John Tripp nahm für das DEB-Team an sechs Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen 2010 teil. Im SPOX-Interview spricht der 42-Jährige über seine persönlichen WM-Highlights und beurteilt die deutschen Chancen in der Slowakei. Deutschland trifft zum WM-Auftakt am Samstag (16.15 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) auf Aufsteiger Großbritannien.
John, oderbesser Hans, so lautet ja IhrSpitzname, wo erreiche ich Sie gerade?
John Tripp: Ich bin in Kalifornien. Ich habe hier ein paar geschäftliche Dinge zu erledigen, genieße aber vor allem die Zeit mit der Familie und entspanne ein bisschen am Strand. (lacht) Morgen geht es aber zurück nach Kanada.
Sie hattennachIhrerSpielerkarriereeinigeStationenals Coach, unteranderemauch in Crimmitschau. Was machen Sie in Kanada?
Tripp: Mir gehört in meiner Geburtsstadt Kingston in Ontario eine Eishockeyschule, die Kingston Hockey Academy. Dort kümmere ich mich um den Nachwuchs und trainiere unter anderem auch die Mannschaft meines Sohnes. Das macht wirklich großen Spaß.
John Tripp über Duelle mit Team Canada
Hätten Sie Ambitionen, als Trainer nach Deutschland zurückzukehren?
Tripp: Im Moment bin ich sehr zufrieden und glücklich mit der Arbeit an der Eishockey-Schule. Man darf nicht vergessen, für mich war das jetzt mein erstes Jahr in Kanada seit 1999. Aber klar, wenn ich ein Angebot bekommen sollte, würde ich mir das ernsthaft überlegen.
Am Freitag beginnt die Eishockey-WM in der Slowakei. Können Sie sichnoch an Ihrerstes WM-Turnier erinnern?
Tripp: Ja, das war 2007 in Russland, ein Jahr zuvor hatte ich den deutschen Pass bekommen. Es war alles neu und aufregend für mich. Als ich nach Deutschland gekommen bin, war es immer mein Traum, für Deutschland bei einer WM zu spielen. 2007 ist dieser Traum wahr geworden. Es war eine unglaublich coole Erfahrung.
Imersten Spiel ging es gleichgegenKanada.
Tripp: Ich fühle mich als Deutscher, aber ich bin in Kanada geboren und kenne viele Spieler der kanadischen Teams persönlich. Die Spiele gegen Team Canada waren natürlich immer besonders. Ein Jahr später haben wir bei der WM in Kanada in Halifax 1:10 gegen sie verloren, aber das kann dir gegen Kanada eben leicht passieren.
John Tripp über die magische Heim-WM 2010
Das große Highlight Ihrer DEB-Karriere war das Jahr 2010 mit den OlympischenSpielen und dannmit der Heim-WM 2010 und dem Halbfinal-Einzug.
Tripp: Das Auftaktspiel vor knapp 80.000 Zuschauern im Fußballstadion war der Wahnsinn. Der 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen die USA hat das Momentum sofort auf unsere Seite gebracht. Es war schade, dass es am Ende nicht ganz zu einer Medaille gereicht hat, aber trotzdem war dieses Turnier ganz wichtig für das deutsche Eishockey. Wir haben bei diesem Turnier verstanden, dass wir eine gute Mannschaft sein können. Deutschland war nie als besonders talentiertes Team bekannt, aber dafür als hart arbeitende Mannschaft mit tollem Charakter und tollem Teamgeist. Das haben wir bei dieser WM eindrucksvoll gezeigt.
Insgesamtwaren Sie sechsmalbei der WM dabei. WelcheMomentesindaußer dem Halbfinal-Einzug 2010 hängengeblieben?
Tripp: Ich kann gar keine einzelnen Momente nennen. Es war insgesamt einfach etwas ganz Besonderes. So viele WM-Turniere in verschiedenen Ländern zu erleben, war unheimlich schön. Vor allem deshalb schön, weil in all den Jahren viele echte Freundschaften entstanden sind. Ich habe im DEB-Team wirklich viele Kumpels getroffen. Und es war immer eine große Ehre für mich, wenn ich bei einer WM das deutsche Trikot anziehen durfte.
Wer war der besteSpieler, mit dem Sie in all den Jahren zusammengespielthaben?
Tripp: Ich kann nicht einen Spieler herausheben, es gab so viele Spieler, von denen ich viel lernen konnte. Mir fällt zum Beispiel Michael Wolf ein, er war ein überragender Torjäger. Ich durfte auch mal mit Marco Sturm spielen, auch von ihm habe ich viel gelernt. Oder mein Zimmergenosse Dennis Seidenberg, er ist ein guter Freund geworden. Dazu habe ich gegen die besten Spieler der Welt gespielt, Alex Ovechkin, Sidney Crosby, Zdeno Chara, auch da ist die Liste lang.
Was sagen Sie zurQualität des DEB-Teams vor Start der WM in der Slowakei?
Tripp: Deutschland hat eine gute Mannschaft zusammen. Toni Söderholm hat eine gute Truppe zusammengebaut. Dass Leon Draisaitl, Dominik Kahun und Korbinian Holzer dabei sind, hilft natürlich sehr. Wichtig wird sein, dass Deutschland die ersten vier Spiele gewinnt gegen Großbritannien, Dänemark, Frankreich und die Slowakei. Deutschland muss die ersten vier Spiele gewinnen, wenn es mit dem Viertelfinal-Einzug klappen soll, das wissen sie aber auch selbst. Wenn die ersten vier Spiele gewonnen werden, sind die Duelle gegen Kanada, USA und Finnland Bonus-Spiele. Das muss das Ziel sein. Aber es wird schwer. Frankreich und Dänemark haben gute Mannschaften - und die Briten werden bei ihrer ersten Teilnahme gerade zum Auftakt auch heiß sein. Ob sie bereit sind für die A-Gruppe? Keine Ahnung. Aber die Briten haben sich gut entwickelt, sie sind nicht so schlecht, wie vielleicht einige denken. Deutschland ist viel erfahrener, aber bei einer WM kann alles passieren. Jeder Wechsel ist wichtig.
Wäre es besser, wenn man zuBeginn die großenGegner hat, so wiejetzt die Slowakei, weilsievielleicht am ehestenzuBeginneinesTurniersverwundbarsind?
Tripp: Das ist schwer zu sagen. Es gibt keinen perfekten Spielplan. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich es auch lieber etwas verteilt haben. Zuerst gegen Kanada, dann Dänemark und die Slowakei, dann die USA, dann Frankreich und Finnland. Irgendwie so. Aber es ist egal. Jetzt müssen die ersten vier Spiele eben gewonnen werden.
gettyJohn Tripp: "Toni Söderholm ist ein extrem schlauer Coach"
Wie beurteilen Sie Coach Toni Söderholm, der in sein erstesgroßes Turnier alsNationaltrainergeht?
Tripp: Toni Söderholm ist ein extrem schlauer Coach. Er studiert Eishockey wie kaum ein Zweiter. Ich glaube, dass es eine sehr gute Entscheidung des DEB war, ihn zum Nationaltrainer zu machen. Er wird seine Sache gut machen.
Söderholmkann auf einen 50-Tore-Mann aus der NHL bauen. Wie haben Sie die Entwicklung von Leon Draisaitl verfolgt?
Tripp: Leon Draisaitl ist ein Top-10-Spieler in der Welt. Für Deutschland ist es natürlich ein Glücksfall, einen solchen Spieler in seinen Reihen zu haben. Jeder erwartet bei der WM jetzt große Leistungen von Leon, aber für mich ist das Beste, dass sich die jungen Spieler an ihm orientieren und hochziehen können. Für jeden jungen Spieler ist es eine große Chance, von Leon zu lernen. Leon ist groß, kann für seine Statur aber extrem gut schlittschuhlaufen, er sieht das Eis gut - und er haut die Dinger rein. Er ist ein unglaublicher Spieler. Connor McDavid und er sind als Duo in Edmonton überhaupt nicht zu stoppen, da macht es einfach Spaß zuzuschauen.
Leon Draisaitl istabernicht der einzigeinteressante deutsche Spieler. In der Verteidigungstehtmit Moritz Seider ein 18-Jähriger, der im Sommer wohl in der ersten Runde des Drafts gezogenwird.
Tripp: Ich habe von ihm gehört. Für ihn ist die WM auch eine super Möglichkeit, sich den Scouts zu zeigen.
Eishockey-WM 2019: Spielplan des DEB-Teams
Datum | Uhrzeit | Paarung |
Sa., 11. Mai 2019 | 16.15 Uhr | Deutschland - Großbritannien |
So., 12. Mai 2019 | 16.15 Uhr | Dänemark - Deutschland |
Di., 14. Mai 2019 | 20.15 Uhr | Deutschland - Frankreich |
Mi., 15. Mai 2019 | 20.15 Uhr | Deutschland - Slowakei |
Sa., 18. Mai 2019 | 16.15 Uhr | Kanada - Deutschland |
So., 19. Mai 2019 | 16.15 Uhr | Deutschland - USA |
Di., 21. Mai 2019 | 12.15 Uhr | Finnland - Deutschland |
John Tripp: "Die Schweiz ist das perfekte Beispiel"
Ein gewissesFragezeichengibt es auf der Goalie-Position. Playoff-MVP Dennis Endraswurdeüberraschendnichtnominiert, Thomas Greiss hat verletztabgesagt - dafür könnte Philipp Grubauer nach dem Aus von Colorado noch kommen. Wie sehen Sie die Lage im Tor?
Tripp: Grubauer ist sicherlich ein Wunschspieler. Er hat bärenstarke Leistungen gebracht für die Avs und der Welt gezeigt, dass er in der NHL ein Nummer-eins-Goalie sein kann. Wenn er kommen würde, wäre das natürlich top. Aber auch ohne Grubauer, Greiss und Endras sind wir gut aufgestellt. Deutschland ist sehr tief besetzt im Tor. Auch Niklas Treutle und Mathias Niederberger sind gute Torhüter.
Wen sehen Sie generellvornebei der WM? Kanada hat 2018 keine Medaille geholt und dürftebesondersmotiviert sein.
Tripp: Die Spieler, die im vergangenen Jahr dabei waren, mit Sicherheit. Jeder weiß, was für eine unfassbare Qualität Team Canada hat. Mit dem Spielermaterial könntest du leicht drei oder vier Mannschaften aufstellen, die das Turnier gewinnen könnten. In diesem Jahr ist zum Beispiel John Tavares dabei, er wird das Team anführen. Das Problem von Kanada, oder auch von den USA, ist die Fluktuation. In jedem Jahr kommt ein völlig neues Team zur WM. Sich dann in so kurzer Zeit als Team zu finden, ist trotz all der Qualität, nicht ganz einfach. Normalerweise würde ich Kanada, Russland, Schweden und Finnland als die Top 4 nennen, aber was ist bei einer WM schon normal. Es kann auch ganz anders laufen.
2018 wäre die Schweiz fast Weltmeistergeworden. Was istIhr Tipp für das DEB-Team?
Tripp: Ich erwarte, dass Deutschland ins Viertelfinale kommt. Die Qualität dazu ist da. Ziel müsste es für das deutsche Eishockey sein, in Zukunft regelmäßig im Viertelfinale zu stehen. Das wäre ein wichtiger Schritt. Und die Schweiz ist das perfekte Beispiel, was möglich sein kann. Es gibt immer eine Überraschungsmannschaft im Turnier, warum soll es nicht die deutsche Mannschaft sein?