Der Plan von Red Bull: Innerhalb von acht Jahren soll der Durchmarsch in die Bundesliga gelingen, dafür stellt der Konzern in den nächsten zehn Jahren 100 Millionen Euro zur Verfügung. Ein unglaubliche Summe für einen Oberligisten, die Skepsis hervorruft.
Welche langfristigen Ziele verfolgt Red Bull? Welche Risiken birgt die Konstellation? Und welche Konsequenzen hat der Einstieg auf die Fußballlandschaft in Deutschland? Wirtschafts- und Fußballexperte Professor Dr. Tobias Kollmann, Lehrstuhlinhaber an der Universität Duisburg-Essen, beantwortet die wichtigsten Fragen.
SPOX: Was ist in Leipzig in den vergangenen Tagen passiert?
Tobias Kollmann: Es wurde ein neuer Verein mit dem Namen RB Leipzig gegründet, wobei das RB für RasenBallsport steht. Damit der Klub nicht in der untersten Liga beginnen muss, handelt es sich quasi um eine Ausgliederung der Fußballabteilung des SSV Markranstädt, bei der die Lizenzrechte für die fünftklassige Oberliga Nordost gleich mit übernommen wurden. Damit ist der Weg in die Bundesliga nicht mehr ganz so weit.
SPOX: Warum heißt der Verein RasenBallsport Leipzig und nicht Red Bull Leipzig?
Kollmann: Die Statuten des Deutschen Fußball-Bundes besagen, dass mit Ausnahme von Bayer Leverkusen und Wacker Burghausen der Vereinsname keinen Unternehmens- oder Produktnamen enthalten darf. Deswegen wurde der Begriff RasenBallsport ins Leben gerufen. Die Initialen der Kurzform RB sind aber derart eindeutig, dass sie auf Red Bull verweisen und keine Zweifel übrigbleiben.
SPOX: Trotz des scheinbar neutralen Namens wird Red Bull aber den Verein kontrollieren?
Kollmann: Definitiv. Wie sonst überall bestimmt der Geldgeber das Schicksal. In Hoffenheim hält Dietmar Hopp auch nur 49 Prozent der Spielbetriebs-GmbH, dennoch ist jedem klar, wer am Ende das Sagen hat. Bei RB Leipzig wird es nicht anders sein, denn Red Bull wird sein Engagement von der Dominanz im Verein abhängig gemacht haben und diesen nach den eigenen Vorstellungen aufbauen. RB Leipzig und Red Bull werden so eng wie möglich verzahnt sein.
SPOX: Eine Machtfülle, die bei einem Bundesligisten wohl nicht zu erreichen gewesen wäre.
Kollmann: Red Bull hat sich drei entscheidende Fragen gestellt: Welcher Bundesligaverein hätte einen so dominanten Investor gewollt? Was hätte der Einstieg gekostet? Welche Mitspracherechte wären möglich gewesen? Die Antworten sind wohl bei vielen Alternativen in höheren Ligen nicht zufriedenstellend beantwortet worden, so dass sich Red Bull für den Neuaufbau eines Vereins entschieden hat.
SPOX: Warum fiel die Entscheidung ausgerechnet auf den Leipziger Vorort Markranstädt?
Kollmann: Die Wahl ist vermutlich eher auf den Standort Leipzig gefallen und nachdem man bei anderen Kandidaten vor Ort nicht zum Zuge kam, bot sich der SSV Markranstädt quasi von selbst an. Leipzig wurde dabei nicht ohne Grund ausgewählt, denn Stadt und Region verfügen über ausreichend viele Einwohner sowie Wirtschaftskraft und damit ein großes Fanpotenzial, welches erschlossen werden kann. Zudem verfügt der Standort bereits über ein modernes Stadion mit einer vorbildlichen Infrastruktur. Gleichzeitig gibt es im weiten Umkreis keine Bundesligavereine, die Sponsoren, Interesse und Zuschauer bereits an sich binden konnten.
SPOX: Aber wird es für Red Bull nicht trotz allem schwierig, die Investitionen zu refinanzieren? Allein in den nächsten zehn Jahren sollen 100 Millionen Euro fließen.
Kollmann: In den unteren Ligen wird wesentlich mehr Geld ausgegeben als eingenommen, nichtsdestotrotz kann es sich für Red Bull langfristig wirtschaftlich lohnen. Stichwort Marketing. Die Rechnung ist einfach: Was müsste ich für diesen Werbeeffekt einer Marke im Milliardenmarkt Fußball sonst einem anderen Verein ohne eigene Mitspracherechte bezahlen und was kostet mich der Durchmarsch von unten in die Bundesliga mit dem gleichen Effekt in Eigenregie? Wenn letzteres gelingt und man sich national und vielleicht sogar international etablieren kann, erscheinen 100 Millionen Euro fast wie ein Schnäppchen.
SPOX: Wenn der Erfolg aber ausbleibt, war es für Red Bull ein teures Vergnügen.
Kollmann: Das ist das unternehmerische Risiko. Wenn RB Leipzig in zehn Jahren bei diesem Kapitaleinsatz weiterhin nur in einer der unteren Ligen spielt, geht die Rechnung wahrscheinlich nicht auf. Ohne eine Tradition im Rücken ist zu vermuten, dass viele Zuschauer nur bei Erfolg ins Stadion kommen. Wenn dieser ausbleibt, gibt es eben keine vollen Stadien, keine Schlagzeilen, keine Starspieler - und für Red Bull eben keinen Marketingeffekt.
SPOX: Warum geht Red Bull dennoch ausgerechnet jetzt das Risiko ein?
Kollmann: Hoffenheim hat bewiesen, dass man einen vermeintlich beschwerlichen Durchmarsch aus den unteren Ligen bis zur Bundesliga-Herbstmeisterschaft schaffen kann - solange Konzept, Kapital und das richtige Management vorhanden sind. Das hat Signalwirkung und es war nur eine Frage der Zeit, bis andere diesem Beispiel folgen. Ich gehe davon aus, dass über RB Leipzig hinaus auch noch andere in den Startlöchern stehen.
SPOX: Sind sich Hopp und Red Bull ähnlich?
Kollmann: Nur bis zu einem gewissen Grad: Zwar sind beide Investoren bei einem Fußballverein, aber Herr Hopp finanziert Hoffenheim auch aus privaten und idealistischen Gründen. Sein Unternehmen "SAP" steht dabei nicht im Mittelpunkt der Werbewirkung. Red Bull hingegen ist ein profitorientiertes Unternehmen, das bei RB Leipzig klare Wirtschafts- und Marketingziele für seine Produkte verfolgt.
Blog von Galactic89: Ein Pro und Contra des Red-Bull-Einstiegs
SPOX: Ist RB Leipzig eher mit Bayer Leverkusen oder dem von VW gesponserten VfL Wolfsburg vergleichbar?
Kollmann: Auch das nur bedingt. Bayer und VW haben einen starken regionalen Bezug mit einer dominanten Stellung als Arbeitgeber in der jeweiligen Stadt. Deswegen gilt in Bezug auf die Vereine in Leverkusen und Wolfsburg die enge Beziehung und die Herkunft als sogenannter Werksklub. Red Bull hingegen hat seinen Standort strategisch fern der Heimat ausgesucht, um im deutschen Fußballmarkt mitzumischen und ihn zu erobern. Daher wurde ein Novum im deutschen Fußball geschaffen. RB Leipzig ist kein Werksklub und auch kein von einem Mäzen unterstützter Klub, er ist der erste Marketingklub im deutschen Fußball.
SPOX: Mit welchen Folgen?
Kollmann: Der Einstieg von Red Bull mit RB Leipzig im deutschen Fußball ist gleichbedeutend mit einem sportpolitischen Erdbeben. Das ist eine neue Qualität im Hinblick auf die Einbindung eines Investors bei einem Fußballverein. Und trotzdem kann man es schon nicht mehr als Revolution bezeichnen, denn Leverkusen als Pokalfinalist, Hoffenheim als Herbstmeister und Wolfsburg als Meister haben mit Investoren im Rücken auch mit der 50+1-Regel längst eine neue Ära eingeläutet, die demnächst durch Herrn Jammer bei Fortuna Düsseldorf vielleicht fortgesetzt wird. Red Bull ist vor diesem Hintergrund nur die nächste Evolutionsstufe.
SPOX: Zur Verärgerung vieler Fans. Im Stadion von Markranstädt wurden Werbebanden mit Anti-Red-Bull-Parolen beschmiert, zudem wurde der Rasen mit Unkrautbekämpfungsmittel zerstört. Ist das der Glaubenskampf, von dem Sie vor einigen Monaten bereits gesprochen haben?
Kollmann: Das gehört sicherlich genauso dazu, wie die Anti-Hopp-Sprechchöre in den Stadien. Trotzdem ist Hoffenheim einer aktuellen Studie nach der zweitbeliebteste Verein in Deutschland nach Werder Bremen. Der Glaubenskampf zwischen der traditionellen und der neuen Fußball-Welt wird durch den Red-Bull-Einstieg neue Nahrung bekommen - wobei man aber auch klar erkennen muss, dass Investoren nicht per se schlecht sein müssen, sondern durchaus in Einklang mit Verein, Fans und Tradition stehen können.
SPOX: Sie sprechen von Evolution. Sind Vereine wie Hoffenheim oder RB Leipzig die Zukunft des Fußballs?
Kollmann: Zumindest hat Hoffenheim bewiesen, dass sich die Traditionsvereine nicht hinter der 50+1-Regel verstecken können. RB Leipzig macht deutlich, dass man zudem nicht passiv zuschauen darf, sondern selbst die Initiative ergreifen sollte, um die anstehenden Veränderungen aktiv zu gestalten. Mit dem richtigen Regelwerk, welches die Zusammenarbeit zwischen Verein und Investor auch über die Beteiligungshöhe hinaus definiert, könnten Leitplanken zum Schutz der Vereine eingeführt und trotzdem die Ziele der Investoren erreicht werden. Ein entsprechender Vorschlag von mir liegt mit der "Agenda 50+1" längst auf den Tischen der Vereine und DFL.
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