Seit vier Jahren steht Elson Falcao da Silva schon beim VfB Stuttgart unter Vertrag. Beinahe unbemerkt. Es waren vier schwierige Jahre. Jahre voller Tiefschläge und Selbstzweifel - die jetzt erste Anzeichen eines Happy Ends zeichnen.
Aber der Reihe nach. Im Januar 2005 ordnete der VfB Stuttgart sein Mittelfeld neu. Ex-Trainer Felix Magath hatte neben beachtlichem Erfolg auch einige Altlasten hinterlassen, die in den Plänen von Matthias Sammer keine Rolle mehr spielten.
Also trennte sich der Verein von zwei seiner Spielmacher. Emanuel Centurion, das 2,5-Millionen-Euro-Missverständnis von Velez Sarsfield, ging zurück nach Argentinien. Und Hakan Yakin, ein Jahr zuvor vom FC Basel nach Stuttgart gewechselt, wurde noch schnell zu Galatasaray Istanbul weggelobt.
Bordon-Entdecker holt ihn nach Stuttgart
Es war wieder Platz im Kader und Herbert Briem hatte auch schon jemanden im Auge. Briem war damals als Manager Sport für alle Transfers verantwortlich und hatte schon längst bei Paolo Hansen nachgefragt.
Hansen vermittelt Spieler aus Südamerika nach Europa. Ein paar Jahre zuvor hatte der VfB über Hansen den völlig unbekannten Marcelo Bordon entdeckt. Jetzt offerierte der Brasilianer wieder einen Landsmann. Einen 23-jährigen zentralen Mittelfeldspieler von Palmeiras Sao Paulo.
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Der Deal ging fix über die Bühne. 500.000 Euro, ein überschaubares finanzielles Risiko. Aber die Vertragslaufzeit: Viereinhalb Jahre. Ein paar Tage später wurde Elson Falcao da Silva in Bad Cannstatt präsentiert.
"Er ist ein glänzender Fußballer und zum anderen ein Typ, der das Herz am rechten Fleck hat. Elson ist auch mental robust und hat beste Voraussetzungen, um sich in Deutschland durchzusetzen", findet Briem damals.
Zu schwer für Sammer - zu frech für Trap
Für Elson sollte es der Beginn einer hoffnungsvollen Karriere im gelobten Europa werden. Es wurde eine beinahe endlose Odyssee.
Unter Sammer kam der zarte, aber auch leicht übergewichtige Brasilianer kaum zum Zug. Kein Tempo, keine Spielhärte, zu viel Brasilien, zu wenig Deutschland. Zudem plagte ihn ein Ödem am Schienbein. Im Sommer musste Sammer gehen. Elson blieb und erhoffte sich unter Giovanni Trapattoni Besserung.
Doch der Maestro lässt viel verteidigen. Zu viel, wie Elson findet, der sich schon nach wenigen Wochen mit Trapattoni anlegt und vehement mehr Einsatzzeit fordert. Ohne Reputation, ohne Lobby, aber mit einer großen Klappe. Von da an spielte er bei Trap keine Sekunde mehr.
Jedes Jahr ein anderer Verein
Und plötzlich hatten beide Seiten ein Problem: Elson spielte nicht, der VfB bezahlte nur und erhielt dafür keine Gegenleistung. Mit Ablauf der Wechselfrist fädelten die Schwaben also ein Leihgeschäft mit dem brasilianischen Erstligisten Ponte Preta ein. Elson ist von der Gehaltsliste, der VfB hat sein Problem für's Erste gelöst.
Nach einem Jahr endet der Leihvertrag, aber der neue Coach Armin Veh hat keine Verwendung für einen zusätzlichen Mittelfeldspieler. Elson wird noch ein Jahr zu Cruzeiro Belo Horizonte ausgeliehen und danach ein weiteres an Goias Esporte.
Von den ersten dreieinhalb Jahren als Lizenzspieler des VfB Stuttgart hat die einstige Hoffnung bis dato drei in seiner Heimat Brasilien verbracht. Vor Beginn der laufenden Saison kehrte er dann zurück. Nur, es nahm offenbar niemand so recht Notiz davon.
Die Rückkehr des Vergessenen
Im Jahrbuch 2008/09 ist er nicht zu entdecken, kein einziges Mannschaftsfoto bildet Elson mit ab. Auch auf der Homepage des Vereins - wo selbst die U-16-Junioren namentlich und im Bild vorgestellt werden - findet sich kein Hinweis. Der VfB hat seinen Bilanzposten schlicht vergessen.
Armin Veh ließ ihn mittrainieren, an einen Einsatz ist allerdings zunächst nicht zu denken. Erst, als die Ergebnisse ausbleiben und einige der Sommer-Zugänge nicht so recht zünden, erinnert sich Veh an seine Nummer 25.
Am 18. Oktober bringt er den kleinen Mann mit dem starken rechten Fuß gegen Hertha BSC sechs Minuten vor dem Ende. Elsons vierter Bundesligaeinsatz in fast vier Jahren. Drei Minuten später macht Berlin das Siegtor, Elsons Rückkehr in den deutschen Fußball hätte schlimmer nicht enden können.
Mit "deutscher Mentalität" gegen das Risiko in Brasilien
Trotzdem findet sein Trainer Gefallen an ihm und "wie er trainiert. Er hängt sich immer voll rein und hat sich weitere Chancen verdient", so Veh. Er sieht die Fortschritte, die Elson im brasilianischen Exil gemacht hat - auf und abseits des Platzes.
Elson ist reifer geworden. "In Brasilien kannst du mitspielen, wenn du eine gute Technik hast, auch wenn deine Fitness nicht überragend ist. Hier ist eine gute Physis eine absolute Grundvoraussetzung. Das habe ich 2005 unterschätzt. Jetzt habe ich mir die deutsche Mentalität angeeignet."
Wohl auch etwas zum Selbstschutz. In Brasilien wollte er nicht bleiben. Seine Frau und seine beiden Kinder wurden in Goia wie viele Angehörige von Fußballprofis in Brasilien Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls. Elsons Auto wurde gestohlen, seine Familie blieb unverletzt.
Die bedeutet ihm alles. Die Konterfeis seiner Eltern Giovanna und Joao Victor und seine Tochter Marie-Luise hat er sich unter die Haut stechen lassen, am Handgelenk steht der Name seiner Frau Aline. Auf dem rechten Schulterblatt prangt ein Löwen-Tattoo. "Der Löwe steht für Stärke", sagt er. Für seine neue Stärke.
Elson: "Jetzt ist alles gut"
Sportlich läuft es plötzlich auch wieder rund. Der Trainerwechsel von Veh zu Markus Babbel steigert seine Chancen. Babbel zögert zu Beginn noch, in den letzten Wochen drängt der kleine Brasilianer aber immer mehr in die Startelf.
Babbel hat Elsons Stärken schnell erkannt. Mit seinen Tempodribblings und den gefährlichen Anspielen in die Tiefe bringt er einen neuen Faktor ins Stuttgarter Spiel. Die Fans lieben ihn - und Elson erwidert. Zuletzt mit einem Treffer gegen Borussia Dortmund.
Für sein allererstes Tor wählte er aber die ganz große Bühne, im Derby beim KSC. Der VfB gewinnt 2:0, Elson ist der Mann des Abends. "Wir haben das Derby gewonnen, ich habe mein erstes Tor gemacht - jetzt ist alles, alles, alles gut."
Im Sommer läuft der Kontrakt aus, den er vor vier Jahren unterzeichnet hat und bisher so wenig mit Leben für den VfB gefüllt hat. Das will er jetzt ändern. "Ich möchte in Deutschland und beim VfB bleiben."
Nach seinem Tor in Karlsruhe stieg er im Überschwang übrigens zu den Fans auf den Zaun. "Wenn dich so viele Menschen anfeuern und alle deinen Namen rufen, da bekommst du wirklich Gänsehaut", sagte er danach.
Natürlich handelte er sich damit die Gelbe Karte ein, Schiedsrichter Dr. Felix Brych blieb gar keine andere Wahl. Deutsches Pflichtbewusstsein kennt er offenbar noch nicht. Vermutlich wird er aber auch das noch lernen.
Elson Falcao da Silva im Steckbrief