München - Ganze 14 Sekunden dauerte es, da hob es die 69.000 Zuschauer in der Allianz Arena erstmals aus den Sitzen.
Ze Robertos wuseliger Flankenlauf endete mit einer präzisen Flanke an den Fünfer, Frankfurts Marco Russ verschätzte sich total und dahinter stand sie auch schon wieder goldrichtig, die bayerische Torgarantie Luca Toni, normalerweise das 1:0 in Menschengestalt.
Doch statt den Fans, wo sie doch alle gerade schon standen, ein Tor zu schenken, schoss der Italiener Eintracht-Keeper Oka Nikolov an - vertan die Großchance. Was zunächst nur wie ein kleiner Kunstfehler anmutete, sollte sich im Laufe des Spiels als tragisches Versäumnis herausstellen.
38 Schüsse, null Tore
Keine Frage - die Bayern spielten ordentlich, sie erarbeiteten sich gut ein Dutzend äußerst brauchbarer Torchancen und am Ende zählten die emsigen Statistiker 38 Torschüsse auf Seiten der Hausherren. Man hatte eigentlich die gesamte Spielzeit über das Gefühl, es ist nur noch eine Frage von Minuten, bis das erste Tor fällt und mit ihm der eiserne Zehn-Mann-Vorhang um den Frankfurter Strafraum.
Doch das Tor fiel nicht, egal wer sich versuchte. Und plötzlich war das Spiel vorbei und elf ratlose Männer in Rot hatten es nicht geschafft, dieses kleine runde Ding in einen sieben Meter breiten und knapp zwei Meter fünfzig hohen Kasten unterzubringen.
"Ich dachte in der Pause, wenn wir Geduld haben, machen wir schon unser Tor. Aber leider hat die Kaltschnäuzigkeit und das Quäntchen Glück gefehlt", sagte Trainer Ottmar Hitzfeld hinterher.
"Es gibt eben so Tage..."
Zweimal in Folge 0:0 - ein Novum in der Ära Hitzfeld. Die Überirdischen, die die Liga in den ersten Spielen klar beherrscht haben, sind auf dem Boden angekommen und menscheln - wie Toni beim Auslassen seiner zahlreichen Torchancen.
Auch die Aussagen der Spieler werden zunehmend bodenständiger. "Es gibt eben so Tage, an denen der Ball nicht rein will, so einen hatten wir heute", meinte Philipp Lahm. "Da braucht man nicht zu verzweifeln, sondern man muss zusehen, dass man hinten zu Null steht und einen Punkt mitnimmt. Solche Spiele können auch schnell mal 0:1 ausgehen."
Das lag zwar angesichts des Frankfurter Desinteresses am Offensivspiel nicht wirklich im Bereich des Möglichen, aber Lahms Aussage zeigt, dass den Bayern das Selbstverständnis der ersten Spiele irgendwie abhanden gekommen ist.
Bayern stagniert
"Irgendwann ist es halt so, dass man zuhause kein Tor schießt", meinte Hitzfeld gleichgültig. Ihm dürfte dennoch aufgefallen sein, dass sein Team in seinen Leistungen stagniert. Spieler wie Martin Demichelis, Christian Lell oder Hamit Altintop, die zu Beginn der Saison überdurchschnittlich gut spielten, sind nun wieder im normalen Leistungsbereich angekommen.
Und den Zauberkünstlern der ersten Wochen, Franck Ribery, Miroslav Klose und Luca Toni, merkt man so langsam die Wehwehchen, die sie in den letzten Monaten mit sich rumschleppten, an. Dazu sind die Spieler von der Bank derzeit keine echte Alternative - der junge Toni Kroos, den Hitzfeld für Frankfurt gar nicht berücksichtigte - vielleicht mal ausgenommen.
Abwehr stellt sich von selbst auf
Die Abwehr stellt sich nahezu von selbst auf, weil Daniel van Buyten, Valerien Ismael und Willy Sagnol weiter verletzt sind. Im Mittelfeld ist für die deutschen Nationalspieler Bastian Schweinsteiger und Jan Schlaudraff momentan kein Platz frei und wenn sie mal spielen, wirkt das alles sehr bemüht, aber wenig produktiv.
9-Millionen-Mann Jose Ernesto Sosa wurde in Dortmund ins kalte Wasser geworfen und ging unter. Einzig Andreas Ottl ist derzeit eine solide Alternative zu Mark van Bommel und Ze Roberto. Im Sturm gab es bislang wenige Gründe, vom Duo Klose/Toni abzusehen und dafür Lukas Podolski öfter ran zu lassen.
Auch gegen Frankfurt war Podolski nur dritte Wahl und kam erst kurz vor Schluss ins Spiel. Hitzfelds Begründung: "Lukas ist kein Brecher, der kopfballstark ist. Da brauchen wir schon Toni und Klose. Die sind bei hohen Bällen stärker. Lukas ist eher ein Konterstürmer. Hätten wir geführt, hätte ich ihn früher gebracht."
Erinnerung an den 21. April
Alles in allem ist Bayern seit 23 Pflichtspielen ungeschlagen, hat in den letzten Wochen aber ordentlich Substanz gelassen. Und nächste Woche geht es gegen den Meister, der sich nach drei Siegen in Folge im Aufwind befindet. Wackelt plötzlich die Tabellenführung? Hamburg ist seit Samstag bis auf zwei Punkte heran.
Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge dazu: "Recht ist uns das nicht, aber es macht uns auch nicht nervös." Seine simple Devise: "Man muss manchmal eben auch mit einem Unentschieden zufrieden sein, wenn man Meister werden will. Und auf dem Weg sind wir."
Mahnend sei den Bayern-Verantwortlichen allerdings noch mal der 21. April in Erinnerung gerufen. Damals fuhr man als Tabellenvierter an den Neckar und hatte sich die schwachen Leistungen der Vorwochen mit "Dritter werden wir sowieso"-Parolen schön geredet. Das Ergebnis ist bekannt: Stuttgart 2, Bayern 0. Und am Ende standen elf ratlose Männer auf dem Rasen.