Alzheimer ist eine tückische Krankheit. Die Symptome mögen zunächst harmlos erscheinen, doch über die Jahre verschlechtert sich die kognitive Leistungsfähigkeit dramatisch, bis hin zur Demenz. Der Erkrankte erzählt immer wieder die gleiche Geschichte, vergisst die eigene Adresse oder erkennt selbst enge Verwandte nicht wieder.
Doch als Marcelo Bordon im Sommer vergangenen Jahres mit seiner schwer an Alzheimer leidenden Mutter Leda telefonierte, hörte sie sofort die tiefe Traurigkeit in seiner Stimme heraus. "Sie hat gefragt: Was ist los mit dir?", erinnert sich der Brasilianer des FC Schalke 04 an die Zeit vor einem Dreivierteljahr, als er die vielleicht dunkelste Phase seines Lebens erlebte.
"Ich war nur noch traurig"
Frustriert von "der schlimmsten Saison meiner Karriere" stand er mit 33 Jahren sogar vor dem Rücktritt. "Ich war nicht fit, nicht vorbereitet und nicht zufrieden. Ich war nur noch traurig. Und dann ist ein Tag so lang wie ein Jahr."
Bordon fragte sich, ob er noch genug Spaß beim Fußball verspürt. Ob er nicht sofort aufhören und nach Brasilien zurückziehen sollte, damit er sich um seine Mutter kümmern kann.
Die Entscheidung des FC Schalke, Felix Magath als neuen Trainer zu verpflichten, bewog den Zweifelnden dann doch, sich für eine Fortsetzung der Laufbahn zu entscheiden. Ein Entschluss, der sich im Nachhinein als richtig erweisen sollte.
Nachdem Bordon 2008/2009 unter Ex-Coach Fred Rutten zwischenzeitlich sogar den Stammplatz verloren und wegen etlicher muskulärer Probleme lediglich 23 Bundesliga-Spiele absolviert hatte, gehört er bei Magath trotz seiner 34 Jahre wieder zu den unverzichtbaren Größen.
Abschied im Sommer?
Zwar versprüht Bordon angesichts schwindender Spritzigkeit und Athletik nicht mehr die furchteinflößende Aura vergangener Jahre, aber mit seiner souveränen Art harmoniert er exzellent mit seinem jungen Innenverteidiger-Partner Benedikt Höwedes. Dass Schalke überraschend auf Platz drei steht und mit 17 Gegentoren die beste Abwehr der Bundesliga stellt, ist auch Bordon zu verdanken.
Und doch könnte die Partie gegen Borussia Dortmund sein letztes Revierderby sein. Bisher traf er im Schalke-Trikot neunmal auf den BVB (fünf Siege sowie je zwei Remis und Niederlagen). "Jetzt macht es Spaß - wie lange das so geht, ist aber schwer zu sagen", sagt Bordon.
Nach elf Jahren Deutschland und 289 Bundesliga-Spielen denkt er wie schon im Sommer über einen Rücktritt oder zumindest einen Wechsel in die brasilianische Liga nach. Diesmal, obwohl die sportliche Situation zufriedenstellend ist.
Bordons Mutter unheilbar krank
Vielmehr könnten ihn das Heimweh und die gesundheitliche Situation seiner Mutter zu einer vorzeitigen Auflösung des bis 2011 befristeten Vertrags bewegen. Bereits 2008 stand er kurz davor, nach einem Heimaturlaub nicht mehr nach Gelsenkirchen zurückzukehren. Nur weil seine Familie ihn umgestimmt hatte, flog er doch nach Deutschland.
"Die Krankheit meiner Mutter ist nicht heilbar. Ich hätte zu Hause nichts tun können. Aber hier auf Schalke kann ich noch was tun, hier habe ich meine Aufgabe", sagte er damals.
Was darauf folgte, war aber die eingangs beschriebene Saison mit vielen Tiefschlägen
Mit Rutten und dessen Laisser-faire-Einstellung kam er genauso wenig zu Recht wie mit den ungewohnt zahlreich auftretenden gesundheitlichen Problemen: "Mir fehlte die Sicherheit auf dem Platz - die Sicherheit, dass ich kräftig und stark bin. Dann bin ich nicht mehr ich selbst."
Mentor für Matip und Co.?
Dank Magath fand er jedoch seine fußballerische Mitte wieder. Und dank Magath könnte Bordon sich vielleicht doch dazu bewegen lassen, noch ein letztes Jahr dranzuhängen. Womöglich als Mentor für die nachkommende Generation an Innenverteidigern.
Denn neben Höwedes (21) und Nationalspieler Heiko Westermann (26) stehen mit Joel Matip (18), Carlos Zambrano (20) und Tore Reginussen (23) drei ebenfalls junge Abwehrspieler im Kader, die Bordon mittelfristig ersetzen könnten.
"Magath hat den Spaß zurückgebracht"
"Felix Magath hat mir den Spaß am Fußball zurückgebracht und mich richtig fit gemacht. Wenn er nicht wäre, wäre ich nicht mehr hier. Ich bin froh, dass er mir wieder die Motivation gegeben hat, weiter Fußball zu spielen", sagt Bordon.
Aber noch ist er zwiegespalten: "Bislang habe ich hier von niemandem gehört, dass ich nicht mehr mithalten kann. Wenn es so weiter läuft, glaube ich schon, dass ich noch ein Jahr auf Schalke bleibe. Andererseits: Meiner Mutter geht's immer schlechter. Ich möchte ihr und meiner Familie helfen."
Die Entscheidung fällt er wohl erst nach der Saison im Mai.
Für den Fall des Rücktritts hat Bordon lediglich einen Wunsch: Schalke soll ihm ja kein Abschiedsspiel organisieren. "Denn das würde ich emotional nicht verkraften."