Aaron Hunt: "Bin nicht so schnell wie Odonkor"

Von Interview: Stefan Rommel
Torsten Frings ist auf dem Feld manchmal wie ein väterlicher Freund für Bremens Aaron Hunt
© Getty

Aaron Hunt ist nach schwierigen Jahren mit vielen Verletzungen endlich wieder angekommen in der ersten Mannschaft von Werder Bremen und mittlerweile sogar in der Nationalmannschaft. Der 23-Jährige ist ein echter Bremer Junge, wurde im eigenen Internat ausgebildet - und trotzdem zögert er noch mit seiner Vertragsverlängerung bei Werder.

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Im Interview mit SPOX spricht Hunt über seinen Werdegang als Jugendlicher, das schwere Los als Eigengewächs, kommende Ziele als Nationalspieler und den Stand der Vertragsgespräche.

SPOX: Aaron Hunt, Ihr Vater ist Deutscher, Ihre Mutter kommt aus England - wie viel Engländer steckt eigentlich in Ihnen?

Aaron Hunt: Bis auf meine Familie habe ich mit England so gut wie nichts zu tun. Ich bin hier geboren, aufgewachsen und habe hier das Fußballspielen gelernt. Bis auf meine Verwandten, die noch drüben leben, gibt es keine Beziehung zu England.

SPOX: Dann kam es für Sie auch nie in Betracht, für die englische - und nicht für die deutsche -  Nationalmannschaft aufzulaufen?

Hunt: Mit 17 habe ich das erste Mal darüber nachgedacht und damals ziemlich schnell entschieden, für Deutschland zu spielen. Für mich gab es nie etwas anderes.

SPOX: Haben Sie das für sich alleine entschieden oder haben Sie sich auch Rat eingeholt?

Hunt: Ich hatte Rücksprache mit meiner Familie. Ich habe schon gemerkt, dass nicht alle damit einverstanden waren, sondern eher geteilter Meinung. Aber letztlich habe ich mich ganz alleine entschieden.

SPOX: Es ist noch gar nicht so lange her, da stand Ihre Karriere auf des Messers Schneide - und plötzlich konnten Sie quasi zwischen zwei der größten Verbände der Welt entscheiden.

Hunt: Da kann man mal sehen, wie schnell alles gehen kann. Ich war ziemlich abgeschrieben, die letzte Saison war meine schlechteste bis dahin. Davor war ich viel verletzt und hatte nie zu meiner Form gefunden. Es haben immer ein Stück Frische und Fitness gefehlt. Ich konnte nie zeigen, was ich kann. Deshalb war es eine unheimlich schwere Zeit.

SPOX: Hatten Sie damals auch Zweifel daran, ob es jemals wieder mit Ihrem Beruf als Profi klappen könnte?

Hunt: So weit ging es nicht. Aber ich habe schon gemerkt, dass die Zeit langsam knapp wird. Ich habe mich damals selbst extrem unter Druck gesetzt, wollte endlich weg von den Verletzungen und Formschwankungen. Deshalb war mir im Sommer klar, dass das eine ganz entscheidende Saison für mich werden wird.

SPOX: Im Moment sind Sie verletzungs- und schmerzfrei. Sind Sie deshalb auch nach langer Zeit wieder frei im Kopf?

Hunt: Definitiv. Es war sehr belastend, im Hinterkopf immer dieses unsichere Gefühl zu haben. Jetzt ist aber alles okay und ich arbeite hart daran, dass das auch so bleibt.

SPOX: So komisch es klingt: Aber war diese schwere Zeit für Ihre Entwicklung als Mensch im Rückblick auf gewisse Weise auch positiv?

Hunt: Es hat mich als Mensch stabiler und reifer gemacht. Ich habe gesehen, dass es nicht immer aufwärts gehen kann. Erst wenn man das erlebt hat, weiß man seine Gesundheit wieder zu schätzen und wie schön es ist, verletzungsfrei zu spielen. Ich sehe die Dinge mittlerweile anders. Ich freue mich über jedes Spiel, versuche alles aufzusaugen. Davor saß ich sieben, acht Monate auf der Tribüne und musste die Spiele von dort aus anschauen - das möchte ich nie wieder erleben.

SPOX: Es ist keine Selbstverständlichkeit im Profigeschäft, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer so viel Zeit einräumt und immer nachsichtig ist - selbst wenn der Spieler zum Beispiel für Verletzungen gar nichts kann.

Hunt: Deshalb bin ich Thomas Schaaf und Klaus Allofs auch so dankbar. Sie haben mich immer unterstützt, gerade in den schweren Zeiten. Ich konnte immer zu Ihnen gehen, als es mir nicht so gut ging.

SPOX: Sie sagen, Sie würden sich nicht mehr so viele Gedanken über missglückte Aktionen auf dem Platz machen wie früher, deshalb könnten Sie befreiter aufspielen. Sind Sie selbst zu dieser Erkenntnis gelangt oder nehmen Sie auch Hilfe zum Beispiel von einem Mentaltrainer in Anspruch?

Hunt: Das habe ich für mich herausgefunden. Früher habe ich mich zu leicht von Kleinigkeiten runterziehen lassen. Dann war meine Körpersprache im Eimer und mein Spiel belastet. Daran habe ich gearbeitet. Wenn jetzt etwas daneben geht, hake ich das ab und weiter geht's.

SPOX: Haben Sie Bücher über Mentaltraining gelesen?

Hunt: Nein, das nicht. Aber ich habe mir meine Spiele nochmals angeschaut. Da habe ich einige Fehler entdeckt. Die versuche ich jetzt nicht mehr zu machen.

SPOX: Nicht nur Sie, auch Ihre Mannschaft spielt wieder sehr guten Fußball. Das Team wirkt geschlossener und verschworener als die Jahre zuvor. Wurde seit der Sommerpause verstärkt Wert auf teambildende Maßnahmen gelegt?

Hunt: Die Vorbereitung verlief wie alle anderen davor auch. Es wurde nichts groß geändert. Auch die tägliche Arbeit ist eigentlich wie immer. Aber eine Sache stimmt schon: Wir zeichnen ein neues Mannschaftsbild auf dem Platz, jeder ist für jeden da.

SPOX: Hört sich an, als wäre es nicht immer so gewesen. War Diegos Wechsel für die Flexibilität und damit verbundene neue Kreativität des Bremer Spiels sogar eine Art Befreiung?

Hunt: Es war viel abhängig von Diego, unser Spiel war auf ihn zugeschnitten und dadurch waren wir natürlich auch leicht auszurechnen. Jetzt ist die Kreativität auf mehrere Schultern verteilt, unser System ist nicht mehr so starr. Wir haben einige Spieler, die ihre eigenen Ideen mit dem Ball am Fuß entwickeln können. Das ist unser Erfolgsrezept für diese Saison: Wir sind kaum auszurechnen.

SPOX: Werder hat innerhalb sehr kurzer Zeit einen kleinen Stilwechsel vollzogen und bekommt plötzlich jene Balance zwischen Defensiv- und Offensivverhalten hin, die die letzten Jahre gefehlt hat. Wie ging das so schnell?

Hunt: Wir haben aus dem letzten Jahr gelernt. Ich glaube, das ist die wichtigste Erkenntnis. Im Prinzip stehen immer noch dieselben Spieler auf dem Platz. Jeder hat seinen Bereich oder seinen Korridor, den er zu bearbeiten auf der jeweiligen Position hat. Das gilt auch für uns Mittelfeldspieler und Stürmer, die eigentlich eher offensiv ausgerichtet sind.

SPOX: Sie sind mittlerweile eine Art Vorzeigeprofi für Werder - Sie kommen aus dem eigenen Stall, haben das Internat durchlaufen und sind jetzt Nationalspieler. Beschreiben Sie doch kurz das Leben im Internat.

Hunt: Mit 14 bin ich aus Goslar zu Werder ins Internat gewechselt. Das erste Jahr war richtig hart, ich hatte furchtbares Heimweh, habe meine Familie vermisst. Obwohl immer Menschen um einen herum sind, ist man doch sehr viel auf sich alleine gestellt. Ich habe oft überlegt, ob es die richtige Entscheidung war. Zum Glück hatte ich in Bernd Pfeiffer jemanden, der immer ein offenes Ohr für mich hatte. Das ist auch heute noch so. Ihm habe ich alles zu verdanken.

SPOX: Bastian Schweinsteiger klagt öfter darüber, dass er es als Eigengewächs bei Bayern schwerer habe als Teamkollegen, die für viel Geld eingekauft werden. Beim VfB Stuttgart dagegen genießen die eigenen Talente mit den höchsten Stellenwert. Wie ist das bei Werder?

Hunt: Ich sehe es ähnlich wie der Basti. Ich finde es auch schwerer. Spieler, die eingekauft werden, haben zunächst immer die Nase vorn. Das kann man wohl nicht abstreiten. Bei allem Verständnis und Fairness gegenüber den Mitspielern: Aber das  war bei mir genau so.

SPOX: Philipp Bargfrede ist der nächste, der auf dem Sprung ist. Geben Sie ihm Tipps?

Hunt: Das muss ich gar nicht. Philipp ist ja nicht naiv, sondern schlau genug. Der weiß schon, was er tut.

SPOX: Im Juli 2010 läuft Ihr Vertrag aus. Sie halten sich bis jetzt sehr bedeckt. Pokern Sie nur oder grübeln Sie wirklich über eine grundsätzliche Entscheidung?

Hunt: Ich habe immer gesagt, dass ich als erstes mit Werder reden möchte. Das werden wir in der Winterpause auch tun. Vielmehr kann ich Moment dazu nicht sagen.

SPOX: Wie ist Ihre Tendenz?

Hunt: Ich fühle mich hier wohl und bin glücklich. Außerdem ist ein Teil meiner Familie hier...

SPOX: Machen Sie Ihre mögliche Verlängerung auch von Thomas Schaafs Zukunft abhängig? Sein Vertrag läuft ebenfalls aus...

Hunt: Es wäre für mich schon von Vorteil, wenn der Trainer der gleiche bliebe. Ich bin jetzt seit sechs Jahren ein Spieler von Thomas Schaaf und schätze ihn sowohl als Trainer als auch als Mensch. Es wäre ein großer Verlust für den Verein, wenn er nicht bleiben würde.

SPOX: Sie sind flexibel einsetzbar, was viele Vorteile mit sich bringt. Aber manchmal auch Nachteile. Wo genau sollte Jogi Löw Sie denn in der Nationalmannschaft einsetzen?

Hunt: Ich sehe mich schon im Mittelfeld, da am ehesten auf der rechten Seite. Wobei ich auch links spielen könnte.

SPOX: Rechts wäre weniger Konkurrenz...

Hunt: Wen ich dann als Konkurrenten habe, ist mir relativ egal.

SPOX: Löw behält sich womöglich eine Position in der Hinterhand, die er mit einem Spieler mit einer oder mehreren Spezialfähigkeiten besetzen will. Was ist Ihre?

Hunt: Ich bin auf jeden Fall nicht ganz so schnell wie David Odonkor... Aber ich bin auch nicht der Langsamste, habe eine gute Technik und entwickle Torgefahr. Aber ich rede nicht so gerne über mich selbst oder meine Stärken.

SPOX: Dann reden Sie über Ihre Schwächen.

Hunt: Das Kopfballspiel muss ich auf jeden Fall noch deutlich verbessern.

SPOX: Das Finale der Europa League findet im Mai in Hamburg statt. Es gäbe für Werder wohl kaum etwas Schöneres, als im Stadion des Erzrivalen den Pott zu holen...

Hunt: Zunächst ist ein Finale in Deutschland für alle deutschen Vereine etwas ganz Besonderes. Wir durften ja letzte Saison schon ein Endspiel erleben, leider mit dem falschen Ausgang. Es ist ein weiter Weg, auch das haben wir in der vergangenen Saison gelernt. Aber wir wollen da wieder hin.

SPOX: Und Sie wollen deutscher Meister werden.

Hunt: Dazu fehlen noch 19 Spieltage... Wir spielen bis jetzt einen sehr guten Ball und sind oben dran. Aber selbst jetzt gibt es immer noch eine Mannschaft, die besser ist: Bayer Leverkusen. Und es ist ja nicht so, dass wir zum Vierten sieben oder acht Punkte Vorsprung hätten. Es ist alles sehr eng. Wenn wir zwei, drei Spielen verhauen, sind wir ruckzuck wieder Sechster. Letzte Saison waren wir Zehnter - damit hätte nun auch niemand gerechnet. Also müssen wir gewarnt sein!

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