Hoffenheim in der Zwickmühle

Von Haruka Gruber / Torsten Nenner
Kommt Verstärkung? Wenn ein Obasi (l.) ausfällt, bekomt 1899-Trainer Rangnick Probleme
© Imago

Das Dilemma des Herbstmeisters: Die TSG 1899 Hoffenheim braucht Verstärkungen für die Rückrunde, doch die Vereins-Philosophie spricht dagegen. Das Remis gegen den FC Schalke 04 könnte aber für ein Umdenken sorgen.

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Ein Paradigma. Ein Dogma. Zwei Fremdwörter, die für den Germanistik-Laien wie Synonyme klingen. Aber Jan Schindelmeiser, der studierte Sportmanager, zieht da eine feine rhetorische Linie.

"Es gibt keinen Paradigmenwechsel in unserer Transferpolitik. Ganz im Gegenteil: Wir werden unsere Linie ganz konsequent weiterfahren und mit jungen Spielern arbeiten. Aber wir machen kein Dogma daraus", sagte der Manager des Herbstmeisters 1899 Hoffenheim nach dem 1:1 gegen den FC Schalke 04 (Zur SPOX-Analyse).

Eine Äußerung, die verwirrt und wie ein Widerspruch wirkt. Einerseits wolle Hoffenheim, der Sensations-Aufsteiger auf Rang eins, das Paradigma der Jugendförderung konsequent weiterführen - andererseits könnte der Verein auch davon wieder abrücken, da es ja kein Dogma sei.

Was denn nun?

Das Dilemma des Herbstmeisters

Hoffenheim ist der Spitzenreiter. Hoffenheim ist das Aufregendste, was die Bundesliga seit langem zu bieten hat. Aber Hoffenheim steht vor einem Dilemma. Das deutet Schindelmeisers Aussage an.

Denn das zähe Remis gegen Schalke hat der sportlichen Leitung um Trainer Ralf Rangnick und Schindelmeiser eines endgültig vor Augen geführt: Will die TSG in der Rückrunde oben mitmischen, muss sich der Verein von dem im Sommer proklamierten Jugendprinzip ein Stück weit distanzieren.

Auch wenn dies womöglich auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht.

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Der Kader ist zu dünn

26 Spieler stehen im Kader von Hoffenheim. Doch von den 26 sind vielleicht nur 14 oder 15 meist junge Spieler in der Lage, die Ansprüche eines Bundesliga-Spitzenteams zu erfüllen: Sechs in der Abwehr (Compper, Jaissle, Beck, Ibertsberger, Janker, Nilsson), fünf im Mittelfeld (Eduardo, Gustavo, Weis, Salihovic, Vorsah), drei im Sturm (Ibisevic, Obasi, Ba), dazu die neue Nummer eins Timo Hildebrand.

Der Rest ist Füllmaterial mit Auslaufmodellen (Seitz, Löw) beziehungsweise talentierten, aber noch unfertigen Teenies wie Marco Terrazzino und Jonas Strifler. Francisco Copados Vertrag wurde schon aufgelöst. 4,5-Millionen-Zugang Wellington ist ebenfalls noch kein Faktor.

Wenn demnach wie beim Schalke-Spiel ein Leistungsträger ausfällt (Eduardo) und sich ein zweiter verletzt (Obasi), fehlt dem Kader die Breite, um einer solch umkämpften Partie eine Wendung zu geben.

Die Nachspielzeit einberechnet, spielte Hoffenheim fast 15 Minuten in 11-zu-9-Überzahl gegen S04 - dennoch gelang kein Tor, weil einige platt waren (Ba, Salihovic), aber nicht ausgewechselt werden konnten. Auf der Bank fehlten schlicht die Alternativen.

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Interesse an Kroatiens Toptalent Kalinic?

Daher wohl der rhetorische Kniff Schindelmeisers mit dem Dogma. Er weiß: Um auch 34 Spieltage an der Spitze mitzuhalten, bedarf es einer Neuausrichtung des Kaders. Das Paradigma mit hauptsächlich jungen, entwicklungsfähigen und vor allem verhältnismäßig preiswerten Talenten mag vorbildlich sein - die sportlichen Bedürfnisse eines Titelaspiranten für den maximalen Erfolg fordern jedoch ihren Preis.

Die Verpflichtung des nicht mehr jungen und auf der Gehaltsskala nicht ganz preiswerten Hildebrand war vermutlich nur der erste Schritt. Mäzen Dietmar Hopp sagt zwar dazu im "Bild"-Interview: "Wir haben nie einen Star gesucht. Aber wenn jetzt ein Star zu günstigen Konditionen zu uns gefunden hat, dann ist das kein Indiz für einen Strategiewechsel."

Aber mit Nikola Kalinic, dem kroatischen Offensiv-Toptalent aus Split, wird der nächste junge, dafür aber ebenfalls nicht günstige Kandidat im Umfeld schon gehandelt.

Schindelmeiser schließt nichts aus

"Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in der Winterpause keinen Spieler mehr dazubekommen, ist höher als die, dass wir noch welche verpflichten. Ausschließen kann ich es aber nicht", sagte Schindelmeiser, der davon sprach, dass Transfers getätigt werden könnten, wenn vor der Rückrunde Spieler den Verein verlassen würden. Und: Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Neuzugänge auch "erfahren" sind.

Die Situation ist folgende: Mit Seitz, Löw, Christoph Janker, Selim Teber sowie den drei Torhütern Daniel Haas, Thomas Kirschbaum und Daniel Bernhardt laufen gleich sieben Verträge im Sommer 2009 aus.

Besonders bei Seitz, der sich bereits wegen einer Trainerausbildung von Übungseinheiten freistellen ließ, und dem unzufriedenen Löw riecht es schon im Winter nach einem Weggang. Was wiederum heißt, dass nach Copados Abgang - U-19-Europameister Timo Gebhart wird als Nachfolger gehandelt - weitere zwei Plätze im Kader frei werden würden.

Ändert Hoffenheim die Philosophie?

Vielleicht für den einen oder anderen Hochkaräter? Eine Verpflichtung Lukas Podolskis zum Beispiel schloss Rangnick vor sechs Monate im SPOX-Interview kategorisch aus.

"Wir suchen Spieler, die von einer niedrigeren oder gleichen Entwicklungsstufe zu uns kommen. So wie Andreas Beck, der bei uns zwei Schritte nach vorne machen kann - und das simultan mit der Entwicklung des Vereins. Das ist ideal", sagte der Coach damals.

Rangnick weiter: "Lukas ist ein super Fußballer, aber er würde uns von oben entgegenkommen. Das entspricht nicht unserer Philosophie."

Aber eine Philosophie ist kein Dogma, würde Schindelmeiser dazu wohl sagen. Vielleicht lohnt sich ja mal ein Anruf in München.

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