SPOX: Es heißt, Sie hätten eine eigene Trainingsphilosophie mit nach Schalke gebracht. Können Sie sie erläutern?
El Maestro: Es geht immer um das Individuum, um die jeweiligen Stärken und Schwächen. Training in Gruppen ist wichtig, aber jeder einzelne muss einerseits an seinen spezifischen Defiziten arbeiten, andererseits seine Qualitäten pflegen.
SPOX: Ein Beispiel?
El Maestro: Ein Fußballer sieht sich abhängig von Position, Konstitution oder Spielstil im Laufe einer Partie häufig ähnlichen Situationen gegenüber. Und diese Situationen müssen im Individual- oder Kleingruppentraining immer wieder isoliert simuliert werden, um optimal vorbereitet zu sein. Kevin Kuranyi ist der vielleicht beste Kopfballspieler der Liga, dennoch legt er nach fast jedem Training Extraschichten ein, um an seinem Kopfball zu arbeiten. Es geht um das Wiederholen von Bewegungsabläufen.
SPOX: Woher haben Sie die Idee?
El Maestro: Ich habe lange darüber gegrübelt, was die Spitzenspieler der Welt ausmachen und habe dementsprechend viele Biografien gelesen. Was mir immer aufgefallen ist: Fast alle Weltklasseleute haben sehr viel extra, außerhalb des normalen Trainings, gearbeitet. David Beckham hat als Kind zum Beispiel jeden Tag im Park Freistöße geübt. Das war eine Art von modernem Individualtraining, auch wenn es nicht systematisch betrieben wurde. Sehr fruchtbar war auch der Blick zum Tennis.
SPOX: Wie bitte?
El Maestro: Viele Tennis-Experten haben mir erzählt, dass jeder, der früh genug mit der Sportart anfängt und genug arbeitet, in die Top 20 kommen kann. Tennis sei prinzipiell einfach zu erlernen, weil es die Wiederholung von vier oder fünf grundlegenden Elementen ist. Daher dachte ich mir: Wenn es im Tennis klappt, warum isolieren wir nicht im Fußball analog die wichtigsten Elemente und lassen es einfach so oft wie nötig wiederholen?
SPOX: Bei welchem Schalker kann man durch das Individualtraining das meiste herauskitzeln?
El Maestro: Ein Bordon ist so komplett, da ist nicht mehr viel Luft nach oben. Aber Rafinha traue ich zu, in ein, zwei Jahren einer der weltbesten Rechtsverteidiger zu sein. Und Ivan Rakitic ist sehr jung, hat sehr viel Qualität und vor allem: Er ist fleißig. In den nächsten Jahren kann er in die Phalanx der europäischen Superstars einbrechen.
SPOX: Sie sind aus der gleichen Generation wie die meisten Spieler. Unternehmen Sie in der Freizeit etwas zusammen?
El Maestro: Richtig in die Disko oder so gehen wir nicht. Aber es kommt häufig vor, dass ich mit den Jugo-Jungs wie Zlatan Bajramovic und Rakitic oder mit der Uruguay-Fraktion mit Varela und früher Dario Rodriguez essen gehe oder wir bei mir zuhause kochen.
SPOX: Ist es nicht schwierig, als Mitglied des Trainerstabs die nötige Distanz zu wahren?
El Maestro: Es stimmt, manchmal ist man in einer schwierigen Position. Immerhin wirst du von den Spielern als Vertrauensperson angesehen, dann wiederum ist es nötig, im Training Härte zu zeigen. Ich muss also aufpassen, aber bislang lief alles glatt.
SPOX: Seit Jahren müssen Sie auch bei ihrem Bruder Nikon die Balance zwischen Privat- und Trainerleben finden. Schließlich sind Sie sein Privatcoach.
El Maestro: Na ja, ein Privattrainer bin ich nicht. Er bezahlt mich ja auch nicht (lacht). Aber es ist richtig: Wir üben heute noch gemeinsam, wenn wir Zeit finden. Für ihn ist es derzeit aber am wichtigsten, dass er mit anderen in einer Mannschaft spielt und nicht überlastet wird.
SPOX: Wie geht es Nikon?
El Maestro: Für ihn war das letzte Jahr schwierig. Er hatte mit Wachstumsschmerzen zu kämpfen, aber insgesamt entwickelt er sich sehr gut. Er ist jetzt 14, nächstes Jahr kommt er in die B-Jugend. Das werden zwei ganz wichtige Jahre, dann kann man sehen, wohin die Reise geht.
SPOX: Um Ihren kleinen Bruder ist es auffallend ruhig geworden. Vom Hype ist nicht mehr viel zu spüren.
El Maestro: Genau das wollten wir durch den Wechsel zu Schalke bezwecken. In Valencia ist der Trubel außer Kontrolle geraten. In Deutschland wird viel weniger Wind um ihn gemacht, so dass er sich auch in Ruhe in die Mannschaft integrieren konnte.
SPOX: Ist der Eindruck richtig, dass Ihre Karriere ähnlich durchgeplant verläuft wie die Nikons?
El Maestro: Ja, jeder Schritt war wohl überlegt. Zu Beginn habe ich bei West Ham nur mit den ganz Kleinen trainiert, bei Austria Wien bekam ich meine erste Vollzeitstelle als Jugendcoach, in Valencia durfte ich die besten Talente und die zweite Mannschaft betreuen.
SPOX: Wo Sie sich auch einen Namen als Privattrainer vom ehemaligen brasilianischen Nationalspieler Fabio Aurelio machten.
El Maestro: Fabio hatte zugeschaut, wie ich mit den Jugendspielern gearbeitet hatte und wollte gleich mitmachen. Meine erste Erfahrung mit einem Spitzenspieler. Danach bekam ich von Schalke das Angebot, zusammen mit meinem Bruder nach Deutschland zu wechseln und zunächst mit den Profis als Technik- und Individualtrainer zu arbeiten. Mittlerweile kümmere ich mich als Co-Trainer auch um Taktik und Spielanalyse.
SPOX: Es ist demnach immer eine Stufe nach oben gegangen. Wie sieht der nächste Schritt aus?
El Maestro: Im Sommer will ich in England die Profitrainerlizenz machen, damit ich irgendwann als Chefcoach arbeiten kann.
SPOX: Und wann sehen wir Sie in der ersten Reihe?
El Maestro: Vielleicht ist es schon in sechs, sieben Jahren der Fall. Jetzt zählt aber nur Schalke. Hier habe ich noch 18 Monate Vertrag, den ich sehr gerne verlängern würde. Ich kann noch ungemein viel von Mirko Slomka lernen.