Was erlauben Verstappen?

Alexander Maack
25. Juli 201619:59
Max Verstappen stand nach seiner Verteidigung gegen Kimi Räikkönen in Budapest in der Kritikgetty
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SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 1 der Saison 2016: Der Große Preis von Ungarn in Budapest. Mit dabei: Das spanische Uhrwerk, Aufregung um ein normales Manöver im Max-Verstappen-Stil und Zweifel an Nico Rosberg.

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Platz 1, Fernando Alonso: Geht die Uhr mal wieder nicht richtig? Fernando Alonso hilft! P7 in FP1, P7 in FP2, P7 in FP3, P7 in Q3 - und im Rennen? Richtig: P7. Der Spanier fuhr in Budapest wie ein Metronom. Leisteten sich die anderen Fahrer bei Nässe im Qualifying Fehler um Fehler, blieb Alonso ruhig und drehte auf.

Besonders sein erster Run in Q2 am Samstag ragte heraus. Alonso war eine halbe Sekunde schneller als die gesamte Konkurrenz und führte beinahe das gesamte Quali-Segment lang das Klassement an. Erst als die anderen Fahrer auf Slicks wechselten, knackten sie die Zeit. Alonsos Fahrgefühl auf nasser Strecke war beeindruckend. Nur für die Quali-Niederlage gegen Carlos Sainz jr. hat Alonso einen kleinen Abzug verdient.

Sein langweiliges Rennen spulte der zweifache Weltmeister routiniert runter. Er fuhr den größten Teil allein auf weiter Flur, aber dennoch am Limit. Dreimal kam er neben die Strecke und schaltete dann einen kleinen Gang zurück, als die Stewards ihn vor einer Strafe bei der nächsten Verfehlung warnten. Alle Möglichkeiten maximal ausgereizt.

Platz 2, Daniel Ricciardo: Das australische Honigkuchenpferd grinst wieder! Und es hat allen Grund dazu. Ricciardo erwischte eine großartige Startphase. Von Startplatz 3 kommend griff er auf der Außenbahn die Silberpfeile an und entschied das Duell auf der Bremse mit mehreren Metern Vorteil seinerseits für sich. Die Belohnung: Platz 2, der allerdings nur bis Turn 2 hielt.

Gegen Rosberg hätte sich Ricciardo etwas besser anstellen können, die Tür nicht sperrangelweit offen lassen. Sicher? Er hatte Hamilton vor sich, der durch seine enge Linie früh bremste. Ricciardo konnte nicht schneller durch die Kurve. Rosberg bewies Rennfahrerinstinkt, als er die Außenbahn wählte, um den Verfolgerplatz hinter seinem Mercedes-Teamkollegen einzunehmen.

Ricciardo schlug von da an eine aussichtslose Schlacht. Red Bull probierte beim zweiten Stopp einen aggressiven Undercut, der aber zum Scheitern verurteilt war. Die Mercedes hatten einfach zu viel in der Hinterhand. Nach zwei Podiumsplätzen in Folge von Max Verstappen war der Sieg über den eigenen Teamkollegen das wirkliche Ziel. Das hat der Australier mit Bravour erfüllt.

Platz 3, Lewis Hamilton: Kann man die Leistung des Weltmeisters für den verpassten ersten Startplatz abwerten? Sicher nicht. Hamilton war auf Pole-Kurs, bis Alonso den Weg versperrte. Kennt Hamilton ja noch aus seiner Debütsaison 2007, auch wenn Alonso in diesem Jahr eindeutig unabsichtlich handelte.

Zurück zum neuen WM-Führenden: Hamilton erholte sich gut von seinem Unfall am Freitag. Die fehlenden Testkilometer waren ihm kaum anzumerken. Beim Start handelte er instinktiv richtig. Er blockte Verstappen auf der Innenbahn und presste sich dann dort an Rosberg vorbei. Die bessere Linie half ihm zudem, beim Beschleunigen vor Ricciardo zu bleiben.

Anschließend schaltete Hamilton schnell zurück. Er hätte sich allerdings eine etwas größere Lücke zu Rosberg schaffen können, um der Gefahr vorzubeugen, beim Überrunden aufgehalten zu werden. Die besteht auf dem Hungaroring immer. Dass Hamiltons Vorsprung im Schlussstint plötzlich auf eine halbe Sekunde schrumpfte, war nicht allein Esteban Gutierrez' Schuld. Das muss sich der Weltmeister zum Teil selbst ankreiden. Den Stinkefinger hätte er sich sparen können.

Platz 4, Kimi Räikkönen: Der Iceman war der Mann des Rennens. Die alternative Rennstrategie, mit der ihn Ferrari nach dem enttäuschenden Qualifying auf die Strecke schickte, ging fast komplett auf. Räikkönen konnte so das tun, was in seiner Zeit bei Lotus für 15 Podestplätze inklusive zwei Siegen sorgte: taktisch klug fahren.

Auch wenn Räikkönen mittlerweile oft den Eindruck erweckt, beim Überholen die eine oder andere Schwierigkeit mit der jüngeren Konkurrenz zu haben, ist der Finne noch immer ein Meister darin, seine Runden unerschütterlich abzuspulen. Dass Verstappen ihm im zweiten Stint im Getriebe hing, kümmerte Räikkönen nicht. Er passte trotz ausgezeichnetem Tempo auf den Supersofts auf seine Reifen auf und fuhr so von Platz 14 bis auf Rang 6.

Ferrari sollte sich überlegen, Räikkönen im Laufe der Saison sämtliche Reifentests für Pirelli fahren zu lassen. Das Feedback des früheren Weltmeisters könnte bei der Entwicklung dazu führen, dass die Pneus ihm wieder liegen - und Ferrari die Reifen in der Saison 2017 endlich auch im Qualifying zum Arbeiten bekommt. Wenn dann das Team seine Fahrer auch noch zum richtigen Zeitpunkt auf die Strecke schickt...

Platz 5, Sebastian Vettel: Der Deutsche stand seinem finnischen Teamkollegen fast in nichts nach. Vettel fuhr grundsolide und machte auf der Micky-Maus-Go-Kart-Strecke von Budapest einen Platz beim ersten Boxenstopp gut. Er jagte daraufhin Ricciardo, doch ein Überholmanöver war auch für den vierfachen Weltmeister aus Heppenheim nicht möglich.

Nach dem völlig verkorksten Wochenende in Großbritannien hat Ferrari den Ungarn-GP genutzt und gezeigt, dass noch Leben im Cavallino Rampante steckt. Trotzdem bleibt die Frage, ob das Pferd sich nur aufbäumen oder auch springen kann.

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Platz 6, Max Verstappen: Der Niederländer wurde beinahe von allen Beteiligten nach seiner Verteidigungsfahrt gegen Räikkönen im letzten Stint gnadenlos attackiert. Ihn trifft aber überhaupt keine Schuld daran, dass sich Räikkönen in Turn 2 am Red-Bull-Hinterrad den Frontflügel zerstörte.

Verstappen kam aus Turn 1 auf der Außenbahn heraus, erst entlang der Ideallinie und zog dann nach außen, um die Kurve normal anzufahren. Dabei finde ich nichts Anstößiges. Verstappen hat aus meiner Sicht einmal die Richtung gewechselt: Als er von der extremen Innenbahn zur Streckenmitte zog. Danach steuerte er das Auto zum Kurvenscheitel. Das ist aus meiner Sicht im Rahmen des Vertretbaren.

Schon im 3. Freien Training hatte der Niederländer für Aufsehen gesorgt. 0,002 Sekunden fehlten ihm auf die Bestzeit. Trotzdem war die Pole Position in weiter Ferne. Mercedes schaltet erst zur Qualifikation den Motor in den Modus für maximale Leistung. Dass er im Rennen ein Platz verlor, lag auch am Team: Verstappen wurde im Vergleich zu Ricciardo strategisch benachteiligt.

Platz 7, Nico Rosberg: Es fehlt ein Quäntchen. Immer. Rosberg fährt auf demselben Niveau wie sein Teamkollege. Nur findet Hamilton aktuell Woche für Woche mindestens einen Moment, in dem das Glück auf seiner Seite ist - wenn es darauf ankommt, nicht in der Qualifikation. In Österreich überstand der Weltmeister die teaminterne Kollision fast unbeschadet, in Ungarn war Rosberg beim Start durch zwei Autos auf beiden Seiten gebremst. Rosberg muss mehr aus seinen Chancen machen. Ob Google für "Glück erzwingen" Resultate ausspuckt?

Dass Rosberg von der Pole startete, obwohl er trotz Doppel-Gelb im zweiten Sektor Bestzeit fuhr, kann ihm fahrerisch nicht angekreidet werden. Der bisherige WM-Führende nutzte die Gelegenheit aus. Wenn dieses Verhalten unerwünscht ist, dann müssen die Stewards es sanktionieren. Das wäre wünschenswert, da zwei geschwenkte Gelbe Fahnen maximale Gefahr bedeuten. Ob Rosberg zum sofortigen Anhalten bereit gewesen wäre? Eher nicht.

Platz 8, Carlos Sainz jr.: Er liefert Woche für Woche. Sainz im Qualifying: Sechster. Toro-Rosso-Gefährte Daniil Kvyat: Zwölfter. Der Spanier fährt dauerhaft in die Punkte, während sein Teamkollege nach der Degradierung von Red Bull weiterhin strauchelt. Der einzige Makel: Nachdem er in der Qualifikation deutlich schneller als beide McLaren-Honda war, hätte Sainz im Rennen einen Weg an Landsmann Alonso vorbeifinden sollen. Der hatte ihn in Turn 1 nach dem Start überholt.

Platz 9, Jolyon Palmer: Die einzigen Punkte sammelte der Brite bisher beim Saisonauftakt. Seitdem reihte sich ein verkorkstes Wochenende an das nächste. In Budapest aber fand Renault irgendetwas, das die Autos konkurrenzfähig machte. Zumindest im Trockenen. Denn sowohl Palmer als auch Teamkollege Kevin Magnussen kamen im Qualifying nicht zurecht.

Im Rennen hatte Palmer die wesentlich bessere Pace. Das wurde belohnt: Die Schleichfahrt von Felipe Massa und Force Indias Doppel-Pitcrew-Patzer nach dem zweiten Stint spülten den Renault in die Top 10. Palmer hätte sich ein wesentlich besseres Ranking im Driver-Ranking verdient, wenn er nicht kurz vor Schluss mit einem selbstverschuldeten Dreher die WM-Punkte verspielt hätte.

Platz 10, Pascal Wehrlein: Der Hungaroring fordert Grip. Mechanisch und Aerodynamisch. Beides fehlt Manor. Auf trockener Strecke war Wehrlein ein wenig schneller als Teamkollege Rio Haryanto, doch im Regen-Qualifying nahm er ihm Sekunden ab, bevor der Indonesier sein Auto im Kiesbett parkte. Durch diesen Vorteil und seinen guten Start, mit dem Wehrlein drei Konkurrenten hinter sich ließ, verdient der DTM-Champion einen weiteren Punkt.

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