Sechs Spiele, sechs Niederlagen, Letzter, Abstieg: Die Bilanz der U-20-Nationalmannschaft des DEB bei der WM in den USA klingt verheerend. Das deutsche Eishockey hat ein ernstes Nachwuchsproblem, könnte man meinen. Aber so ist es nicht. Im Gegenteil, der Turnierverlauf hat sogar eher Mut gemacht als für Frust gesorgt.
Warum? Das erklärt U-20-Nationaltrainer Ernst Höfner. Neben den engen Partien - die drei wichtigsten Spiele verlor Deutschland nur mit einem Tor Unterschied - machte ein womöglich goldener Jahrgang der DEB-Junioren Hoffnung auf bessere Zeiten. Zudem ist der Abstieg durch eine miserable Vorbereitung erklärbar.
Mehr dazu und die Antwort auf die Frage nach dem neuen Sidney Crosby im SPOX-Interview.
SPOX: Herr Höfner, gibt es nach dem zunächst einmal verheerenden Blick auf die Ergebnislisten der U-20-WM irgendetwas Positives, das Sie aus dem Turnier mitnehmen?
Ernst Höfner: Einiges sogar. Zum einen habe ich mich bewusst für eine extrem junge Mannschaft entschieden und gesehen, dass wir vor allem im 1992er Jahrgang einige sehr gute Spieler wie zum Beispiel Tom Kühnhackl oder Marcel Noebels, um nur zwei zu nennen, haben. Das ist der stärkste Jahrgang seit Ewigkeiten. Zum anderen war es im Kampf um den Klassenerhalt diesmal sehr eng. In der Vergangenheit hatten wir eigentlich nie eine realistische Chance, die Klasse zu halten, diesmal war das Ziel zum Greifen nah.
SPOX: Ist Ihnen ein Spieler besonders aufgefallen?
Höfner: Kühnhackl und Noebels waren schon die beiden stärksten Spieler. Sie sind Allrounder und können eigentlich alles. Von den noch jüngeren Spielern ist Tobias Rieder der Beste, aber er hatte das Problem, dass er in Nordamerika spielt und vor dem Turnier drei Monate lang keine einzige Pause hatte. Auf so etwas wird in Nordamerika keine Rücksicht genommen. Er war schlicht und ergreifend kaputt.
SPOX: Haben die drei das Potenzial, schon bald in den A-Kader aufzurücken?
Höfner: Wenn sie körperlich noch zulegen, können sie in ein, zwei Jahren sicher zum Team stoßen.
SPOX: So viele positive Nachrichten von der WM? Sie wirken über den Abstieg gar nicht sonderlich enttäuscht.
Höfner: Das liegt an der Vorbereitung aufs Turnier. Wir konkurrieren bei den Junioren mit der Schweiz, der Slowakei und Tschechien. Einen von denen hätten wir neben Norwegen schlagen müssen. Verglichen mit all diesen Teams waren wir aber mit Abstand am schlechtesten vorbereitet. Die Schweizer haben sich eine Woche in der Schweiz zum Training getroffen und sind zehn Tage vor Turnierstart in die USA gereist. Die Tschechen haben zwei Wochen miteinander trainiert. Die Slowaken haben sogar eine eigene Mannschaft, die in der obersten Liga mitspielt.
SPOX: Als würde die deutsche U 20 in der DEL spielen...
Höfner: Genau. Und wir? Wir sind am 18.12., also acht Tage vor Turnierstart, angereist, es haben aber leider sieben Spieler den Flug verpasst. Die saßen dann wegen des Schneechaos drei Tage lang in München fest. Fünf anderen Spielern ging die Ausrüstung verloren, die mussten wir komplett neu kaufen. Die ersten drei Trainings in den USA waren zum Vergessen. Und das war unsere Vorbereitung. (lacht)
SPOX: Und so ging es dann in die schon vorentscheidenden ersten Spiele gegen die Schweiz und die Slowakei.
Höfner: Die Jungs wurden da natürlich ins kalte Wasser geworfen. Wir haben in das Schweiz-Spiel alles reingelegt, aber nach einem schlechten ersten Drittel 0:4 zurückgelegen. Danach haben wir zwar toll gekämpft, aber trotzdem 3:4 verloren. Auch gegen die Slowaken haben wir gut gespielt und in der Overtime verloren. So stehst du dann mit zwei Niederlagen nach zwei Schlüsselspielen da. Im letzten und entscheidenden Schlüsselspiel gegen die Tschechen gehen wir zehn Minuten vor Schluss in Führung und lassen uns das Spiel in der letzten Minute dann auch noch aus der Hand nehmen. Wir haben also in allen drei für uns entscheidenden Spielen die besten Leistungen gebracht.
SPOX: Gereicht hat es trotzdem nicht. Wirklich nur Pech?
Höfner: Nein, das hat nicht nur mit Glück und Pech zu tun. Die schlechte Vorbereitung hat dabei eine große Rolle gespielt. Das macht auf diesem Niveau letztlich den entscheidenden Unterschied. Ein Beispiel: Ich kann erst sehen, dass meine Spieler aus Nordamerika - obwohl sie zu den Besten gehören, die wir haben - nicht fit sind, weil sie im Vorfeld zu viele Spiele absolvieren mussten, wenn ich sie im Training eine Zeit lang beobachten kann. Das konnte ich aber nicht.
SPOX: Was lernen Sie daraus?
Höfner: Wir müssen wie alle anderen zwei Wochen vor einem Turnier mit allen Spielern anreisen, ein Trainingscamp veranstalten und Testspiele absolvieren. Das ist notwendig, wenn man nicht nur hoffen will, dass schon irgendwie alles gut gehen wird.
SPOX: Ein klarer Appell an Verband und Klubs..
Höfner: Wir müssen aus diesem Turnier unsere Erkenntnisse ziehen. Vom Potenzial der Spieler her können wir mithalten. Das nutzt uns aber alles nichts, wenn wir nicht ausreichend mit ihnen arbeiten können. Wir wollen ja nicht besser vorbereitet sein als unsere Konkurrenten, aber wenigstens genauso gut.
SPOX: Angenommen, das klappt vor der nächsten WM: Kann das Team direkt wieder aufsteigen?
Höfner: Unter den angesprochenen Voraussetzungen können wir das schaffen.
SPOX: Das war die letzte U-20-WM, bei der Uwe Krupp dabei war. Er wird den DEB nach der A-WM in der Slowakei verlassen, nachdem er über viele Jahre hinweg dem deutschen Eishockey und der Jugendarbeit seinen Stempel aufgedrückt hat. Haben Sie Angst vor der Zeit danach?
Höfner: Man kann natürlich nie wissen, was sich danach ändern wird. Aber echte Bedenken habe ich keine. Es wird keinen Trainer geben, der die Jugendarbeit vernachlässigt, schließlich ist es ja in seinem Interesse, gute Spieler an sein Team heranzuführen. Wir haben jetzt schon viele Spieler ausgebildet, die in den kommenden Jahren in die A-Mannschaft aufsteigen werden. Es ist ein gutes Fundament für den Nachfolger von Uwe Krupp gelegt, aber wenn wir in die Weltspitze wollen, darf das erst der Anfang sein.
SPOX: Platz vier bei der A-WM im eigenen Land hatte aber schon einen Hauch von Weltspitze. Jetzt der Abstieg der U 20. Wo steht das deutsche Eishockey wirklich?
Höfner: Um das zu beantworten, muss man wissen, dass die U-20-Weltmeisterschaften die olympischen Spiele der Junioren sind. Hier spielen die besten Spieler der Welt, genauso wie bei Olympia. Zur A-WM kommen nicht die besten Spieler der Welt, sondern die, die gerade zur Verfügung stehen. Und die sind weder vorbereitet noch haben sie Interesse an so einem Turnier. Gradmesser für die Qualität der A-Nationalmannschaft sind die olympischen Spiele. In Vancouver sind wir Zehnter geworden, so muss man das sehen.
SPOX: Wenn bei der U-20-WM die besten Junioren der Welt spielen, war der Kanadier Brayden Schenn der Beste der Besten, denn er wurde zum MVP gewählt. Was halten Sie von ihm?
Höfner: Er kann einer werden wie Sidney Crosby. Er wird schon im kommenden Jahr einer der Topscorer der NHL sein. Aber mit solchen Ausnahmespielern brauchen wir uns gar nicht zu vergleichen. Uns reicht es, mit einem Team wie Tschechien auf Augenhöhe zu sein. In diesem Punkt hat in der Jugend verglichen mit der A-Mannschaft schon ein Umdenken stattgefunden.