Mit viel Symbolkraft will Hannover das Trauma der letzten Saison verarbeiten. Doch ausgerechnet drei gestrandete Hoffungsträger müssen den Neuanfang tragen.
Die Rückkehr einer Legende! So steht es groß auf der Homepage von Hannover 96. Daneben leuchtet das neue Trikot, das am Freitag mit viel Public Relations präsentiert wurde - ab sofort das offizielle Symbol für eine neue Zeitrechung.
Auch optisch will Hannover also buchstäblich von vorne anfangen, endlich mit der düsteren letzten Saison abschließen. Der Selbstmord von Robert Enke darf kein Alibi mehr sein, die Verletztenmisere, zwei Trainerentlassungen und der Fast-Abstieg sollen raus aus den Köpfen von Spielern und Fans.
Dass das Neue dabei eigentlich das Alte ist, denn das weinrote Shirt ist eine farbliche Reminiszenz an die Gründerjahre des Vereins, ist freilich nicht nur ein modisches Paradoxon: Auch der Kader kommt in wesentlichen Teilen im Retro-Look daher.
Großer Umbruch im Kader
Mit Markus Miller (KSC) im Tor und dem Österreicher Emanuel Pogatetz (Middlesbrough) in der Innenverteidigung hat sich Hannover hinten rum zwar bereits zielgerecht verstärkt, in Mittelfeld und Angriff wurden mit den Youngstern Lars Stindl (KSC) und Moritz Stoppelkamp (Oberhausen) aber eher Perspektivspieler geholt.
Immerhin erzielte 96 am Freitag wohl eine Einigung mit dem Brasilianer Elson. Der Leihspieler aus der letzten Saison kommt für rund 500.000 Euro endgültig aus Stuttgart.
Für Hannover ein Schlüsseltransfer, denn speziell nach dem Abgang der Führungsspieler Arnold Bruggink, Hanno Balitsch und Jiri Stajner gibt der 28-Jährige wohl eine schöne, weinrote Symbolfigur ab. Schließlich bringt er nicht nur die benötigte Kreativität ins Mittelfeld, sondern sagt auch Sachen wie: "Es ist mein Wunsch, meine Karriere irgendwann in Hannover zu beenden."
Dünne Besetzung im Sturm
Abgesehen davon aber präsentiert sich gerade der Sturm der Niedersachen eher im nostalgischen Gewand. Nach der Erkrankung von Didier Ya Konan - der in Mirko Slomkas 4-2-3-1-System ohnehin eher über rechts kommen soll - heißen die verbliebenen Angreifer: Jan Schlaudraff, Mikael Forssell und Mike Hanke. Drei Spieler, die vor allem eins verbindet: Die Erinnerung an bessere Tage.
In der abgelaufenen Saison erzielte das Trio zusammen genau vier Treffer. Nachvollziehbar, dass Trainer Slomka immer wieder auf die Verpflichtung eines Torjägers drängt.
Nachvollziehbar allerdings auch, dass Sportdirektor Jörg Schmadtke mit Blick auf die leeren Kassen auf die Bremse tritt: "Wir müssen ganz genau hinschauen, nachdenken und die Wirtschaftlichkeit prüfen."
Große Sprünge wird 96 auf dem Transfermarkt nicht machen. Gut möglich, dass nun ausgerechnet die Troika der zerplatzen Träume die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verkörpern muss. Schlaudraff, Forssell und Hanke: Drei nie eingelöste Versprechen erhalten ihre zweite Chance.
Schlaudraff unter Beobachtung
"Ich gebe jedem Spieler eine Chance. Und wenn er mitzieht, auch noch eine", sagte Slomka gleich nach den ersten Trainingseinheiten der neuen Saison: "Aber wenn jemand nicht mitzieht, muss ich irgendwann sagen: Such' dir einen neuen Klub!".
Die nachgeschobene Drohung galt Jan Schlaudraff. Von dessen Schnelligkeit und Auge ist der Trainer durchaus angetan, in den ersten Trainings jedoch vermisste er eine professionelle Haltung zum Beruf: "Er muss im Training voll mitziehen, um im Spiel entscheidende Akzente zu setzten", strafte Slomka den 26-Jährigen prompt öffentlich ab. Auf ein Gespräch unter vier Augen habe der Spieler aber schließlich "positiv reagiert".
Tatsächlich gibt sich Schlaudraff selbstkritisch. Auch wenn es in erster Linie Verletzungen waren, die den Ex-Bayern immer wieder zurückwarfen, hat sein Image arg gelitten. Nun verspricht er Wiedergutmachung: "Ich bin in den zwei Jahren unter meinen Möglichkeiten geblieben, Kritik in dieser Hinsicht ist berechtigt. Aber nun bin ich gesund und kann im Training alles geben. Ich gehe davon aus, dass es besser läuft als im letzten Jahr."
Damit liegt die Latte mit zwei Toren in zehn Spielen zwar nicht allzu hoch - aber immerhin höher als bei Mikael Forssell, dessen letzter Treffer für Hannover schon über 14 Monate zurückliegt.
Forssell ist wieder hungrig
Doch auch der ehemalige Chelsea-Stürmer scheint zum ersten Mal halbwegs beschwerdefrei in eine Saison zu starten. Für den 29-Jährigen ein seltener Genuss. "Auch wenn ich wahrscheinlich der einzige Spieler bin, der das sagt: Ich liebe diese Vorbereitung", lachte Forssell jüngst nach einem zweistündigen Zirkeltraining bei 32 Grad im Schatten.
"Ich erwarte viel von mir in der neuen Saison", so der Finne: "Ich bin gesund, ohne Beschwerden und richtig fit. Und es gibt eine klare Aufgabenstellung: hungrig sein, Tore schießen!"
Mit diesem Strahlen in den Augen scheint Forssell tatsächlich einen Neuanfang für Hannover zu symbolisieren. Und immerhin erzielten er und seine Sturmkollegen in der laufenden Vorbereitung bislang schon stolze 21 Tore. Und das auch noch in den alten Trikots.