Mainz-Shootingstar Schürrle im Interview: "Ich habe Thomas Müller genau beobachtet"

Von Haruka Gruber
Andre Schürrle absolvierte letzte Saison 33 Spiele für Mainz und erzielte dabei fünf Tore
© Getty

Aus dem Nichts katapultierte sich Andre Schürrle in die Gilde der deutschen Top-Talente. Für Mainz gelangen dem 19-Jährigen letzte Saison in 33 Spielen 8 Scorer-Punkte (5 Tore, 3 Vorlagen). Aber wer ist er überhaupt? Schürrle über Iron Man sein Leben als "DJ-Talisman" und einen WM-Star als Lehrmeister.

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Das Interview wurde im Juli 2010 geführt.

SPOX: Sie wurden in den letzten Tagen häufiger in Mainzer Möbelhäusern als auf dem Fußball-Platz gesichtet. Warum?

Andre Schürrle: Das war gezwungenermaßen so. Ich bin lange zwischen meiner Heimatstadt Ludwigshafen und Mainz gependelt. Seit November habe ich zwar ein eigenes Apartment in Mainz, das auch schon eingerichtet war, aber weil meine Freundin im Sommer eingezogen ist, musste ich zuletzt etliche Stunden in Möbelhäusern verbringen. Aber da muss man wohl durch, wenn man erwachsen wird. (lacht)

Zuletzt hat Mainz-Coach Thomas Tuchel der Mannschaft mitten in der Vorbereitung eine Extra-Woche Urlaub gewährt. Wie verbringt eines der größten Talente Deutschlands, abgesehen von Möbelkaufen, die freien Sommertage?

Schürrle: Da bin ich eher langweilig unterwegs. Ich bin zu meinen Eltern nach Ludwigshafen gefahren und habe mich von der Mutter bekochen lassen. Ansonsten war Sonne genießen, ein bisschen laufen, das Schwimmbad besuchen und Kino gehen angesagt. Was halt ein 19-Jähriger so macht.

Über Sie ist nicht viel bekannt. In welche Kino-Filme gehen Sie beispielsweise?

Schürrle: Ich bin ein Film-Fan, aber der letzte Kino-Besuch war... na ja, kein Bringer... Mit Lewis Holtby und unseren Freundinnen wollten wir uns einen schönen Abend machen, weil die Mädels jedoch darauf gedrängt haben, sind wir in den neuen "Shrek" reingegangen. Im Nachhinein wäre mir ein Action-Kracher wie "Iron Man 2" lieber gewesen. (lacht)

Und welche Musik hören Sie?

Schürrle: Kunterbunt, vor allem aber R'n'B, Dance, Hip-Hop. Letzte Saison habe ich ausgerechnet vor dem Hinrunden-Spiel gegen die Bayern erstmals meinen MP3-Player an die Anlage in der Kabine hängen dürfen - und prompt gewannen wir 2:1. Seitdem wurde ich selbst von den Älteren, die nicht so auf meine Musik stehen, vor besonders wichtigen Partien aufgefordert, den DJ zu machen.

Sie gelten beim FSV nicht nur wegen Ihrer DJ-Fähigkeiten als Erfolgsgarant. Tuchel sieht in Ihnen sogar die neue Identifikationsfigur des FSV. Nicht zu viel Last für einen 19-Jährigen?

Schürrle: Solche Erwartungen gehen natürlich mit einer großen Verantwortung einher. Ich sehe es jedoch positiv: Es freut mich einfach, dass mir so viel Vertrauen entgegengebracht wird, weil die Menschen meine Art des Fußballspielens mögen. So etwas kann keine Bürde sein, selbst für einen 19-Jährigen.

Sie ähneln Thomas Müller. Von Ihrem unbekümmerten Wesen her, aber auch bei Statur, Spielstil und Position gibt es gewisse Parallelen.

Schürrle: Ähnlich? So habe ich es noch gar nicht betrachtet und ich möchte eigentlich nicht mit ihm in einem Atemzug genannt werden, dafür war er bei der WM und für die Bayern einfach zu gut.

Demnach haben Sie während der WM nicht besonders auf Müller geschaut?

Schürrle: Das schon. Mir haben Spieler wie Diego Forlan, David Villa oder Keisuke Honda sehr gut gefallen, weil sie wie ich immer wieder rochiert sind und den Weg über die Außen gesucht haben. Aber Thomas war schlichtweg sensationell. Manchmal habe ich mir die Wiederholungen der deutschen Spiele angeschaut und genau beobachtet, wie seine Laufwege in die Spitze waren, wann er von außen nach innen zog und wie er sich generell taktisch verhalten hat. Besseren Anschauungsunterricht gibt es nicht.

Auch was das Auftreten anbelangt?

Schürrle: Er kam immer sympathisch rüber und scheint trotz des Hypes auf dem Boden geblieben zu sein. Bei Cristiano Ronaldo hatte ich von außen betrachtet ein anderes Gefühl, er hat mich insgesamt enttäuscht. Ich mag seine Spielweise, aber er hat es anders als Müller mit seinen Eigensinnigkeiten übertrieben. Sehr schade.

Sie selbst scheinen das Rampenlicht zu scheuen. Warum?

Schürrle: Manchmal ist die ganze Aufregung in der Bundesliga-Branche fast schon unwirklich. Als ich in der Zeitung stand, dass Hoffenheim an mir interessiert sei und eine Ablöse von angeblich sieben Millionen Euro im Gespräch war, bekam ich von Journalisten und Bekannten direkt zahlreiche SMS. Mich irritiert schon, in welcher Art diese Spekulationen aufgebauscht und weitergetragen werden.

Neben Hoffenheim hat sich auch Leverkusen mit Ihnen beschäftigt. Sogar die Bayern sollen intern über Sie nachgedacht haben. Warum bleiben Sie dennoch in Mainz?

Schürrle: Ich fühle mich in Mainz sehr geborgen. Und die Erfahrungen von meinem Kumpel Lewis Holtby spielen sicherlich auch eine Rolle.

Holtby wechselte von Aachen nach Schalke, wurde aber nach Bochum ausgeliehen und stieg in die 2. Liga ab. In diesem Sommer verpflichtete ihn der FSV auf Leihbasis.

Schürrle: Bevor Lewis von Schalke gekauft wurde, war er die herausragende Figur der 2. Liga. Auf Schalke lief es anfangs auch ganz ordentlich, aber plötzlich hat er keine Rolle gespielt - was gezeigt hat, dass es manchmal wichtiger für einen jungen Spieler ist, erst einmal bei seinem Heimatklub zu bleiben. Das habe ich beherzigt.