Im Interview spricht der bald 44-Jährige über Sorgenkind Caio, die strittige Kapitänsfrage und seine Idee von der "neuen" Eintracht.
SPOX: Herr Skibbe, wie jeder Trainer, der neu bei einem Verein ist, müssen auch Sie einen Interview-Marathon absolvieren. Welche Frage können Sie denn gar nicht mehr hören?
Michael Skibbe: Es gibt keine Frage, die ich nicht mehr hören kann. Dass so viele ihrer Kollegen und Anhänger der Eintracht so viele Fragen haben, zeigt doch nur, wie groß das Interesse an diesem Traditionsverein ist.
SPOX: Ihre Verpflichtung löste am Main Euphorie und Aufbruchstimmung aus. Das erinnerte an Jürgen Klopps Ankunft in Dortmund. Haben Sie sich bei ihm etwas abgeguckt?
Skibbe: Nein. Ich habe meinen ganz eigenen Stil und gebe mich einfach nur so, wie ich bin. Wenn neue Spieler oder auch Trainer zu einem Klub kommen, dann löst das immer eine Art Aufbruchstimmung aus.
SPOX: Die kann aber auch schnell ins Gegenteil ausschlagen...
Skibbe: Ja, aber ich bin natürlich froh über die Erwartungen und über die Stimmungslage der Fans, denn um in dieser Saison besser und erfolgreicher Fußball zu spielen, brauchen wir die vielen Anhänger der Eintracht im Rücken.
SPOX: Die Euphorie ist nach der relativ enttäuschend verlaufenen Vorbereitung allerdings wieder verpufft. Fans, Vorstand und auch Sie äußerten bereits Sorgen um den Zustand der Mannschaft.
Skibbe: Die Mannschaft hat in den Testspielen gegen Kaiserslautern (2:0) und Kärnten (5:0) über weite Strecken absolut überzeugt. Dass man in der Vorbereitungsphase auch mal verliert, liegt am harten Training und daran, dass man einige neue Dinge ausprobiert.
SPOX: Das sagt irgendwie jeder...
Skibbe: Niederlagen in Testspielen gehören einfach dazu und sind normal - gerade dann, wenn man vor einem Spiel noch hart trainiert hat. Darauf kann man als Trainer in der Regel keine Rücksicht nehmen. Hinzu kommt, dass man gegen starke Gegner eher sieht, wo es noch hapert. Insofern haben wir nach den beiden 0:3-Niederlagen gegen Osijek und Timisoara klar aufgezeigt bekommen, wo es Defizite gibt und diese anschließend in Kaiserslautern und gegen Kärnten weitestgehend abstellen können.
SPOX: Nach den beiden von Ihnen erwähnten Niederlagen kam große Unruhe auf. Heribert Bruchhagen hat öffentlich Kritik an Spielern wie Patrick Ochs oder Marco Russ geübt, was sonst in dieser Form noch nicht vorkam. Heißt das, dass sich Bruchhagen nun mehr in die sportlichen Belange einmischt, auch öffentlich?
Skibbe: Es ist das Recht von Heribert Bruchhagen, von den Spielern abzuverlangen, dass sie sich weiterentwickeln und den nächsten Schritt machen müssen. Das machen auch Uli Hoeneß oder Klaus Allofs.
SPOX: Heißen Sie die Kritik auch selbst gut?
Skibbe: Auch ich erwarte von Spielern wie Ochs und Russ, dass sie den nächsten Schritt machen. Sie kamen aus der Jugend, haben sich gut entwickelt - aber jetzt müssen sie auf die nächste Stufe kommen. Ihr Anspruch muss es sein, mit der Eintracht unter die Topmannschaften der Liga zu kommen.
SPOX: Sie antworteten auf die Bruchhagen-Äußerungen mit Zustimmung und sagten bereits, dass Spieler, die nicht mitziehen, aussortiert werden. Provokante Frage: Ist ihr Führungsstil zu wenig autoritär oder warum haben Sie dies geäußert?
Skibbe: Es ist fair, den Spielern, bei denen ich sehe, dass sie es auf absehbare Zeit nicht unter die ersten 18, 20 schaffen, dies in persönlichen Gesprächen auch so mitzuteilen. Alles andere wäre unfair. Dies hat nichts mit Autorität zu tun. Wir wollen so erfolgreich sein wie möglich und dazu brauchen wir die besten Spieler.
SPOX: Die unter ihnen nun die abwartende Spielweise, wie sie unter Friedhelm Funkel praktiziert wurde, in aggressives Pressing verwandeln sollen. Wie bringen Sie das den Spielern bei?
Skibbe: Um den Gegner möglichst früh im Mittelfeld zu attackieren, müssen wir läuferisch, konditionell und taktisch absolut auf der Höhe sein. Wir müssen den Gegner schon bei dessen Spielaufbau stören. Dies erfordert sehr viel Laufarbeit und geschicktes Verschieben. Da muss jeder genau wissen, was er zu tun hat und sich hundertprozentig an die taktischen Vorgaben halten. Das alles kann man innerhalb von viereinhalb Wochen Vorbereitung nicht einstudieren, aber wir sind auf einem guten Weg dahin.
SPOX: Der dann darin mündet, sich auch gegen favorisierte Teams nicht zu verstecken?
Skibbe: Natürlich können wir gegen Kaliber wie Bayern oder Bremen keinen Hurrafußball spielen. Aber verstecken wollen wir uns auch in solchen Spielen nicht.
SPOX: Um Chancen zu kreieren, soll "Sorgenkind" Caio im Mittelfeld die Fäden ziehen. Er fiel jedoch bereits zum vierten Mal durch den Laktattest. Kann er diesen Mangel überhaupt kompensieren, um die ihm angedachte Rolle zu erfüllen?
Skibbe: Caio ist kein Sorgenkind. Er hat eine gute Vorbereitung hinter sich und mit seinen Laktatwerten lag er in der ersten Hälfte des Kaders. Er hat ein großes fußballerisches Repertoire und immer dann, wenn Angriffe über ihn laufen, wird es für den Gegner gefährlich.
SPOX: Sie haben Christoph Spycher zum neuen Kapitän gemacht. Vorgänger Ioannis Amanatidis ist stinksauer. Begründen Sie doch einmal bitte diese Entscheidung?
Skibbe: Die Wahl fiel auf Christoph Spycher, weil ich bessere Erfahrungen mit Defensivspielern in der Kapitänsrolle gemacht habe. Das hat nichts mit meiner Wertschätzung für Ioannis Amanatidis zu tun - er ist unser bester und gefährlichster Stürmer. Aber schon bei der Nationalelf hatten Rudi Völler und ich damals entschieden, einen Defensivspieler zum Kapitän zu machen. Dies habe ich bei meinen nachfolgenden Stationen auch beibehalten.
SPOX: Wieso ist für Sie die Position eines Spielers für die Kapitänswahl ausschlaggebend?
Skibbe: Bei einem Defensivakteur ist die Chance, dass er regelmäßig auf dem Platz steht, einfach größer. Stürmer sind nun mal häufiger verletzt. Wenn sie dann wieder im Training sind, müssen sie als Kapitän bald wieder spielen, wenn man eine schlechte Außenwirkung vermeiden will. Ganz abgesehen von der taktischen Überlegung, dass wir vielleicht auch mal nur mit einem Stürmer spielen.
SPOX: Amanatidis hat bereits Konsequenzen angekündigt...
Skibbe: Ich schätze Ioannis als Mensch und Spieler. Ich bin froh, dass er für uns seine Tore schießt. Ich kann seine Empfindungen nachvollziehen. Wir haben zwei intensive und sehr gute Gespräche geführt und er hat mir versichert, sich weiter voll für die Mannschaft und den Verein reinzuhängen. Zwischen uns wird nichts hängen bleiben. Er bleibt ein sehr wichtiger Ansprechpartner für mich und an seinem Status innerhalb der Mannschaft wird meine Entscheidung überhaupt nichts ändern.
SPOX: Was hat denn Amanatidis zur Verpflichtung von Maik Franz gesagt? Die beiden sind ja im März 2008 beim Gastspiel der Eintracht in Karlsruhe heftig aneinander geraten...
Skibbe: Das liegt ja fast anderthalb Jahre zurück. Beide haben sich längst ausgesprochen. Das sind keine Streithähne. Sie kämpfen und spielen jetzt Seite an Seite für Eintracht Frankfurt und verstehen sich gut. Beide sind für mich wichtige Führungsspieler.
SPOX: Glauben Sie nicht, dass da dennoch etwas hängen geblieben ist?
Skibbe: Im Fußball kann man solche Dinge leicht wegwischen, denn nach einem Spiel ist so was in der Regel Schnee von gestern. Zwischen den beiden gibt es überhaupt keine Probleme mehr.
SPOX: Probleme könnte es aber mit dem großen Kader geben, in dem derzeit 30 Mann stehen. Warum findet die Eintracht keine Abnehmer?
Skibbe: Überall muss aufgrund der Wirtschaftslage und der gesunkenen TV-Honorare in dieser Saison gespart werden. Das wirkt sich natürlich auch auf den Transfermarkt aus. Das Geld sitzt nicht gerade locker und die Klubs haushalten vernünftig.
SPOX: Auf der anderen Seite beklagen Sie ja wieder ein paar Verletzte.
Skibbe: Das ist leider richtig. Bitte vergessen Sie zudem nicht, dass in unserem Kader mit Tosun und Alvarez zwei Juniorennationalspieler stehen, die unter 19 Jahre alt sind. Hinzu kommen die Langzeitausfälle Zlatan Bajramovic und Christoph Preuß, die uns leider sicherlich nicht so bald wieder zur Verfügung stehen werden. Auch unsere beiden Torhüter Jan Zimmermann und Ralf Fährmann fallen noch ein paar Wochen aus. Somit komme ich derzeit auf 24 einsatzfähige Profis, was keinesfalls zu viel ist.