Wie werden Fußballspiele manipuliert?

Von Dr. Markus Knasmüller
Sanel Kuljic stand im Zentrum des österreichischen Wettskandals
© GEPA

Dr. Markus Knasmüller ist Autor verschiedener Bücher und Fachartikel. Der gerichtlich zertifizierte Sachverständige beantwortet die brennendsten Fragen zu Spielmanipulation und Wettbetrug:

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Wie einfach ist es, ein Spiel zu manipulieren?

Beruhigend ist: Ein Spiel zu manipulieren ist nicht einfach. Die Staatsanwaltschaft ging im Fall Taboga von zwölf misslungenen Manipulationsversuchen (bei insgesamt 18) aus. Selbst Robert Hoyzer, der deutsche Referee, der wegen Manipulation eines HSV-Cupspiels zu einer Gefängnisstrafe verurteilt ­wurde, hatte nur in vier von acht Fällen Erfolg. Dabei ist der Schiedsrichter wohl derjenige auf dem Platz, der die meisten Manipulationsmöglichkeiten hat. Aber Fehlpfiffe können keine Tore schießen: Krasse Fehlentscheidungen wurden nach ­heftigen Protesten der Assistenten wieder aufgehoben, zu Unrecht gegebene Elfmeter wurden verschossen.

Welche Spieler manipulieren?

Korrupte Spieler sind prozentuell folgendermaßen auf die ­Position Torhüter, Verteidiger, Mittelfeldspieler und Stürmer verteilt: 19-26-26-29. Torhüter und Stürmer sind also überproportional vertreten. Können die einen sehr unauffällig ein Tor zulassen, ist es für die anderen leicht, kein Tor zu schießen. Somit ist es nicht überraschend, dass ein Wettbetrug meist dann gelingt, wenn ein Torhüter, ein Stürmer und ­optimalerweise noch ein Mittelfeldspieler involviert sind.

Ein genauerer Blick auf die korrupten Spieler bringt aber unerwartete Ergebnisse. Es sind nicht die jungen, unbekannten oder vielleicht auch schwächeren, sondern durchaus die erfahrenen und besseren Spieler. Sind etwa in einer durchschnittlichen Liga keine 10 Prozent der Spieler in der Kategorie "International" einzuordnen, sind es von den erwischten korrupten Spielern 53 Prozent. Auch das Alter betreffend sind ähnliche signifikanten Zahlen festzustellen. Sind üblicherweise 20 Prozent der Spieler älter als 30 Jahre, waren es 42 Prozent derjenigen, die erwiesenermaßen manipuliert haben. Eher schwächere Spieler, die dann vielleicht gar nicht aufgestellt werden, werden nicht angesprochen.

Welche Spiele werden manipuliert?

Welche Mannschaften sind nun aber beteiligt, sind es die Spitzenmannschaften oder Nachzügler? Wettbetrug spielt sich eher am hinteren Tabellenende ab. Waren nur bei 4 Prozent der manipulierten Spiele zwei Spitzenteams involviert, war bei knapp 60 Prozent ein Tabellennachzügler dabei. Generell sind Teams umso anfälliger, je schwächer sie sind.

Wobei auch der Saisonverlauf relevant ist. Je weiter die Saison fortgeschritten ist, desto häufiger werden Spiele manipuliert. Nur 2 Prozent dieser Spiele finden etwa im ersten Viertel der Saison statt, mehr als 75 Prozent jedoch im letzten. Besonders Manipulationen durch Spieler kommen fast nur am Saisonende vor, davor manipulieren meist nur Schiedsrichter.

Wie wird manipuliert?

Tatsache ist: Ein einzelner Spieler kann kein Spiel umdrehen. Von Spezialwetten wie Elfmetern, Roten Karten, erstem ­Einwurf etc., auf die aber nur geringe Einsätze möglich sind, abgesehen, kann eigentlich nur so manipuliert werden, dass eine Mannschaft schlecht spielt.

Das ist im Regelfall sogar der Außenseiter. Daher bemerken Zuseher auch wenig und das Ergebnis ist ohnehin wie erwartet. Um eine attraktive Quote zu haben, wird meist zusätzlich auf Handicap gesetzt, etwa auf das sogenannte "Asian Handicap".

Der Außenseiter bekommt bei diesem Wettsystem einen virtuellen Vorsprung, bei einem Spiel Red Bull Salzburg gegen Admira würde etwa Salzburg mit mindestens drei Toren Differenz gewinnen müssen, damit jemand, der mit Asian Handicap setzt, die Wette gewinnt. Wäre die normale Quote etwa 1,25, so liegt die Handicap-Quote wohl bei 1,75. Bei einem Einsatz von 100.000 Euro würde das 75.000 Euro ­Gewinn ergeben.

Während es in einem wichtigen Match, bei dem zwei Mannschaften auf einer Höhe spielen, schwierig sein wird, jemanden dazu bringen, zu verlieren, erscheint es wesentlich einfacher, jemanden, der ohnehin mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren wird, dazu zu bringen, dass er hoch und über dem Handicap verliert.

Wie läuft die Manipulation ab?

Was passiert aber nun, sind es Elfer, Rote Karten oder ­einfach nur individuelle Fehler? Das hängt davon ab, wer das Spiel manipuliert. Schiedsrichter geben dabei doppelt so viele Elfmeter. In strittigen ­Situationen zu pfeifen ist eben einfach. Spieler riskieren ­Elfer-Fouls aber eher nicht, es könnte leicht auffallen oder zu einer Roten Karte führen. Damit wäre der Spieler vom Platz und kann nichts mehr beeinflussen. Eigentore sind ebenso kein gutes Mittel für eine Manipulation, zumindest gibt's in den ­manipulierten Spielen nicht signifikant mehr als sonst.

Manipulierende Spieler schalten einfach einen Gang zurück, produzieren kleinere Fehlpässe, verlieren Zweikämpfe, ziehen den Fuß zurück oder reagieren ein paar Zehntelsekunden zu spät. Sie spielen also einfach schlecht. Nicht so, dass es sofort auffällt und sie eine Auswechslung riskieren, aber doch so, dass Tore fallen. Darum fällt in manipulierten Spielen auch im Schnitt fast um ein Tor mehr.
Interessant ist dabei der Zeitpunkt.

Normalerweise fallen Tore zeitlich ziemlich gleichmäßig, einzig am Ende der ersten und zu Beginn der zweiten Halbzeit sind es etwas mehr. Nur in den letzten Minuten, wenn meist eine Mannschaft den Druck massiv erhöht, gibt es deutlich mehr Tore. Bei manipulierten Spielen nimmt die Anzahl der Tore zum Ende hin aber signifikant ab. Wer manipuliert, will also nicht unter Zeitdruck geraten.