als Freund auf diesem Weg zu begleiten."

Beckenbauer und somit gewissermaßen der FC Bayern versorgten Mateschitz und Red Bull in der Anfangszeit mit Expertise und Personal. Bereits im Sommer 2005 wechselten die Altstars Thomas Linke und Alexander Zickler von München nach Salzburg, bald folgte per Leihe Nachwuchshoffnung Markus Steinhöfer. Das Traineramt übernahm Giovanni Trapattoni, auch die ehemaligen Münchner Hansi Flick, Thorsten Fink und Lothar Matthäus gehörten zeitweise dem Trainerstab an. Als Sportdirektor fungierte Oliver Kreuzer.

"Weißwurst-Filiale von Kaisers Gnaden", spottete die österreichische Boulevard-Zeitung Krone. In beachtlichem Tempo, mit erheblichen finanziellen Investitionen und begleitet von Dauerkritik schuf der Konzern in den darauffolgenden Jahren weitere Klubs - in Brasilien, den USA und 2009 schließlich in Leipzig. Seit der Verpflichtung von Ralf Rangnick verfolgen sie ein durchgängiges, funktionierendes Konzept.

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Mit Ralf Rangnicks Ankunft wendete sich das Blatt

"Es gibt einen entscheidenden Meilenstein und das war die Ankunft von Ralf Rangnick im Jahr 2012", sagte Christoph Freund im Interview mit SPOX und GOAL während seiner Zeit als Salzburger Sportdirektor. Vergangenen Sommer wechselte er in selber Funktion zum FC Bayern.

Sämtliche RB-Klubs profitierten von Rangnick, Salzburg habe er laut Freund gar "von links auf rechts gedreht, einen kompletten Strategiewechsel vollzogen. Davor ging es vorrangig darum, Titel zu gewinnen. Seitdem ist es unser Ziel, die besten Talente der Welt zu finden, zu entwickeln und mit ihnen national wie international erfolgreich Fußball zu spielen. In dieser veränderten Philosophie mit den Kernpunkten Gegenpressing und schnelles Umschalten suchen wir Spieler wie auch Trainer, die gut zu uns passen."

Hilfe aus München war nun nicht mehr nötig. Ganz im Gegenteil, mit den Erfolgen der neuen Strategie wendete sich das Blatt - es entstand eine weltweite Nachfrage nach Expertise aus dem RB-Imperium. Spieler, Trainer und Funktionäre wurden zum Export-Schlager und kein Klub bedient sich so konsequent wie der FC Bayern. Gewissermaßen haben die Münchner einen Sport daraus gemacht, Protagonisten aus Salzburg und Leipzig abzuwerben. Aus einem Ratgeber wurde ein Abnehmer.

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Spieler, Trainer, Funktionäre: Von RB zum FC Bayern

In den vergangenen Jahren zog es Marcel Sabitzer, Dayot Upamecano und Konrad Laimer von Salzburg nach Leipzig und schließlich nach München. Salzburgs Geschäftsführer Jochen Sauer wurde in München 2017 NLZ-Chef, Freund vergangenen Sommer Sportdirektor. Ihm folgte Salzburgs langjähriger Co-Trainer Richard Kitzbichler, der nun in München als Koordinator Talentförderung fungiert, sowie René Maric, mittlerweile zum U19-Trainer befördert. Sie allen sollen in erster Linie die Durchlässigkeit zwischen Campus und Profimannschaft erhöhen.

Aus Leipzig holte der FC Bayern 2021 den bald entlassenen und später zum Bundestrainer berufenen Julian Nagelsmann - bei der nun immer verzweifelteren Trainersuche wollten ihn die Münchner zurückholen, ehe Nagelsmann beim DFB verlängerte. Hauptverantwortlich für die Trainersuche ist Sportvorstand Max Eberl, seinerseits erst kürzlich von Leipzig nach München gewechselt. Sein aktuell aussichtsreichster Kandidat: RB-Macher Ralf Rangnick, aktuell noch österreichischer Nationaltrainer.

Rangnick erfand nicht nur die Fußball- und Transferstrategie der RB-Klubs, er saß auch bei Leipzigs Aufstiegs-Saison auf der Trainerbank. Anschließend trat er vorübergehend wieder in die zweite Reihe, unter Ralph Hasenhüttl landete der Neuankömmling direkt auf Tabellenplatz zwei. "Jetzt haben wir neben Dortmund einen zweiten Feind, den wir attackieren können", verkündete der damalige Präsident Uli Hoeneß. Tatsächlich kann zumindest auf Führungsebene von Feindschaft aber keine Rede sein. Die Beziehungen zwischen den Klubs und vor allem zwischen ihren Machern waren und sind eng.

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FC Bayern und Red Bull: Gemeinsame Halle in München

Leipzigs Aufsichtsratsvorsitzender Oliver Mintzlaff und der Aufsichtsrat des FC Bayern Karl-Heinz Rummenigge traten vergangenes Jahr gemeinsam aus der DFB-Taskforce zurück. Unisono übten sie Kritik am Vorgehen des DFB bei Andreas Rettigs Bestellung zum Geschäftsführer und demonstrierten damit Geschlossenheit. Zu Mateschitz selbst pflegte einst wie Beckenbauer auch Hoeneß ein enges Verhältnis.

Zwischenzeitlich arbeitete dessen Neffe - der heutige Erfolgstrainer des VfB Stuttgart Sebastian Hoeneß, ebenfalls Kandidat bei der Trainersuche - im Leipziger Nachwuchsbereich. Während Kritiker das RB-Imperium für den Inbegriff der Fußball-Kommerzialisierung halten, könne Hoeneß "nichts Negatives" am Engagement von Red Bull erkennen.

Außerhalb des Fußballs kooperieren die vermeintlichen "Feinde" sogar. Red Bull baut im Münchner Olympiapark eine Multifunktionsarena, die demnächst nicht nur dem eigenen Eishockey-Klub EHC Red Bull München, sondern auch den Basketballern des FC Bayern als Heimat dienen wird.

Erste diesbezügliche Pläne gab es vor etwa zehn Jahren. Konkret wurden sie aber erst nach Hoeneß' von 2014 bis 2016 verbüßter Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung, wie er neulich berichtete: "Als ich aus dem Gefängnis zurückkam, war einer der ersten Briefe von Herrn Mateschitz, der mir gesagt hat: 'Lieber Herr Hoeneß, ich freue mich sehr, dass Sie wieder da sind! Wenn Sie weiterhin Interesse haben, mit uns zusammenzuarbeiten, stehen wir oder ich zu einem Gespräch jederzeit zur Verfügung.'" Hoeneß habe "Tränen in den Augen" gehabt und gewusst, "dass es der richtige Partner ist".