Jürgen Klinsmann drehte den Körper vorsorglich schon mal Richtung Ausgang. Schnell noch ein paar lästige Fragen über sich ergehen lassen und dann nichts wie weg. Nichts wie raus aus der Wolfsburger Arena, dem Ort der Schande für den FC Bayern München an diesem Samstagnachmittag.
Dementsprechend kurz angebunden und ungeduldig war der Bayern-Trainer auch auf der obligatorischen Pressekonferenz.
Sein Team habe eine Klatsche bekommen, sagte Klinsmann, reproduzierte mehrmals den Satz "Das tut richtig weh" und gab an, den Spielbetrieb jetzt nicht einstellen zu wollen, denn es gehe ja schließlich weiter. Für die Bayern in dieser Woche bekanntlich mit dem bedeutenden Spiel beim FC Barcelona.
Höchste Pleite seit 2002
Mehr war aus Klinsmann nicht herauszuholen. Auf die Frage eines Journalisten, warum die Herren Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die Bayern-Kabine nach dem Spiel aufgesucht hätten, erwiderte der Coach: "Kein Kommentar."
Bayerns Debakel in Wolfsburg in der SPOX-Analyse
Immerhin stellte sich Klinsmann nach der höchsten Bundesligapleite des FC Bayern seit über sieben Jahren (1:5 auf Schalke im Januar 2002). Mehr gab es nämlich nicht aus Münchner Mündern.
Die Spieler verweigerten kollektiv Erklärungsversuche, selbst der sonst so auskunftsfreudige Kapitän Mark van Bommel kneifte. Auch Hoeneß und Rummenigge griffen zum Maulkorb. Schweigen ist Gold, sagt der Volksmund. Aber in diesem Fall hätte es Silber auch getan, schließlich war in den 90 Minuten viel passiert.
Nach einer vernünftigen ersten Halbzeit, in der der FC Bayern "die klar bessere Mannschaft war" (VfL-Coach Felix Magath), begingen die Münchner zwischen der 63. (2:1 durch Edin Dzeko) und der 77. Minute (5:1 durch Grafite) unerklärliche naive Fehler in noch unerklärlicheren Mengen und stolperten von Blackout zu Blackout.
Bayern hilf- und wehrlos
"Unsere zweite Halbzeit war indiskutabel. Mit dem einen oder anderen werden wir diese Niederlage hart aufarbeiten", sagte ein im TV-Interview redseliger Klinsmann. Das klingt nach ungemütlichen Tagen. Doch was soll Klinsmann machen? Draufhauen im großen Stil? Ausgerechnet vor Barcelona?
In Wolfsburg präsentierte sich eine in der zweiten Halbzeit hilflose Mannschaft mit Hang zur Selbstgeißelung. Lammfromm ergaben sich die Bayern ihrem Schicksal, wehrlos wurden Edin Dzeko und Grafite zum Toreschießen eingeladen.
Die Spieler waren mit der Situation nach Dzekos Doppelschlag überfordert. Nirgendwo eine ordende Hand, nirgendwo jemand, der mal dazwischenhaut. Anweisungen von der Trainer-Bank wurden nicht etwa ignoriert - es gab schlichtweg keine. Stattdessen holte Klinsmann nacheinander Lucio, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm vom Platz.
"Wolfsburg ist wie ein Finale", hatte Ze Roberto angekündigt und Klinsmann "totale Hingabe" gefordert. Manager Hoeneß setzte das Wolfsburg-Spiel auf der Wichtigkeitsskala sogar über die anstehende Partie in Barcelona.
Wenn sich jeder der Bedeutung des Spiels bewusst war, ist der Ausgang umso Besorgnis erregender. Schon beim 2:4 im DFB-Pokal gegen Bayer Leverkusen gingen die Bayern in einer so wichtigen Partie unter. Und fünf Gegentore gab es in der Hinrunde bereits gegen Werder Bremen. Dazwischen mischen sich hohe Siege in allen Wettbewerben.
Hoffnung für Barcelona?
Keine Bayern-Mannschaft der letzten Jahre war annähernd so unberechenbar wie die der Saison 2008/09. Konstanz ist ein Fremdwort.
Vielleicht macht aber gerade das ein bisschen Hoffnung für Barcelona. Mit zwei, drei Gegentoren binnen weniger Minuten hätte man eigentlich erst am kommenden Mittwoch rechnen müssen.
Nach dem Debakel in Wolfsburg gehen die Chancen für ein Erfolgserlebnis im Camp Nou gegen Null. Aber was ist bei Bayern schon normal in dieser Saison...
Wolfsburg - Bayern: Daten und Fakten