Chelseas Wunderkind, das Pep Guardiola nicht ziehen lassen wollte: Cole Palmer wandelt auf den Spuren von Cristiano Ronaldo und Erling Haaland

Von Justin Kraft
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Cole Palmer spielt eine überragende Saison beim FC Chelsea. Warum das Wunderkind der Blues so glänzt und in welcher Kategorie es bald mit Cristiano Ronaldo und Erling Haaland exklusiv auftauchen könnte.

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Cristiano Ronaldo, Erling Haaland, Cole Palmer - ein Dreiergespann, das so vor einigen Monaten vermutlich nur wenige auf dem Zettel hatten. Doch was ist die Verbindung zwischen ihnen?

In der Premier League gab es in diesem Jahrtausend mit Ronaldo und Haaland erst zwei Spieler, die im Alter von 22 oder jünger an mindestens 30 Toren in einer Saison direkt beteiligt waren. Dreierpack gegen Manchester United Anfang April, vier Tore gegen den FC Everton am 15. April - Palmer steht nun bei 29 Torbeteiligungen in 28 Einsätzen. Darunter auch neun Elfmetertore. Das schmälert seine Leistung jedoch nicht.

Zweifel daran, dass er das prominente Doppel aus Ronaldo und Haaland zum Trio machen wird, gibt es kaum. Die Frage ist eher, wo er am Ende genau landet. CR7 kam in der Saison 2007/08 auf 31 Tore und sechs Vorlagen, Haaland im vergangenen Jahr auf 36 Tore und acht Assists.

Sechs Partien hat Palmer noch vor sich. Während seine Vorgänger aber für Teams spielten, die jeweils den Meistertitel holten, steht er mit dem FC Chelsea aktuell auf dem neunten Tabellenplatz und kämpft um die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb.

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Cole Palmer: Pep Guardiola hätte ihn gern behalten

Und genau das macht die Leistung des 21-Jährigen nochmal beeindruckender. Palmer feiert seinen großen Durchbruch in England nicht bei einem der besten Teams der Liga, sondern bei einem Klub, der vergangenen Erfolgen hinterherläuft.

Chelsea gab allein in dieser Saison 467,8 Millionen Euro für neue Spieler aus - unter anderem 47 Millionen Euro für Palmer. In der Saison davor betrugen die Ausgaben 611,49 Millionen Euro - natürlich werden die Summen über mehrere Jahre abgeschrieben. Die meisten der Neuzugänge spielen trotz hoher Ausgaben allerdings weit unter ihren Möglichkeiten. Die Blues bestätigen fußballerisch genau das, was sie faktisch sind: ein zusammengekaufter Haufen, der als Team kaum funktioniert.

Umso beeindruckender, dass ein 21-Jähriger nahezu die komplette Offensive dieses Teams trägt. Einer, der bei Manchester City in der Saison davor nur 850 Minuten zum Einsatz kam und dabei ein Tor erzielte und eines vorbereitete. Einer, den Pep Guardiola trotz aller Erfolge gern behalten hätte.

"Er hat zwei Jahre lang darum gebeten zu gehen", erklärte der Katalane vor dem FA-Cup-Duell der beiden Klubs am vergangenen Wochenende: "Ich habe gesagt, er soll bleiben. Er sagte, er wolle gehen. Was hätten wir tun sollen? Ich habe gesagt, er soll bleiben, weil Riyad [Mahrez] weg ist, aber er wollte zwei Jahre lang weg."

Palmer sei "ein außergewöhnlicher Spieler. Ich habe ihm nicht die Minuten gegeben, die er vielleicht verdient hätte, und jetzt hat er sie bei Chelsea". Und die nutzt er auf ganzer Linie.

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Cole Palmer kann fast alles am Ball

Palmer ist ein technisch herausragender Spieler. Einer, der jeden Gegenspieler auf dem Bierdeckel austanzen kann. Auch deshalb, weil er so unglaublich variabel ist - in seiner Entscheidungsfindung, aber auch rein auf die Position bezogen.

Es gibt Weltklasse-Angreifer, die mit ein und derselben Bewegung berühmt geworden sind. Arjen Robben beispielsweise, der in den meisten Fällen vom rechten Flügel nach innen zog. Trotz fester Abläufe war er kaum zu verteidigen. Palmer ist eine andere Art Fußballer.

Wenn er beispielsweise auf dem Flügel den Ball bekommt, dann ist kaum absehbar, was er als nächstes tun wird. Der Linksfuß kann dribbeln, kombinieren, das Tempo variieren - es sind nicht nur die bloße technische Qualität und seine Geschwindigkeit, die es den Verteidigern schwer machen. Mehr als das ist es die Fähigkeit, Spielsituationen im Bruchteil einer Sekunde richtig zu lesen und darauf zu reagieren.

Und genau diese Fähigkeit spricht auch dafür, dass Palmer keine Eintagsfliege ist. Man muss eher die Frage stellen, wie gut er in einer Mannschaft wäre, die ihn noch besser einzusetzen weiß.

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Zahlen belegen, wie gut Cole Palmer ist

Auch Statistiken untermauern, wie sensationell Palmer performt. FBref vergleicht alle offensiven Mittelfeldspieler und Flügelspieler der Top-5-Ligen Europas in den letzten 365 Tagen miteinander. Palmer zählt bei nahezu allen für Offensivspieler relevanten Daten zu den besten zehn Prozent, bei vielen zu den besten fünf Prozent und in einigen sogar zu den besten drei Prozent.

Bei den Toren (0,78), den direkten Torbeteiligungen (1,17), den Expected Goals (0,63) und den Schnittstellenpässen (0,98) - jeweils pro 90 Minuten - ist er entweder der beste Spieler in der Statistik oder zählt zumindest zum besten Prozent. Mohamed Salah ist beispielsweise bei den Expected Goals (0,78) und den direkten Torbeteiligungen (1,21) knapp vorn.

Keiner spielt allerdings mehr Schnittstellenpässe hinter die gegnerische Abwehrkette als Palmer. Dass er gleichzeitig einen sehr guten Abschluss hat und auch Mitspieler in Szene setzen kann, spricht für seine Vielseitigkeit, die ihn zu einem herausragenden Spieler auf fast allen Offensivpositionen macht. Für Chelsea spielte der 1,89 Meter große Engländer mitunter auch als Mittelstürmer - die vielleicht am wenigsten zu ihm passende Position, weil ihm trotz seiner Körpergröße ein klein wenig Durchsetzungskraft mit dem Rücken zum Tor fehlt.

In sechs Partien auf der Neun kam Palmer auch nur auf einen Treffer und zwei Vorlagen. Die beste Quote liefert er als Zehner: Zehn Tore und fünf Assists in zwölf Einsätzen. Auf dem rechten Flügel kommt Palmer in 19 Partien auf 13 Treffer und fünf Vorlagen.

Wie sehr Chelsea mittlerweile auf Palmers Fähigkeiten angewiesen ist, wurde am Dienstagabend deutlich, als der Angreifer ausfiel - und seine Mannschaft gegen Arsenal mit 0:5 unterging.

FC Chelsea, Cole Palmer
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Auf dem Weg zum Superstar? Bei Cole Palmer gibt es keine Grenzen

Ob er diese Zahlen auch in Zukunft halten kann? In der Vergangenheit sind viele junge Spieler an der Aufgabe gescheitert, ihr Niveau mittel- bis langfristig zu bestätigen. Was einen bei Palmer aber zuversichtlich machen kann, ist die Abgeklärtheit und Ruhe, mit der er agiert.

Passend dazu ist auch sein Torjubel, bei dem er sich die Arme reibt, als würde er frieren. Passend zu seinem Spitznamen "Cold", der entstand, weil er eiskalt vor dem Tor ist. Auch wenn Palmer erklärte, dass er den Jubel von seinem ehemaligen Teamkollegen Morgan Rogers hat, passt all das ins Gesamtbild des Engländers.

Guardiola, der ihn tagtäglich im Training sah, bezeichnete ihn als schüchtern. Eine Eigenschaft, die häufig negativ konnotiert ist, im Profigeschäft aber auch positiv wirken kann. Dass das Top-Talent abhebt, ist nicht zu erwarten. Selten gab es einen jungen Spieler auf diesem Niveau, der so seriös in seiner Spielweise wirkte. Zumal Palmer auch defensiv sehr aktiv mitarbeitet und sich nicht zu schade dafür ist, den Gegner aggressiv anzulaufen oder auch mal tiefer zu verteidigen.

Und doch ist der Weg noch weit, wenn er eines Tages über eine nette Statistik hinaus mit Cristiano Ronaldo oder Erling Haaland verglichen werden will. Das Potenzial für eine große Karriere hat Palmer aber zweifellos.

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