SPOX: Für einen Bayern-Profi ist es ungewöhnlich: Sie leben mit Ihrer Schwester in einer WG. Gibt es Reibereien, wenn Sie zu wenig im Haushalt erledigen?
Holger Badstuber: Ich spiele zuhause vor allem sehr viel FIFA, im Grunde in jeder freien Minute. Von daher bleibt hier und da schon was liegen. Aber meine Schwester kann sich gar nicht beschweren, weil sie derzeit im Ausland lebt und die WG für diese Zeit aufgelöst ist. (lacht)
SPOX: Sind Sie wirklich passionierter FIFA-Spieler? Oder sagen Sie das nur, weil Sie eines der Werbegesichter des Spiels sind?
Badstuber: Nur ein Beispiel: Anders als der Gelegenheitszocker spiele ich nicht nur mit dem FC Barcelona oder Inter Mailand, das wäre zu einfach. Ich probiere mit meinen Kumpels sehr viel aus, trete auch mal mit Zweitliga-Mannschaften gegen die Top-Teams an. Wobei: Ich habe gesehen, dass der FC Bayern bei FIFA 2011 stärker ist als im Vorgänger und ich standardmäßig in der Startelf stehe. Da ist der Reiz schon hoch, die Bayern zu nehmen.
SPOX: Virtuell mögen die Bayern besser geworden sein, aber in der Realität kann davon keine Rede sein. Stimmen Sie zu?
Badstuber: Es muss klar gesagt werden: Der Saisonstart ist holprig. In der Champions League klappt es zwar sehr gut, aber in der Bundesliga kommen wir einfach nicht in den Tritt. Der Sieg in Basel hätte uns eigentlich Hoffnung geben sollen.
SPOX: Obwohl bereits in Basel vieles nicht funktioniert hat?
Badstuber: Das stimmt, aber es sollte nicht unterschätzt werden, wie wichtig es für eine Mannschaft ist, zurück zu liegen, dennoch nicht die Moral zu verlieren und das Spiel doch noch zu drehen. Das ist der Bayern-Geist.
SPOX: Die Einstellung mag in dieser Saison weitestgehend gestimmt haben. Wie lässt es sich jedoch erklären, dass wie in Dortmund einfache Automatismen und Laufwege nicht mehr sitzen, obwohl die Mannschaft eingespielt sein müsste?
Badstuber: Eine Erklärung dafür gibt es leider nicht, zurzeit kommt vieles zusammen und die Dinge überlagern sich gegenseitig. Uns unterlaufen individuelle Fehlerketten, wir kassieren dann dumme Gegentore und geraten schnell in Rückstand. Das Schwierige: Es lässt sich nicht auf einzelne Positionen reduzieren, es stimmt in allen Mannschaftsteilen nicht. Deswegen stehen wir auch nicht mehr so kompakt.
SPOX: Wie lässt sich das Problem lösen?
Badstuber: Kämpferisch lässt sich uns nichts vorwerfen. Mir fällt aber auf, dass wir im Vergleich zur Vorsaison nicht mehr so organisiert sind und die Ordnung halten. Ohne die taktische Sicherheit aus dem letzten Jahr kommt jedoch das spielerische Element nicht zum Tragen, deswegen fehlen uns auch die Lockerheit und die Leichtigkeit. Es wird höchste Zeit, dass wir in die Spur finden.
SPOX: Sie selbst verstehen sich als Innenverteidiger, dem ein kultivierter Spielaufbau wichtig ist. Was genau steckt dahinter?
Badstuber: Der Fußball geht klar in eine Richtung: Der moderne Innenverteidiger versteht sich mittlerweile als verkappter Regisseur, der das Spiel von hinten heraus aufbaut und lenkt. Früher waren es die Zehner, zuletzt die Sechser, mittelfristig jedoch wird dem Innenverteidiger eine entscheidende Rolle als erste Station im Offensivspiel zukommen.
SPOX: In dieser Saison gibt es einen entgegen gesetzten Trend: Einige Mannschaften versuchen, den gegnerischen Innenverteidiger wegen dessen vermeintlichen fußballerischen Defiziten zum Spielaufbau zu zwingen, indem man ihm viel Platz gewährt.
Badstuber: Mainz zum Beispiel hat bei uns zwar genau das Gegenteil praktiziert und mich und Daniel van Buyten immer wieder attackiert, aber es stimmt, dass ein Trend zu erkennen ist. Mir kommt es jedoch gelegen. Ich mag es, wenn ich Platz bekomme und das Spiel an mich reißen kann.
SPOX: Hilft es Ihnen, dass Sie in der Jugend und in der zweiten Mannschaft auch als Sechser eingesetzt wurden?
Badstuber: Das hat für meine Entwicklung definitiv eine sehr wichtige Rolle gespielt. Im defensiven Mittelfeld bist du immer im Zentrum des Geschehens, musst dich immer um alles kümmern, richtig in die Zweikämpfe gehen und du darfst bei all dem die Orientierung nicht verlieren. Diese Zeit hat mich sehr geprägt.
SPOX: Es war zu lesen, dass Ihre Vorbilder John Terry und Gerard Pique sind. Wie kommt es, dass Sie zwei so unterschiedliche Innenverteidiger-Typen mögen?
Badstuber: Vorbilder sind sie nicht. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass ich versuche, von den besten Innenverteidigern der Welt die Stärken abzuschauen und mit meiner eigenen Identität zu mischen. Pique hat einen überragenden Spielaufbau, Terry wiederum verfügt über eine tolle Ausstrahlung und bringt eine starke Physis mit. In unserem WM-Achtelfinale gegen England lief es für Terry zwar nicht so gut, dennoch habe ich ihn genau beobachtet und sehr viel mitgenommen für mich.
SPOX: Ein Trainer, der Ihre Entwicklung seit vielen Jahren genau im Auge hat, ist Hoffenheims Ralf Rangick. Warum haben Sie ihm vor rund eineinhalb Jahren einen Korb gegeben, obwohl damals nicht abzusehen war, dass Sie in München einen Stammplatz bekommen?
Badstuber: Ich habe mitbekommen, dass Hoffenheim Interesse an mir gezeigt hat. Natürlich habe ich mich daraufhin mit einem Transfer beschäftigt, zumal es für jeden Jugendspieler schwierig ist, sich bei den eigenen Profis durchzusetzen. Aber es war immer mein größter Traum, für den FC Bayern zu spielen, und so etwas gibt man nicht so schnell auf. Eine entscheidende Rolle hat auch der Trainerwechsel von Jürgen Klinsmann zu Louis van Gaal gespielt. Ich habe damals die Chance gesehen, dass etwas gehen könnte, obwohl mich damals kaum jemand gekannt hat. Van Gaal war ja bekannt dafür, dass er nicht auf Namen achtet und die Karten immer neu mischt. Im Nachhinein habe ich die bestmögliche Entscheidung getroffen, in dem ich in München geblieben bin.
SPOX: Ihr verstorbener Vater Hermann Badstuber hat in der Jugendabteilung des VfB Stuttgart mit Rangnick gearbeitet, später war er der Lehrmeister von Thomas Tuchel. "Hermann hat sich zu einer sportlichen Vaterfigur für mich entwickelt", sagte der Mainz-Trainer im SPOX-Interview. Stehen Sie mit ihm in Kontakt?
Badstuber: Kontakt haben wir nicht, aber wenn wir uns wie vor eineinhalb Wochen sehen, verstehen wir uns sehr gut. Thomas hat unglaublich viel Ahnung von Fußball und seine Arbeit wird völlig zu Recht von allen Seiten gelobt. Er bleibt ein guter Freund der Familie.
Erst 21 und schon gesetzt: Holger Badstuber im Steckbrief