Der Diffusor, das unbekannte Wesen. Wann immer man über die Aerodynamik eines Formel-1-Autos redet, denkt man zuerst an den Front- und den Heckflügel. Mindestens ebenso wichtig ist aber der Diffusor, der die Luft unter dem Auto leitet.
Einfach ausgedrückt funktioniert der Diffusor als eine Art Saugnapf. Er erzeugt mit Hilfe der unter dem Auto hindurch strömenden Luft einen Sog, der den Boliden am Asphalt festsaugt. Das bringt jede Menge Anpressdruck.
Davon brauchen die Teams gerade in dieser Saison so viel wie möglich, schließlich sind ihnen durch die Beschneidung des Heckflügels und der unzähligen Zusatzflügel rund 50 Prozent an Abtrieb verlorengegangen.
Lücke im Reglement ausgenutzt
Um noch ein paar Prozent mehr davon zurückzuholen als die Konkurrenz, haben Toyota, Williams und zuletzt auch Brawn GP eine Lücke im Reglement ausgenutzt.
Obwohl die Abmessungen des Diffusors eigentlich exakt vorgeschrieben sind, haben ihn Toyota und Brawn GP dadurch vergrößert, dass sie das mittlere Element als Teil der hinteren Knautschzone definiert haben. Dadurch muss es nicht mehr den Abmessungen des Diffusors entsprechen. Williams trickste mit einem doppelstöckigen Diffusor.
Red Bull legt Protest ein
Beide Versionen bringen natürlich einen Vorteil - und rufen folgerichtig Kritiker auf den Plan. Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali sagte am Rande der letzten Testfahrten: "Wir haben mit unserem Auto das neue Reglement umgesetzt. Andere haben wohl einen anderen Weg gewählt. Es ist an der FIA, Zweifel über den anderen Weg zu zerstreuen, und das so schnell wie möglich."
Das hätte die FIA gerne getan, aber die Zeit bis zum ersten Rennen ist zu knapp. Folglich rechnet Mosley damit, dass das Problem mit der Legalität der Diffusoren von Toyota, Williams und Brawn GP in Melbourne auf die Tagesordnung kommt. Red Bull legte sogar bereits Protest ein. Das bestätigte Manager Helmut Marko dem österreichischen Internetportal "sportnet.at".
Mosley: "Es wird einen Protest geben"
In einem Interview mit dem "Daily Telegraph" sagte Mosley am Wochenende: "Es wird wahrscheinlich so laufen, dass die Stewards in Melbourne eine Entscheidung treffen müssen. Denn es wird mit Sicherheit einen Protest geben. Das Berufungsgericht wird dann über ein mögliches Verbot der Diffusoren urteilen."
Dieses Urteil könnte so aussehen, dass die Diffusoren der betroffenen drei Teams verboten werden und eventuell schon zum zweiten Rennen, spätestens aber zum Start der Europa-Saison ausgetauscht werden müssen. Ähnlich lief es 2007 mit den flexiblen Unterböden von Ferrari und BMW-Sauber.
Legal oder illegal?
Zunächst müssen die Stewards aber erst einmal feststellen, ob die Diffusoren tatsächlich illegal sind oder ob Toyota, Williams und Brawn GP einfach nur clever das Reglement ausgenutzt haben.
Immerhin hatte die FIA nach einer ersten Begutachtung während der Testfahrten im Februar die Modelle von Toyota und Williams laut Mosley schon einmal für legal erklärt. Eine Entscheidung, an die die Stewards in Melbourne allerdings nicht gebunden sind.
"Es ist ein schlauer Schachzug, und es gibt sehr gute Gründe zu behaupten, dass er legal ist", sagte Mosley. "Es gibt aber auch sehr gute Gründe zu sagen, dass er illegal ist. Das wird eine schwierige Entscheidung."
Soll Brawn GP eingebremst werden?
Viel wird davon abhängen, wie sich die betroffenen Teams in Australien schlagen. Sollte vor allem Brawn GP die Eindrücke der Testfahten bestätigen und dem Feld davonfahren, werden Ferrari und Co. alles daran setzen, die Emporkömmlinge etwas einzubremsen.
Es wird also in Melbourne nicht nur sportlich sondern auch politisch spannend. Auf jeden Fall dürfen wir uns auf viele neugierige Blicke auf die Heckpartien der Autos gefasst machen.