Deutschland ist weltweit im Moment das Motorsportland Nummer eins. Im Automobilsport ist die Fülle an Talenten kaum irgendwo höher. Sieben Piloten sind bereits im Umfeld der Formel 1 unterwegs, viele andere klopfen an die Tür.
Aber es ist trotz der vorbildlichen Nachwuchsförderung in Deutschland keineswegs selbstverständlich, dass die größten Talente auch den Sprung in die Königsklasse schaffen.
SPOX zeichnet am Beispiel der drei Hoffnungsträger Pascal Wehrlein (16), Daniel Abt (18) und Christian Vietoris (22) die unterschiedlichen Phasen nach, durch die ein Nachwuchsfahrer gehen muss.
Vom Überflieger in der Jugend über den Heranwachsenden, der trotz perfekten Umfelds zum ersten mal Verlieren lernen muss, bis zu demjenigen, der trotz zahlreicher Erfolge an dem Punkt angekommen ist, an dem die Formel 1 nicht mehr alles ist.
Pascal Wehrlein: Der blutjunge Siegertyp
Den Anfang macht der Jüngste im Bunde, Pascal Wehrlein. Der 16-Jährige startet in dieser Saison in der ADAC Formel Masters und ist dort nach sieben Siegen in zwölf Rennen auf Titelkurs. Seit er mit zehn Jahren mit dem Kartsport angefangen hat, hat er so gut wie alles gewonnen, was es zu gewinnen gab.
2011 ist er zum ersten Mal im Förderkader der Speed Academy, wo ihn Rennfahrer wie Timo Glock oder Tourenwagen-Legende Klaus Ludwig und Medienexperten wie Kai Ebel zum kompletten Rennfahrer ausbilden. Wehrlein führt als jüngster Teilnehmer die Wertung der sieben auserwählten Talente an.
SPOX: Eine perfekte Karriere bis jetzt, oder Pascal?
Pascal Wehrlein: Mehr oder weniger. Im letzten Jahr war es ein bisschen verkorkst, weil ich viel Pech hatte, aber das hat sich wieder geändert. Es passt alles - und so soll es auch weitergehen.
SPOX: Weißt Du überhaupt, wie es sich anfühlt zu verlieren?
Wehrlein: (lacht) Nee. Ich habe ja letztes Jahr auch gleich mein zweites Rennen in der Formel Masters gewonnen. Danach war allerdings schon etwas der Wurm drin.
SPOX: In diesem Jahr läuft es abgesehen von wenigen Ausfällen wieder optimal. Fühlst Du Dich unbesiegbar?Wehrlein: Man wird auf jeden Fall selbstbewusster, aber unbesiegbar auf keinen Fall. Man gewöhnt sich einfach dran, ganz vorne zu sein. Was auch auffällt ist, dass sich die Gegner anders verhalten, wenn sie hinter einem sind.
SPOX: Bist Du eigentlich überall, wo Du fährst, der Jüngste?
Wehrlein: Nur bei den Bambini waren wir alle gleich alt. Danach war ich immer der Jüngste, sowohl national als auch international. Das ist bis heute so geblieben.
SPOX: In Fällen wie Deinem fällt schnell der Begriff Wunderkind.
Wehrlein: Ach nein. Das ist mir unangenehm.
SPOX: Wie hat sich im Laufe der Jahre die Aufmerksamkeit der Medien entwickelt?
Wehrlein: Bis zum letzten Jahr war es recht ruhig, aber in dieser Saison ist es deutlich mehr geworden. Das liegt sicher auch an der Aufmerksamkeit, die ich durch die Speed Academy erhalte. Letzte Woche waren wir zum Beispiel in Wien und hatten dort Termine mit fünf oder sechs verschiedenen Redaktionen.
SPOX: Kein Wunder, immerhin führst Du in der Wertung der Speed Academy nach dem ersten Wertungszeitraum. Was bringt Dir diese Rennfahrer-Ausbildung konkret?
Wehrlein: Das dadurch steigende Medieninteresse ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt. Dazu kommt die Schulung im Umgang mit den Medien. Aber die Speed Academy ist auch wichtig für die Kontakte. Potenzielle Teams oder Sponsoren schauen zuerst auf die geförderten Fahrer.
SPOX: Wie sieht Dein Plan für die nahe Zukunft aus?
Wehrlein: Sportlich wären die logischen Schritte Formel 3 oder GP3, aber das steht und fällt damit, ob wir das Budget zusammen bekommen. Denn nur schnell sein allein reicht heutzutage im Motorsport nicht mehr.
SPOX: Große Konzerne wie BMW, VW oder Red Bull sind bekannt für ihre Nachwuchsförderung. Gibt es Kontakte in diese Richtung?
Wehrlein: Wir sind immer auf Sponsorensuche, aber es ist sehr schwer, welche zu finden. Hoffentlich bekommen wir in den nächsten Wochen etwas hin, denn sieben Siege in zwölf Rennen sollten doch eigentlich kein schlechtes Argument sein.
SPOX: Hört sich nicht danach an, als sei der große Traum Formel 1 zu diesem Zeitpunkt schon planbar, oder?
Wehrlein: Man arbeitet natürlich immer darauf hin. Erfolge sind dafür die Basis, aber es gehört auch dazu, sich gut verkaufen zu können und bei potenziellen Sponsoren beliebt zu sein.
SPOX: Wo siehst Du Dich in fünf oder zehn Jahren?
Wehrlein: In zehn Jahren bin ich hoffentlich schon Formel-1-Weltmeister! (lacht) Aber es ist schwer zu sagen, was in fünf Jahren sein wird. Im Moment läuft alles nach Plan, aber das ist keine Garantie dafür, dass ich in die Formel 1 komme.
SPOX: Was machst Du, wenn Du einmal nicht vom Motorsport leben kannst?
Wehrlein: Ich mache gerade eine Ausbildung zum Feinmechaniker, um auf jeden Fall etwas in der Hinterhand zu haben. Natürlich hat im Moment der Rennsport Priorität, aber es wäre naiv, sich allein darauf zu verlassen. Das würden meine Eltern auch gar nicht zulassen.
SPOX: Du sagst selbst, es gibt zwei Pascals. Einen mit und einen ohne Helm. Wie unterscheiden sich die beiden?
Wehrlein: (lacht) Sobald ich das Visier herunterklappe, zählt für mich nur noch das Rennen. Da bin ich ein anderer Mensch. Ansonsten bin ich ein ganz normaler Typ wie jeder andere. Eher zurückhaltend.
SPOX: Welche Schwächen hast Du als Rennfahrer noch?
Wehrlein: Ich kann schlecht verlieren. Ich muss lernen, auch mal mit einem zweiten Platz zufrieden zu sein, wenn es die Situation nicht anders hergibt, anstatt ohne Rücksicht auf Verluste dem Sieg hinterher zu jagen. So bin ich zuletzt am Nürburgring nämlich ausgefallen.
SPOX: So jung und schon so berechnend?
Wehrlein: Es ist doch so: Am Ende des Jahres zählt nur die Meisterschaft. Da fragt niemand mehr, warum ich das eine oder andere Rennen nicht gewonnen habe sondern nur Zweiter geworden bin. Das ist alles kein Larifari mehr. Es gehört dazu, auf die nackten Zahlen zu schauen.
SPOX: Wo siehst Du denn Deine Stärken auf der Rennstrecke?
Wehrlein: Mein Grundspeed ist sehr gut, denke ich. Und ich bin sehr konsequent beim Überholen. Am Sachsenring hatte ich zum Beispiel ein sehr spektakuläres Rennen, als ich von 24 auf 5 nach vorne gefahren bin.
SPOX: Mit welchem aktuellen Formel-1-Fahrer würdest Du Deinen Fahrstil vergleichen?
Wehrlein: Am ehesten mit dem von Lewis Hamilton. Ich fahre auch eher aggressiv, aber nicht unüberlegt. Kein Harakiri eben. Ich bin sowieso Hamilton-Fan. Es macht Spaß, ihm zuzusehen. Er ist keiner, der rundenlang hinter einem langsameren Vordermann herfährt. Das mag ich.
SPOX: Was ist mit Michael Schumacher? Immerhin bist Du mal in seinem Kart-Team gefahren.
Wehrlein: Stimmt. Als ich 2009 dort war, ist er sogar selbst noch mitgefahren. Ich kenne ihn also ein bisschen, auch wenn ich natürlich nicht allzu viel mit ihm geredet habe. Er war auch immer ein bisschen zurückhaltend, was klar ist, wenn so viele Leute immer irgendwas von ihm wollen.
SPOX: Wann hast Du denn Schumacher zum ersten Mal fahren sehen?
Wehrlein: Live dabei war ich zum ersten Mal 2001 in Hockenheim. Im Fernsehen habe ich meine ersten Rennen mit fünf oder sechs Jahren gesehen. Das war die Zeit von Mika Häkkinen - und ich war begeisterter Schumacher-Fan.
SPOX: Dein Lieblingsauto ist angeblich ein Rolls Royce Phantom. Wieso so eine Luxuskarosse und kein richtiger Sportwagen?
Wehrlein: (lacht) Auf der öffentlichen Straße kann man doch sowieso nicht richtig schnell fahren. Mein Traum für die Straße ist Rolls Royce, aber mal angenommen, ich würde irgendwann Formel 1 fahren, dann würde ich mir natürlich auch einen echten Sportwagen kaufen.
SPOX: Den Rolls Royce gibt es bestimmt auch mit toller Musikanlage für Rap und Hip Hop, was Du besonders magst.
Wehrlein: Genau, das ist meine Musik. Dabei kann ich mich mehr entspannen als zum Beispiel bei Rock, was ja Sebastian Vettel gerne hört.
SPOX: Wie passt harter Rap damit zusammen, dass Du DSDS als eine Deiner Lieblingssendungen im TV angibst?
Wehrlein: (lacht) Ich finde die ersten Folgen immer lustig. Da sind schon komische Kandidaten dabei.
SPOX: Wie sieht ansonsten Dein Privatleben außerhalb der Rennwochenenden aus? Ist da auch mal Zeit für Party?
Wehrlein: Grundsätzlich habe ich an Wochenenden wenig Zeit. Da sind die vielen Rennen und dann habe ich bis vor kurzem auch noch Fußball gespielt. Auch Schlagzeug spiele ich. Und ich habe auch noch meine Freundin, mit der ich Zeit verbringen möchte. Für Party bleibt da nicht viel Spielraum übrig. Klar gehe ich auch mal mit Freunden weg, aber auf Komasaufen verzichte ich natürlich.
SPOX: Ist Alkohol für Dich tabu?
Wehrlein: Wenn mal eine Feier ist, dann trinke ich auch mal ein Glas Sekt oder so etwas. Das geht schon, aber man muss es im Rahmen halten. Ich kenne auch Fahrer, die in dieser Beziehung auf alles verzichten. Aber ich finde, man darf nicht zu verkrampft sein und alles erzwingen wollen. Ein bisschen Lockerheit gehört dazu.