Zwei Jahre war Andreas Görlitz an den Karlsruher SC ausgeliehen, seit dieser Saison ist er zurück beim FC Bayern. Der 27-Jährige kommt jedoch überhaupt nicht zum Zug, sein Weggang scheint beschlossene Sache. Im SPOX-Interview spricht Görlitz über seine Zukunft, seine Musik-Karriere - und sein Ronaldo-Erlebnis.
SPOX: Gratulation zum Debüt-Album mit Room77. Die Musik schallt ja bei Bayern-Heimspielen schon durch die Allianz-Arena.
Andreas Görlitz: Danke. Ja, es ist ein ganz komisches Gefühl, wenn man sein Lied in der Arena über die riesige Anlage hört. Aber ich kann mich daran gewöhnen, es ist auf jeden Fall ein schönes Gefühl.
SPOX: Wir würden Sie Ihre Musik denn beschreiben?
Görlitz: Ein bisschen Green Day, ein bisschen U2 - vor allem ist mir wichtig, dass unsere Texte Hintergrund haben. Wir schreiben nicht was, nur um etwas zu schreiben. Da steckt auch viel Persönliches drin.
SPOX: Wenn Sie mit Room77 jetzt voll durchstarten wollen: Wie wäre es, sich bei Stefan Raab zu bewerben? Der sucht doch einen deutschen Teilnehmer für den nächsten Grand Prix.
Görlitz: (lacht) Das könnten wir machen, das stimmt. Danke für den Tipp. Das einzige Problem ist vielleicht, dass ich ausgerechnet, wenn der Grand Prix ist, Fußball spielen und kurzfristig absagen müsste. Das wäre ja blöd.
SPOX: Wenn Sie sagen, dass Sie davon ausgehen, 2010 keine Zeit für den Grand Prix zu haben, heißt das, dass Sie auf keinen Fall mehr bei den Bayern spielen werden?
Görlitz: Ausschließen kann ich es nicht, aber die wahrscheinlichere Variante ist, dass ich im Winter wechseln werde. Ich will einfach wieder jeden Samstag spielen. Beim KSC habe ich gemerkt, wie schön das ist. Es ist ein ganz anderes Leben, als wenn man immer gut trainiert, aber doch nie spielt. Das ist schon deprimierend. Ich will diese Herausforderung wieder haben und deshalb ist die bessere Alternative, wenn ein Verein kommt, der mich will und bei dem ich zeigen kann, was ich drauf habe.
SPOX: Haben Sie ein Wunschziel?
Görlitz: Amerika. Nein, im Ernst: Die Major League Soccer wäre zum Abschluss der Karriere auf jeden Fall etwas, das ich mir gut vorstellen könnte, aber aktuell hat die Bundesliga für mich oberste Priorität. Grundsätzlich bin ich offen für alles.
SPOX: Bevor Sie sich jetzt einer Fuß-Operation unterziehen mussten, standen Sie immerhin einige Male im Kader. Wie nahe waren Sie an einem Einsatz dran?
Görlitz: Das ist eine sehr gute Frage. Man kann das als Spieler schlecht beurteilen, aber Louis van Gaal hat mir bestätigt, dass ich sehr gut trainiert habe. Wie nahe ich aber dann wirklich an einem Einsatz war? Keine Ahnung. Das Wichtigste ist für mich, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe. Wenn ich mir eingestehen müsste, dass ich zu wenig Gas geben würde, hätte ich ein Problem, aber so kann ich damit umgehen. Und ich kann ja auch nicht zu Philipp Lahm gehen und ihm sagen, dass er doch besser nach links gehen soll, weil ich jetzt rechts mal dran wäre (lacht).
SPOX: Wie ist Ihr Verhältnis zum Coach?
Görlitz: Ich kann nichts Schlechtes über den Trainer sagen. Klar, ich spiele nicht, insofern kann ich nicht zufrieden sein, aber er redet sehr viel mit uns Spielern und sagt einem genau, wie er einen beurteilt. Er ist ein sehr guter Trainer. Ich habe schon sehr viel gelernt in den letzten Monaten.
SPOX: Was genau?
Görlitz: Es ist sehr interessant, wie Louis van Gaal bestimmte Situationen im Spiel beurteilt. Er sieht Dinge, die andere Trainer vielleicht nicht sehen. Wenn wir die Video-Analyse machen, erklärt er zum Beispiel, dass der Passgeber teilweise gar nichts dafür kann, dass er keinen guten Ball spielen konnte. Weil niemand anspielbar war und wir uns besser bewegen hätten müssen.
SPOX: Wie viel von der van Gaal'schen Philosophie setzen die Bayern schon um?
Görlitz: Wenn der Gegner den Ball hat, schon eine ganze Menge. Bis auf wenige Ausnahmen lassen wir so gut wie keine Chancen zu. Was besser werden muss, ist unser Spiel nach vorne. Wir schießen viel zu wenige Tore.
SPOX: Noch mal zurück zu Ihnen persönlich: Sie hatten schon einige schwere Verletzungen in Ihrer Karriere, Sie waren sogar zwei Jahre komplett weg vom Fenster. Haben Sie gedacht, dass Ihre Karriere vorbei ist?
Görlitz: Ich habe nie aufgegeben, aber Fakt ist, dass meine Karriere auf der Kippe stand. Die Musik hat mir gerade in dieser schweren Zeit viel geholfen. Du brauchst etwas, woraus du Energie schöpfen kannst und um nicht durchzudrehen.
SPOX: Hat Ihnen auch Mental-Coach Holger Fischer geholfen?
Görlitz: Ja, sehr. Wir haben uns in meiner Verletzungszeit kennengelernt und seitdem coacht Holger mich. Er hat sehr viele Ideen und er hat mir geholfen, mich zu strukturieren. Es ist einfach so, dass du als Fußballer, so wie viele in der Gesellschaft, von Zweifeln zerfressen bist. Dabei ist das oft grundlos. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass ich ein guter Fußballer bin. Ich habe ja immerhin auch zweimal in der Nationalmannschaft gespielt.
SPOX: Ihr erstes Länderspiel haben Sie 2004 gegen Brasilien gemacht. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr Debüt?
Görlitz: Es war ein unglaubliches Erlebnis. Ich bin auf jeden Fall in der 87. Minute eingewechselt worden. Ich muss gerade überlegen, für wen... Auf jeden Fall für den, der rechts hinten gespielt hat...
SPOX: ...Andy Hinkel...
Görlitz: ...richtig, der war's. Ich weiß noch, dass ich kaum auf dem Feld war, als Ronaldo außen mit dem Rücken zu mir den Ball angenommen hat und ich ihn schön über die Linie gecheckt habe. Das vergisst man nicht. Sein Trikot habe ich mir übrigens nicht geholt, da wollte ich schon mein deutsches behalten.
Andreas Görlitz im Steckbrief
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