"Man merkt, dass Heynckes in Spanien war"

Daniel Börlein
12. März 201014:21
Gonzalo Castro (3. v. l.) und Leverkusen kassierten am vergangenen Spieltag die erste NiederlageGetty
Werbung

Am 25. Spieltag hat Bayer Leverkusen die erste Niederlage in dieser Bundesliga-Saison kassiert. Mit nur drei Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Bayern München darf das Team von Trainer Jupp Heynckes trotzdem noch immer vom ganz großen Coup träumen. Im Interview spricht Gonzalo Castro über Bayers Chancen und Heynckes' Fußball-Idee. Außerdem verrät der 22-Jährige, warum Sami Hyypiä so gelassen ist und warum die Bayern große Töne spucken dürfen.

SPOX: Herr Castro, Ihre Eltern kommen aus Spanien, Sie haben dort noch Verwandte, folglich also noch immer eine recht enge Bindung zum Land. Die erste Frage deshalb: Sind Sie Barca- oder Real-Fan?

Gonzalo Castro: Ich bin für Barca. Dass ich ein Fan bin, würde ich nicht sagen. Mir gefällt der Stil bei Barca besser. Das sieht einfach mehr nach Fußball aus als bei Real.

SPOX: Und in Sachen Nationalteam: Drücken Sie neben der deutschen Mannschaft auch der spanischen Nationalmannschaft die Daumen?

Castro: Ich kriege durch meine Verwandten natürlich viel mit. Mich freut schon, wenn sie gewinnen. Und wenn im vergangenen Jahr schon Deutschland nicht Europameister geworden ist, war es natürlich super, dass sich die Spanier den Titel geholt haben.

SPOX: Jupp Heynckes war lange Trainer in Spanien und versucht nun, auch bei Bayer einige Dinge aus seiner Zeit dort einfließen zu lassen. Kommt dieser Fußball, den Heynckes bevorzugt, auch Ihren persönlichen Vorstellungen am nächsten?

Castro: Das würde ich schon sagen. Man merkt, dass er lange Trainer in Spanien war. Dazu kommen noch die vielen anderen Erfahrungen, die er in seiner langen Karriere gesammelt hat. Er hat zahlreiche Vereine kennengelernt und unterschiedliche Umstände erlebt. Das alles packt er jetzt bei Bayer zusammen - und man sieht, dass er damit bei uns ankommt.

SPOX: Können Sie Heynckes' Fußball-Idee ein wenig beschreiben?

Castro: Das zu beschreiben, ist schwierig. Wir spielen einen sehr strukturierten Fußball, treten geordnet und kompakt auf. Viel besser als im letzten Jahr. Wir laufen nun beispielsweise auch viel cleverer, machen nicht mehr so viele unnötige Wege. Nach vorne sind wir immer in der Lage, Chancen herauszuspielen. Ich denke, dieser Stil liegt der gesamten Mannschaft ganz gut, weil wir sehr viele spielstarke Leute haben.

SPOX: Dass es bei Bayer in dieser Saison deutlich besser läuft als in der vergangenen, ist also in erster Linie dem neuen Trainer zu verdanken?

Castro: Auch, würde ich sagen, aber sicher nicht nur. Ich glaube, ein großer Faktor ist, dass unser Stadion nun endlich fertig ist. Im letzten Jahr haben wir ja quasi in einer großen Baustelle gewohnt. Wir mussten viel improvisieren, auch was das Training oder die medizinische Betreuung anging. Das war alles andere als ideal. Nun haben wir perfekte Bedingungen, das ist sicher ein großer Vorteil im Vergleich zum letzten Jahr.

SPOX: Was ist mit Sami Hyypiä, den es im letzten Jahr auch nicht gab?

Castro: Auch er ist natürlich ein Grund, warum es bislang so gut läuft. Man braucht sich ja nur anzuschauen, wie er auf dem Platz auftritt. Keine Frage: Er hat uns sehr viel weitergebracht.

SPOX: Und wie ist er abseits des Platzes?

Castro: Er ist ein sehr ruhiger Typ, mit dem man aber richtig gut reden kann. Er kommt immer sehr gelassen rüber. Aber das kann er natürlich auch, er hat ja in seiner Karriere schon ziemlich viel gewonnen. (lacht)

SPOX: Gewinnt er denn in dieser Saison auch noch etwas?

Castro: Wir haben in dieser Saison erst ein Spiel verloren, da werden wir sicher auch noch das eine oder andere gewinnen.

SPOX: Punkt für Sie.

Castro: (lacht) Ich muss sagen, dass wir uns über den Titel gar keine Gedanken machen. Es geht ja doch noch einige Spieltage, da wollen wir oben dranbleiben. Wenn wir dann kurz vor Saisonende immer noch dran sind, dann können wir uns auch ernsthafte Gedanken machen.

SPOX: Dann mal aus jetziger Sicht: Mit welcher Platzierung wären Sie am Saisonende zufrieden?

Castro: Wenn wir Platz zwei schaffen, dann würden wir in der nächsten Saison Champions League spielen. Das wäre schon etwas. Aber na klar nehmen wir auch mehr mit, wenn mehr geht.

SPOX: Die Bayern geben sich immer extrem selbstbewusst, haben keine Angst vor großen Tönen. Warum demonstrieren andere Klubs nicht auch mal ein derartiges Selbstbewusstsein?

Castro: Die Bayern haben eben viel Klasse, auf der Bank und vor allem natürlich auf dem Feld. Ein eher schwaches Spiel wie zuletzt gegen den HSV gewinnen sie auch mal durch eine einzige starke Aktion. Die Bayern sind den anderen derzeit einfach noch voraus. Da kann man dann auch leichter große Töne spucken.

SPOX: Dennoch ist man in Leverkusen mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden. Wie zufrieden sind Sie mit ihren persönlichen Leistungen?

Castro: Ich habe, glaube ich, meine bislang beste Hinrunde gespielt. Dann hatte ich allerdings das Pech, dass ich vier, fünf Wochen verletzungsbedingt ausgefallen bin. Ich merke jetzt schon, dass ich noch etwas Zeit brauche, um die Sicherheit wieder zu bekommen. Ich bin aber zuversichtlich, dass das wieder kommt.

SPOX: Sie spielen meist als Außenverteidiger, sagen aber selbst: Ich bin ein Sechser. Warum dürfen Sie so selten auf dieser Position ran?

Castro: Um langfristig dort zu spielen, müsste ich mehr Zeit bekommen, um mich einzugewöhnen. Diese Zeit gibt es im Fußball leider nicht, weil man natürlich auch kurzfristigen Erfolg haben will. Und da der Trainer weiß, dass ich auch links und rechts spielen kann, bringt er mich eben dort.

SPOX: Heynckes setzt auf Sie, Joachim Löw trotz Ihrer Vielseitigkeit offenbar nicht. Warum eigentlich nicht?

Castro: Das kann ich Ihnen nicht beantworten, da müssen Sie den Bundestrainer fragen. Ich tue alles dafür, habe in der Hinrunde sicher auch gute Leistungen gebracht. Aber die Entscheidung liegt eben beim Bundestrainer. Bislang hat sich niemand bei mir gemeldet, deswegen werde ich weiter alles geben. Natürlich hoffe ich, noch auf den WM-Zug aufzuspringen.

Steckbrief: Alles zu Gonzalo Castro