"Active Hybrid". Dieser Schriftzug prangte am Wochenende in China stolz auf dem Heckflügel des BMW-Sauber von Robert Kubica. Am Freitag stimmte das auch noch, aber ab Samstag hätte man wohl besser "Non active Hybrid" hingeschrieben. Denn der Pole startete wieder einmal ohne.
Genau wie die große Mehrheit der Piloten. Mit den beiden McLaren und Nick Heidfeld waren in Shanghai nur noch drei KERS-Autos am Start.
Und Nick Heidfeld musste sogar vom Team gezwungen werden, gegen seinen ausdrücklichen Wunsch mit KERS anzutreten. Der BMW-Hybridantrieb war schlicht und ergreifend auf diesem Kurs ein Nachteil.
Ausgerechnet der von BMW-Sauber. Immerhin wurde KERS auf Initiative von BMW schon 2009 eingeführt, alle anderen Hersteller waren dafür, das auf 2010 zu verschieben.
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Haug: "Mit KERS schneller als ohne"
Eine Tatsache, die auch Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug übel aufstößt. "Man kann KERS im Vorfeld ohne Ende promoten und es dann nicht einsetzen", sagte Haug im Rahmen einer Telefonkonferenz. "Wir haben eine andere Philosophie, wir setzen KERS ein."
Der Grund dafür ist nicht bedingungslose Loyalität gegenüber der generellen Idee. Mercedes schafft es im Gegensatz zu BMW-Sauber, Ferrari und Renault, die Technologie von Saisonbeginn an zuverlässig und effizient einzusetzen.
Das bestätigte Haug auf Nachfrage von SPOX: "Es steht fest, dass wir in Shanghai mit KERS schneller waren als ohne - und zwar deutlich. Wir reden dabei von drei Zehnteln bis einer halben Sekunde. Ich war überrascht, dass es so viele Teams wieder ausgebaut haben."
Mercedes-KERS leichter als bei der Konkurrenz
Aber warum haben sie das getan? "Ich weiß nicht, ob die Systeme der Konkurrenz schwerer sind. Wenn unseres zehn Kilo mehr wiegen würde, würden wir es nicht einsetzen", versuchte sich Haug an einer Erklärung. "Wir haben ein sehr kompaktes System, daher ist es für uns ein Vorteil."
Das heißt im Klartext: Offenbar kann Mercedes sein kompaktes und leichtes KERS so gut im Auto verteilen, dass die Balance in schnellen Kurven nicht so stark leidet wie zum Beispiel bei Renault, die es genau aus diesem Grund in Shanghai ausgebaut haben.
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BMW hat Probleme mit der Leistung
Eine andere Erklärung könnte sein, dass das KERS von Mercedes mehr und schneller Leistung generiert als bei der Konkurrenz. "Unser KERS hat mehr Boost als andere", beschrieb Haug die Tatsache, dass Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen die 82 PS Zusatzleistung für die kompletten zulässigen 6,6 Sekunden pro Runde abrufen können. Andere Teams können das nicht, so die Vermutung.
Das bestätigte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen gegenüber dem Fachmagazin "auto, motor und sport" indirekt, als er zugab: "Es kommt darauf an, wie viele Bremszonen es auf einer Strecke gibt, um die Batterien aufzuladen. Wir sind da mit unserem System bei gewissen Strecken am Limit."
Die Formel ist klar. Je weniger Energie in den Batterien gespeichert wird, desto weniger Schub können die Fahrer per Knopfdruck abrufen. Die 6,6 Sekunden sind schließlich nur der maximal zulässige und nicht der garantierte Wert.
BMW in Bahrain wieder mit KERS
Beim kommenden Rennen in Bahrain will BMW-Sauber KERS auf jeden Fall einsetzen, schließlich gibt es dort eine lange Gerade und genügend Bremszonen, um KERS aufzuladen.
Schade eigentlich für Mercedes, denn Haug hoffte insgeheim schon auf Exklusivität. "Ich hoffe einmal, dass wir ganz allein sind, dann haben wir größere Vorteile. In China haben wir schließlich schon einen Marktanteil von 66,7 Prozent gehabt", scherzte der Mercedes-Sportchef.
Er hat gut lachen, denn außer bei McLaren-Mercedes scheint das System bei keinem Team einen generellen Vorteil bei der Geschwindigkeit zu bringen. BMW, Renault und Ferrari setzen in erster Linie auf die Vorteile am Start und bei Überholmanövern.
Webber fordert Abkehr von KERS
Das allein reicht den bislang erfolgreichen Teams von Brawn GP, Toyota oder Red Bull nicht als Grund, ihre funktionierenden Autos auf KERS umzurüsten. "Brawn GP hat wie auch Force India die Option, KERS einzusetzen. Sie beschäftigen sich damit, es ist aber nicht sicher, wann sie es nutzen", offenbarte Haug die Möglichkeiten der beiden Mercedes-Kundenteams.
Red-Bull-Teamchef Christian Horner sagte klipp und klar: "In unseren Augen hat sich das System noch nicht seinen Platz in unserem Auto verdient."
Sein Fahrer Mark Webber ging sogar noch deutlich weiter: "Wenn wir KERS jetzt loswerden, dann würde es niemandem wehtun, vor allem nicht dem Publikum."
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Armutszeugnis für Hybridantrieb
So weit ist es also gekommen. Ein führendes Mitglied der Fahrer-Gewerkschaft fordert die Abschaffung von KERS für den Rest der Saison. Ein Armutszeugnis für die einst so hoch gelobte Technologie.
"Ich glaube, wir haben uns alle die Umsetzung des Themas KERS anders vorgestellt als das, was wir im Moment erleben", sagte Haug.
Immerhin besteht die Möglichkeit, dass 2010 alles besser wird, sollte sich die FIA dazu durchringen, den Vorschlag der Teams für ein Standard-KERS anzunehmen. Dann hätten alle die selben Voraussetzungen.
Mercedes will Standard-KERS liefern
Bleibt die Frage, wer in so einem Fall das Standard-KERS liefern würde. BMW hat Interesse, aber auch Mercedes wäre nicht abgeneigt. Das bestätigte Haug: "Wir hätten Interesse daran, dass unser Lieferant ein Angebot macht, sollte es eine Ausschreibung für ein Standard-KERS geben."
Bis es soweit ist, darf sich McLaren-Mercedes noch alleine über die Vorzüge seines Hybridantriebs gegenüber der Konkurrenz freuen.
Ärgerlich nur für die Silbernen, dass man mit KERS alleine keine Rennen gewinnt. Das weiß auch Haug: "Wenn bei uns alles so gut funktionieren würde wie KERS und Motor, dann wären wir sieg- und auch titelfähig."
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