Reimer: "Gewaltiger Unterschied zum Fußball"

Von Interview: Daniel Riedmüller
Seltene Ruhepause: Wolfsburg-Goalie Jochen Reimer bekam im Schnitt 26 Schüsse auf sein Tor
© Getty

Jochen Reimer hat mit den Grizzly Adams Wolfsburg eine überragende Saison gespielt und wurde zum Torwart der Saison gekürt. Im SPOX-Interview spricht der Nationalspieler über die Favoritenstellung seiner Mannschaft, die Unterschiede zwischen Eishockey- und Fußball-Keepern und über seinen möglichen Wechsel nach München.

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SPOX: Wurde vereinsintern ein Ziel für die Playoffs ausgelobt? Oder geht das Team völlig ohne Druck in die Partien und sieht, was passiert?

Reimer: Nein, wenn wir einfach nur abwarten würden, was auf uns zu kommt, dann wären wir schon ausgeschieden. Wir wollen ganz klar soweit wie nur irgendwie möglich kommen. Wir sind bereit. Ob wir am Ende dann was in der Hand halten, das werden wir sehen. Wir haben uns durch den ersten Rang in der Hauptrunde eine super Ausgangsposition erarbeitet: Heimrecht in allen Serien, das gilt es auszunutzen. Aber jetzt kommt erstmal Köln und wie sagt man so schön? "Das nächste Spiel ist immer das Härteste!" und "Wir müssen von Spiel zu Spiel schauen!" (lacht).

SPOX: Sie haben mit Daniar Dshunussow einen gleichwertigen Torhüter neben sich. Ist das für Sie Ansporn, oder wären Sie auch ganz froh, wenn Sie die alleinige Nummer eins bei den Grizzlies wären?

Reimer: Das ist für mich seit meinem Wechsel vor zwei Jahren nach Wolfsburg ein riesengroßer Ansporn. Wir Beide wollen immer spielen. Man kann sich in keiner Trainingseinheit ausruhen, sonst hätte einer von uns sofort die Nase vorn. Das ist eine enorme Motivation für mich.

SPOX: Der Lohn für die harte Arbeit ist, dass Sie statistisch der beste Goalie der DEL sind, dicht gefolgt von Dshunussow. Außerdem haben Sie die Auszeichung Torhüter des Jahres erhalten. Was bedeutet dieser Titel für Sie?

Reimer: Ich bin sehr stolz auf diese Ehrung. Wir haben eine sehr gute Liga mit absoluten Spitzentorhütern. Als ich zum ersten Mal von diesem Titel erfahren habe, dachte ich, das sei ein Scherz. Ich war sehr überrascht. Das ist wirklich eine Riesensache für mich.

SPOX: Ihr Gegner Danny aus den Birken von den Kölner Haien hat, wenn man sich nur die letzten Spiele ansieht, eine noch bessere Fanquote als Sie und Dshunussow. Ist aus den Birken Ihr ärgster Widersacher im Viertelfinale?

Reimer: Er ist ganz klar das Spiegelbild der Haie. Seit er im Winter nach Köln gewechselt ist, läuft es bei ihnen. Er ist einmal zum Spieler des Monats gewählt worden und zum Aufsteiger der Saison. An ihm gilt es vorbeizukommen, er hat seit Wochen einen unglaublichen Lauf. In der Form ist er klar der beste Mann in Köln.

SPOX: Man sagt, dass der Torhüter die mit Abstand wichtigste Position im Eishockey ist. Wie sehen Sie dies persönlich?

Reimer: Man liest immer von 50 Prozent oder mehr, das würde ich nicht so sehen. Aber wenn man es mit Fußball vergleichen will, dann ist es schon ein gewaltiger Unterschied. Dort bekommt ein Torwart vielleicht fünf oder sechs gefährliche Schüsse auf sein Gehäuse - wir bekommen 30 pro Spiel. Aber unsere guten Statistiken können sich auch unsere Verteidiger und Stürmer, die in Wolfsburg immer klasse nach hinten arbeiten, auf die Fahnen schreiben. Ein Torwart ist wichtig, keine Frage, aber es bleibt immer noch ein Mannschaftssport.

SPOX: Sind Sie eigentlich froh, dass Köln Ihr Gegner geworden ist? Man kann den Medien entnehmen, dass Sie kurz vor einem Wechsel nach München stehen. Sonst hätten Sie möglicherweise gegen Ihre neuen Kollegen auflaufen müssen.

Reimer: Nein, ich hätte gegen beide Mannschaften gern gespielt. Ich kenne in beiden Teams einige Spiele.

SPOX: EHC-Manager Christian Winkler sprach in einem Interview davon, dass Ihr Wechsel an die Isar noch nicht fix sei, aber dass es sehr gut aussehen würde. Gibt es mittlerweile etwas Neues zu vermelden?

Reimer: Ich kann dazu leider auch nicht mehr sagen. Meine volle Konzentration gilt momentan den Grizzlies und den Playoffs, was dann im Sommer passiert, muss man sehen. Aber wir stehen natürlich in Kontakt.

SPOX: Als gebürtiger Mindelheimer geben Sie als Ihr größtes Hobby Bergsteigen und als Ihr Lieblingsessen Wurstsalat an. Klingt nach Heimatverbundenheit. Zieht es Sie auch aus persönlichen Gründen wieder zurück in den Süden?

Reimer: (lacht) Ja, fürs Bergsteigen ist Wolfsburg nicht so ideal. Nein, im Ernst: Ich fühle mich hier sehr wohl, es ist ein absolut professionell geführter Verein mit einer klasse Mannschaft. Aber als Kind von Bayern hat man natürlich schon eine gewisse Sehnsucht in die Heimat. Bei uns sagt man ja auch so schön: "Dahoam is dahoam". Aber das hat nichts mit einem möglichen Wechsel zu tun. Ich kann mich überall zuhause fühlen.

SPOX: Sie haben bei einer Frage auf der Wolfsburg-Homepage Sidney Crosby als Ihren Lieblingsspieler angegeben. Wer ist denn in Ihren Augen der beste Torwart momentan?

Reimer: Das ist eine sehr schwierige Frage, da es in der NHL derzeit sehr viele gute Goalies gibt. Aber ich denke, dass Jonas Hiller aus Anaheim in den letzten zwei Jahren am besten drauf ist. Er hat einen unglaublichen Sprung gemacht. Schon als er noch in Davos gespielt hat, habe ich ihn beobachtet und hatte das Glück, zweimal in der Schweiz mit ihm zusammen trainieren zu dürfen. Was er in dieser Saison - bis zu seiner Verletzung - und auch bei Olympia gezeigt hat, das war schon absolute Weltklasse. Für mich der beste Mann.

SPOX: Sie sind in Kaufbeuren ausgebildet worden, haben in Kempten Oberliga gespielt und in München in der 2. Liga. Sie kennen also das deutsche Eishockey von der Picke auf. Woran liegt es, dass man den Sprung in die absolute Weltklasse derzeit nicht schafft?

Reimer: Das geht schon los in der Ausbildung. Wenn man da Vergleiche mit Kanada, USA oder den skandinavischen Ländern anstellt, sieht man das sofort. Dort wird extrem viel Geld und Engagement in die Ausbildung von Jugendlichen gesteckt, davon ist man hier meilenweit entfernt. In Kanada wird in den Juniorenligen schon so professionell gearbeitet, dass sich in Deutschland mancher DEL-Verein eine Scheibe abschneiden könnte. Mein Vater musste drei Kinder über zig Kilometern von Mindelheim in die nächste Eishalle fahren. Am Anfang nach Bad Wörishofen, später dann nach Kaufbeuren. In Kanada kann jedes Kind mit dem Fahrrad auf das nächste Eis fahren. Das kann man nicht mit hier vergleichen. Dort erreichen einfach viel mehr Kinder viel früher ein sehr hohes Niveau.

SPOX: Gilt das auch in Bezug auf das Torwartspiel?

Reimer: Ich denke, da sieht es etwas anders aus. Wir haben in Deutschland ein hohes Potential an sehr guten Goalies. Es wird dort mittlerweile in den Vereinen gut gearbeitet. Ich selbst hatte erst mit 19 in Hamburg meinen ersten echten Torwarttrainer. Jetzt gibt es häufiger schon bei den Bambinis einen speziellen Coach. Wir sind auf einem guten Weg,  aber ein Unterschied ist auch dort noch zu den Top-Nationen zu erkennen.

SPOX: Im Februar sind Sie von Uwe Krupp zum ersten Mal in den DEB-Kader eingeladen worden. Wie sehen Sie dort Ihre Perspektiven?

Reimer: Das muss man abwarten. Das hängt auch davon ab, wie weit wir in den Playoffs kommen. Wenn die Vorbereitung auf die WM losgeht, dann sind wir hoffentlich noch nicht ausgeschieden und Uwe wird dann sicher auf andere Torhüter zurückgreifen. Aber ich hoffe sehr, dass mein Debüt im Februar nicht mein einziges Länderspiel bleibt. Aber jetzt stehen die Playoffs im Vordergrund

SPOX: Wer sind für Sie die härtesten Konkurrenten im Kampf um einen Platz im DEB-Team für die kommende WM?

Reimer: Das sind natürlich die üblichen Verdächtigen: Denis Endras hat mit seiner letzten überragenden Saison und der WM einen Stammplatz. Thomas Greiss ist in Schweden schon ausgeschieden und würde bereit stehen, Dimitri Pätzold hat in Straubing super gespielt, Rob Zepp in Berlin, Patrick Ehelechner nicht zu vergessen. Wir haben schon einige Gute in Deutschland, die alle im DEB-Dress spielen könnten.

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