"Das ist der Lachschlager der Saison"

Von Interview: Oliver Wittenburg
Seit Dezember 2003 bei der Eintracht und von den Fans geschätzt: Heribert Bruchhagen
© Imago

Eintracht Frankfurt blickt auf eine turbulente Vorrunde zurück. Aus den ersten sieben Saisonspielen holten die Hessen nur drei Punkte, ehe in einem dramatischen Nachholspiel gegen den Karlsruher SC der Befreiungsschlag gelang. Zuvor war natürlich Unruhe in Frankfurt aufgekommen und Trainer Friedhelm Funkel geriet unter Druck. Vorstandschef Heribert Bruchhagen jedoch bewahrte die Ruhe.

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Überhaupt ist der 60-Jährige, der zudem im Vorstand der Deutschen Fußball-Liga (DFL) sitzt, der Stabilisator der Eintracht. Die Tage der launischen Diva vom Main sind lange gezählt. Frankfurt unter Bruchhagen steht für Konsolidierung und stetigen sportlichen Aufstieg.

Wie es mit der Eintracht in der Rückrunde und auf mittelfristige Sicht weitergeht, welche Innovationen dem Fußball gut tun würden und was er vom Transfergebaren à la England hält, verrät Heribert Bruchhagen im Gespräch mit SPOX.

SPOX: Herr Bruchhagen, mit dem Abstand von einigen Wochen, wie fällt Ihre Hinrundenbilanz aus?

Heribert Bruchhagen: Wir sind schlecht gestartet, wurden aber durch die Absage des Karlsruhe-Spiels im Tabellenbild zurückgeworfen. Wir standen nie auf einem Abstiegsplatz, auch wenn wir oft Letzter waren. Dennoch kam natürlich Unruhe auf, aber Friedhelm Funkel hat wieder eindrucksvoll bewiesen, dass er gerade in Krisensituationen völlig entspannt bleibt. Das ist eine seiner Qualitäten.

SPOX: Karlsruhe war der Knackpunkt.

Bruchhagen: Durchaus. Das gehört eben im Fußball dazu, dass man im entscheidenden Moment auch mal Glück braucht.

SPOX: Was wäre denn passiert, wenn...

Bruchhagen: Konjunktive gibt es nicht.

SPOX: Wie gut gerüstet ist die Eintracht für die Rückrunde?

Bruchhagen: Wir haben Leonard Kweuke und Nikola Petkovic dazubekommen. Alexander Meier, Chris sind wieder dabei. Das sind vier Spieler, die Ansprüche stellen. Ich hoffe, dass sich die Qualität der Mannschaft dadurch noch steigert und wir in der Rückrunde 19 plus X Punkte holen.

SPOX: Welchen Eindruck haben Sie von Leonard Kweuke gewonnen?

Bruchhagen: Das kann ich noch nicht sagen. Es spricht vieles dafür, dass er ein sehr auffälliger Spieler wird. Aber ich habe mir angewöhnt nur das zu glauben, was ich in der Bundesliga sehe.

SPOX: Ein sehr auffälliger Spieler ist auch bisweilen Caio. Sie haben von fehlender Willenskraft gesprochen. Fällt Ihr Urteil jetzt anders aus?

Bruchhagen: Er hat sich näher an die Mannschaft herangespielt, seine körperliche Verfassung ist zweifellos besser geworden. Sein Weg ist aber noch lange nicht zu Ende.

SPOX: Wie ist der Stand in Sachen Trainerverlängerung mit Friedhelm Funkel? Sie würden gerne über den Sommer hinaus mit ihm verlängern. Das sehen andere im Verein aber anders. Wie gravierend sind die Unstimmigkeiten mit dem Aufsichtsrat?

Bruchhagen: Wir sind in konstruktiven Gesprächen und auf einem guten Weg. Die Darstellung dieser angeblichen Spannungen ist doch sehr der Tatsache geschuldet, dass im Moment kein Fußball gespielt wird. Ich bin jetzt fünf Jahre bei der Eintracht und der Aufsichtsrat hat noch nie eine Entscheidung des Vorstands beanstandet oder nicht durchgehen lassen. Die Zusammenarbeit ist weitaus besser, als berichtet wird. Außerdem: Kritische Stimmen gibt es doch bei jedem Trainer.

SPOX: Warum leistet sich Eintracht Frankfurt eigentlich keinen Sportdirektor?

Bruchhagen: Wir haben uns fünf Jahre weiterentwickelt. Wir haben uns wirtschaftlich konsolidiert und sind in einer komfortablen Situation und wir sind sportlich immer besser geworden. Von den 36 Bundesligavereinen haben wir in den letzten fünf Jahren den zweitgrößten Sprung nach dem Karlsruher SC gemacht. Wir sind gut aufgestellt und für Eintracht Frankfurt ist das der beste Weg. Wenn wir verlieren, dann kommen natürlich immer diese Fragen. Ich habe selbst bei Schalke, beim HSV und in Bielefeld als sportlicher Manager zehn Jahre gearbeitet.

SPOX: Wie gehen Sie mit Kritik um? Erfolg hin oder her, wenn es nicht läuft, dann kommt der Druck.

Bruchhagen: Druck ist immer da. Ich bin jetzt seit 40 Jahren im Fußballgeschäft. 1968 hab ich nicht gut genug geflankt, da wurde gemeckert. 1977 sind wir mit Feldkamp abgestiegen aus der 2. Liga, da wurde gemeckert. Dann war ich fünf Jahre Trainer, da wurde gemeckert. Auf Schalke wurde gemeckert und es wird auch die nächsten fünf Jahre weiter gemeckert. Das gehört alles zum Fußballgeschäft. Alles ist hypothetisch und jeder kann alles behaupten.

SPOX: Aber Sie lassen das doch nicht alles über sich ergehen. Sie müssen doch mal Dampf ablassen.

Bruchhagen: Ach nein. Ich spiele noch ein wenig Fußball und laufe drei Mal die Woche zehn Kilometer am Main entlang und dann bin ich wieder ganz zufrieden mit mir. Beim Joggen kann ich ganz gut entspannen.

SPOX: Kommen wir zu einem übergreifenden Thema. Viel wird über die 6+5-Regel diskutiert, die die Zahl ausländischer Spieler in den Klubs stark beschränken würde. Wie schätzen Sie die Machbarkeit ein?

Bruchhagen: Ich finde die Regel super und bin ein echter Verfechter, aber die Juristen innerhalb der DFL halten sie für nicht vereinbar mit dem europäischen Arbeitsrecht.

SPOX: Was würden Sie von einer Aufstockung der Bundesliga auf 20 Klubs halten?

Bruchhagen: Ich bin dafür. Die Nachfrage ist da, die Leute wollen Bundesliga-Fußball sehen und ich glaube, dass unsere Spieler zu wenig spielen. Natürlich sind wir nicht im Europacup vertreten, aber die letzten Champions-League-Sieger kamen auch alle aus 20er Ligen.

SPOX: Von den Klagen über Überbelastung und Terminhatz halten Sie folglich nichts?

Bruchhagen: Unsere Spieler sind sicher nicht überbelastet. Die können ohne weiteres vier Bundesligaspiele mehr vertragen.

SPOX: Dazu passt Ihre Kritik an der heutigen Fußballergeneration. Sie haben vor ein paar Monaten gesagt: 'Ich wünsche mir Spieler, die sich ihre Schmerzen auf dem Platz holen und nicht beim Tätowieren.' Würden Sie das noch genauso sagen?

Bruchhagen: Das ist ja symbolisch gemeint. Wir sind ja nicht nur konservativ. Ich wollte darauf hinweisen, dass der Fußball nicht zum bloßen Event verkommen und die Auseinandersetzung mit der Sportart, das Fachspezifische, völlig verloren gehen darf.

SPOX: Sachlich und fachlich zu bleiben, fällt vor allem in den Spielpausen sehr schwer. Transfergerüchte und abenteuerliche Ablösesummen, die in erster Linie aus England kommen, bestimmen die Szenerie. Was halten Sie davon?

Bruchhagen: Über die gesamte Situation kann ich nur mit dem Kopf schütteln. 19 Millionen für de Jong! Das ist der Lachschlager der Saison. 19 Millionen für einen Spieler, der beim HSV gerade so mitläuft. Andererseits kann man dem HSV nur gratulieren.

SPOX: Wie geht es weiter mit der Eintracht? Perspektivisch gesehen. Wo stehen Sie, sagen wir, in fünf Jahren?

Bruchhagen: Das kann ich nicht sagen. Grundsätzlich ist es so, dass das Tabellenbild immer stärker zementiert wird. Das sportliche Ranking entspricht den Etats. Wir haben 25,5 Millionen, die Bayern haben 151 Millionen, andere haben 50, 60, 70 Millionen.

SPOX: Wird das so bleiben?

Bruchhagen: Das kann ich nicht sagen. Unser Ziel ist es, uns heranzutasten an die erste Hälfte der Liga.

SPOX: Was würden Sie zu einem Salary Cap im Fußball, einer Gehaltsobergrenze, sagen, um für mehr Wettbewerb zu sorgen?

Bruchhagen: Eine Beschränkung der Spielergehälter bringt nichts, aber eine Quotierung, wie sie Karl-Heinz Rummenigge vorgeschlagen hat, halte ich für sinnvoll. Wenn einer 100 Millionen Umsatz hat, dass er nur 50 Millionen für Lizenzspieler ausgeben darf. Diese Regelung verbunden mit einem Lizensierungsverfahren für Europa wäre richtig.

SPOX: Sie sind jetzt seit fünf Jahren bei Eintracht Frankfurt. Könnten Sie sich vorstellen, sich noch einmal zu verändern? Wäre ein Klub von der Größenordnung eines FC Bayern etwas für Sie?

Bruchhagen: Man muss sich im Leben auch einschätzen können. Ich bin mit meinen Vereinen Schalke, Hamburg, Bielefeld und Frankfurt sehr zufrieden.

SPOX: Sie sind ein sehr in sich ruhender Mensch.

Bruchhagen: Naja, ich bin schon auch aggressiv, täuschen Sie sich da mal nicht. Sagen wir mal so: Ich werde dann Manager beim FC Bayern München, wenn Sie Pressesprecher bei der Bundesregierung werden.

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