Das schwere Leben der Supertalente

Von Andreas Lehner
Bojan Krkic (r.) spielt seit seinem neunten Lebensjahr für den FC Barcelona
© Getty

Der Wechsel von Toni Kroos zu Bayer Leverkusen brachte Kritik an der Nachwuchsförderung des FC Bayern mit sich. Doch viele Talente europäischer Großklubs teilen dieses Schicksal. Auch Auszeichnungen in jungen Jahren bei großen Turnieren sind keine Garantie für große Karrieren.

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Es lief die zweite Halbzeit des DFB-Pokalspiels VfB Stuttgart gegen Bayern München. Die Münchener zauberten die Schwaben an die Wand. Mit dabei die Herren Lahm, Schweinsteiger, Rensing, Lell und Ottl - alles Spieler, die die Jugendabteilung des FC Bayern durchlaufen und den Durchbruch bei den Profis geschafft haben.

Der Wechsel von Toni Kroos zu Bayer Leverkusen rief allerdings Kritiker auf den Plan, die den Bayern vorwarfen, Nachwuchsspielern und hoffnungsvollen Talenten zu wenig Chancen zu bieten. Misimovic, Trochowski, Jansen und Podolski waren Namen, die in diesem Zusammenhang immer wieder fielen.

Zu großer Leistungsdruck

Uli Hoeneß will davon aber nichts wissen. Der Manager betonte, dass Jürgen Klinsmann den jungen Spielern wie Kroos oder Podolski eine Chance geben wollte, doch dieses Experiment dem Leistungssdruck zum Opfer gefallen sei.

"Er hat gemerkt, dass er mit erfahrenen Spielern die kurzfristigen Erfolge besser umsetzen kann. Kroos hätte bei uns ein weiteres halbes Jahr verloren, deswegen haben wir ihn abgegeben", so Hoeneß.

In Leverkusen soll er nun Spielpraxis sammeln und zu einem gestandenen Spieler reifen, ähnlich wie es bei Philipp Lahm gelang, der bei Bayern noch gar keinen Bundesligaeinsatz vorweisen konnte, bevor er nach Stuttgart ging.

Nur wenige Spiele für die Jugend

Dass ein Stammplatz für einen 18- beziehungsweise 19-Jährigen kein Selbstläufer ist, zeigt ein Blick auf die restlichen Bundesligamannschaften. Dort konnten sich in der Hinrunde nur seine Alterskollegen Konstantin Rausch (Hannover) und Marko Marin (M'gladbach) dauerhaft in der ersten Elf platzieren. In der Winterpause arbeitete sich der 18-jährige Taner Yalcin beim 1. FC Köln in die Stammelf.

Beim Rest der Liga kommen die Talente noch weniger zum Zug als Kroos bei den Bayern. In Stuttgart schafften es Sebastian Rudy und Manuel Fischer nur auf zwei bzw. einen Kurzeinsatz. Bei Leverkusen kamen die U-19-Europameister Stefan Reinartz und Marcel Risse genauso wenig wie Levan Kenia und Carlos Zambrano auf Schalke zum Zug.

Pato als Ausnahme

Doch ein Blick in die europäischen Top-Ligen beweist, dass dies keine negative Eigenschaft des FC Bayern oder der Bundesliga ist, sondern ein ganz normales Phänomen in der Persönlichkeitsentwicklung.

Bis auf Alexandre Pato (AC Milan) hat ein Unter-20-Jähriger bei keinem europäischen Top-Klub auch nur annähernd einen Stammplatz. Die besten Chancen hat hier noch Manchester Uniteds Rafael.

Bojan spielt weniger als Kroos

Selbst Spaniens Supertalent Bojan Krkic brachte es beim FC Barcelona in zwölf Ligaeinsätzen nur auf 277 Minuten. Zum Vergleich: Kroos kam in sieben Spielen auf 290 Minuten. Der beste (Kroos) und drittbeste (Bojan) Spieler der U-17-WM 2007 haben den Durchbruch also noch nicht geschafft.

Kein Wunder, wenn man den Experten glaubt, die immer wieder betonen, dass der Sprung in den Profi-Bereich ein sehr großer ist. Ein Blick in die Geschichtsbücher beweist das. 1997 holte sich ein gewisser Sergio den goldenen Ball, 1999 Landon Donovan, 2001 Sinama Pongolle. Die Gewinner der Jahre zuvor seien hier geflissentlich verschwiegen.

Messi, Ronaldo und Benzema die Ausnahmen

Der Vorgänger von Kroos hieß Anderson, der wurde für rund 30 Millionen Euro zu Manchester United transferiert und wartet dort noch immer auf den endgültigen Durchbruch.

Die Auszeichnung ist also alles andere als eine Top-Star-Garantie, aber selbstverständlich auch kein Hindernis. 2003 belegten Cesc Fabregas und David Silva die Plätze eins und drei.

Fabregas gehört aber zu den Ausnahmen. Außer ihm schafften in jüngster Vergangenheit nur Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und Wayne Rooney so früh den Schritt auf internationales Top-Niveau.

Real auf dem falschen Weg

Vor allem Spieler aus der eigenen Jugend von Großklubs wie Xavi oder Andres Iniesta beim FC Barcelona können sich meist erst später in der Anfangsformation etablieren.

Denn oft wird der Prophet im eigenen Land einfach nicht gehört. In dieses Bild passt der Abgang von Michel, Trainer der zweiten Mannschaft von Real Madrid. Er warf dem Ex-Präsidenten Ramon Calderon vor, zu wenig auf die eigene Jugend zu bauen und dafür unnötig Geld in mittelmäßige Spieler zu investieren.

Auch die Real-Legende Alfredo Di Stefano prangerte im August die Vereinspolitik an, nachdem die Königlichen Daniel Parejo an die Queens Park Rangers ausgeliehen hatten. Er werde sich nie wieder ein Spiel der zweiten Mannschaft anschauen, grollte Di Stefano. Mittlerweile ist der 19-jährige Parejo wieder zurück und soll seine Chance bei den Königlichen bekommen.

Geduld ist gefragt

Doch vor allem ist Geduld gefragt. Oder man nimmt den Umweg über ein Leihgeschäft wie Uniteds John O' Shea und Jonny Evans oder das Juve-Trio Paolo De Ceglie, Claudio Marchisio und Sebastian Giovinco.

Generell gibt es aber nur wenige Spitzenklubs, die regelmäßig Leistungsträger aus dem Nachwuchsbereich in die erste Elf bringen. Der FC Barcelona, Manchester United und auch der FC Bayern sind da vorbildlich.

Qualität und Leistungsbereitschaft entscheidend

"Es gibt mehrere Möglichkeiten, an die Spitze zu kommen. Es gibt den Weg, viel Geld auszugeben und es gibt den Münchener Weg, nämlich eine Mannschaft zusammenwachsen zu lassen. Am letzten Wochenende standen in keiner internationalen Top-Mannschaft so viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs wie beim FC Bayern", meint Hoeneß.

Am Ende liegt es aber nur an der Qualität und der Bereitschaft, jeden Tag an sich zu arbeiten. Da hilft auch keine Auszeichnung bei der U 17. Oder wissen Sie, was aus James Will geworden ist?

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