SPOX: Sie haben sich still und leise zu einem Leistungsträger beim 1. FC Köln entwickelt und sind in der Stammelf gesetzt. Wie ist Ihnen das gelungen?
Adam Matuschyk: Ehrlich gesagt weiß ich es selbst nicht genau. Vor genau einem Jahr war ich überhaupt froh, mit ins Winter-Trainingslager reisen zu dürfen, dann werde ich auf einmal in der Bundesliga eingesetzt und schon ist 2010 vorbei. Man kommt gar nicht richtig zum Nachdenken, wie das alles passiert ist.
SPOX: Fühlen Sie sich überfordert?
Matuschyk: Nicht überfordert, aber am Anfang wird man von allem schon überrollt. Auf einmal gibt es zig Interview-Anfragen und man wird morgens bis abends in der Öffentlichkeit beobachtet. Es wird sogar auf jede Kleinigkeit geachtet, zum Beispiel mit welchem Auto man zum Training fährt. Darauf musste ich mich einstellen. Mit Poldi weiß ich aber jemanden an der Seite, der mir gute Tipps gibt.
SPOX: Es stimmt, dass Sie mit Lukas Podolski eng befreundet sind?
Matuschyk: Alleine schon unsere polnischen Wurzeln verbinden uns. Die Herkunft schweißt uns richtiggehend zusammen. Wir haben uns von Anfang an nur auf polnisch unterhalten und er hat mich auf und neben dem Platz sehr unterstützt. Wir verbringen viel Zeit zusammen und ich finde es erstaunlich, wie gut er mit all dem Trubel umgeht. Es gibt im Fußball zahlreiche schlechte Beispiele dafür, wie man mit dem Privatleben in den Medien nicht umgehen sollte, Poldi hingegen hat nie für Negativschlagzeilen gesorgt. Das ist nicht hoch genug einzuschätzen. Er ist ein absolutes Vorbild.
SPOX: Sie sind mittlerweile selbst in die Rolle des Mentors hineingewachsen und unterstützen Winter-Zugang Slawomir Peszko, obwohl sich durch sein Kommen die Konkurrenzsituation im Mittelfeld verschärft hat. Warum sind Sie so selbstlos?
Matuschyk: Es ist ja nicht so, dass ich andauernd darüber nachdenken würde, dass Peszko spielt, dafür ein anderer ins defensive Mittelfeld versetzt wird und ich deshalb den Stammplatz verliere. Das ist viel zu theoretisch. Für mich ist die Situation ganz einfach: Slawomir kann kein Wort deutsch und braucht Hilfe, deswegen übernehme ich gerne den Nebenjob und übersetze für ihn.
SPOX: Beim sonst eher enttäuschenden FC gehören Sie zu den wenigen Gewinnern und sind das Vorzeige-Talent des Vereins. Spüren Sie die gestiegene Wertschätzung?
Matuschyk: Vorzeige-Talent ist übertrieben. Seit einigen Monaten wird der Nachwuchs generell gestärkt, wovon ich, aber auch andere Jungs wie Christian Clemens und Taner Yalcin, sehr profitieren. Es rücken immer mehr junge Spieler nach und sie bekommen das Vertrauen von Trainer Frank Schaefer. Das kann für den Verein nur von Vorteil sein. Ich hoffe, dass die neue Generation irgendwann eine Ära prägen kann.
SPOX: Was ist der Unterschied zwischen Schaefer und dem unglücklich agierenden Vorgänger Zvonimir Soldo?
Matuschyk: Frank Schaefer ist ein emotionaler Perfektionist. Er ist mit ganzem Herzen dabei und findet immer die richtige Ansprache. Er hat mich bereits in der A-Jugend trainiert und trug maßgeblich dazu bei, dass ich es in die Bundesliga geschafft habe. Zvonimir Soldo ist ein introvertierterer Typ, was ihm die Presse zum Vorwurf gemacht hat. Dennoch kam seine Art bei mir sehr gut an. Mit seiner Ruhe hat er mir geholfen, bei den ersten beiden Bundesliga-Spielen gleich in Leverkusen und dann gegen den FC Bayern nicht zu nervös zu sein.
SPOX: Gegen die Bayern hatten Sie Ihre erste Feuertaufe, als Sie sich immer wieder mit Bastian Schweinsteiger duellierten und erstaunlich gut dagegenhielten.
Matuschyk: Wir hatten einige bissige Zweikämpfe, doch das gehört dazu. Der Name Schweinsteiger ist natürlich imposant, aber wenn das Spiel beginnt, denkt man nicht mehr darüber nach, ob der Gegner Schweinsteiger oder wie auch immer heißt. Sonst geht man in der Bundesliga unter.
SPOX: Ähnlich wie Schweinsteiger werden Sie auf der Doppel-Sechs oder im zentral-offensiven Mittelfeld eingesetzt, wo Sie den Großteil Ihrer besten Spiele gezeigt haben. Auf welcher Position wollen Sie perspektivsch spielen?
Matuschyk: Ich sehe mich ganz klar als Sechser. Aber mir wurde auch im Freundeskreis häufig gesagt, dass ich vorgezogen besser spielen würde. Das hängt wahrscheinlich nur damit zusammen, dass man in der Offensive mehr auffällt und häufiger gefährliche Aktionen hat. Generell fühle ich mich im defensiven Mittelfeld wohler.
SPOX: Was sind Ihre Stärken?
Matuschyk: Die Ruhe am Ball, die Übersicht, die Beidfüssigkeit und das gute Kopfballspiel, zumindest für einen Mittelfeldspieler.
SPOX: Und Ihre Schwächen?
Matuschyk: Ich muss an meiner Dynamik arbeiten, damit mir Tempowechsel besser gelingen. Mir wird zu Recht vorgeworfen, dass ich manchmal 90 Minuten in einem Lauf absolviere. Bei Schweinsteiger zum Beispiel kann ich mir abschauen, wie ein Weltklassespieler aus dem Mittelfeld heraus den Rhythmus einer gesamten Mannschaft steuern kann. Dahin will ich auch mal kommen.
SPOX: Von wem können Sie sich in Köln etwas abschauen?
Matuschyk: Petit ist so etwas wie mein Lehrmeister. Er heißt nicht umsonst Pitbull und ist ein defensiverer Sechser als ich, aber er gibt mir häufig Tipps, wie ich verschieben oder in welchen Raum ich gehen soll.
SPOX: Ähnlich wie in Köln sind Sie auch bei der polnischen Nationalmannschaft auf dem Weg zu einer festen Größe. Gehen Sie davon aus, dass Sie bei der Heim-EM 2012 zur Stammelf gehören?
Matuschyk: Ich merke auf jeden Fall, dass es mittlerweile einen großen Rummel um mich gibt. In Polen wird besonders auf die Bundesliga geachtet, entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit. Die letzten Spiele mit der Nationalmannschaft liefen allesamt sehr gut für mich, deswegen bin ich zumindest optimistisch, dass ich bei der EM dabei sein werde. Ich habe ein richtig gutes Gefühl.
SPOX: Wird Polen bei der EM konkurrenzfähig sein?
Matuschyk: Das Verpassen der WM war ein Rückschlag, genauso das 0:6 in Spanien und das 0:3 gegen Kamerun in den Testspielen im Sommer. Aber Nationaltrainer Fraciszek Smuda hat die Mannschaft verjüngt und seit einigen Partien gibt es einen klaren Aufwärtstendenz. Das 3:1 gegen die Elfenbeinküste war spielerisch schon sehr gut. Mit den Fans im Rücken bin ich mir sicher, dass Polen etwas reißen wird. Die Euphorie ist jetzt schon riesig.
SPOX: Waren Sie sich immer sicher, für Polen und nicht für Deutschland auflaufen zu wollen?
Matuschyk: Ich wurde zwar vom DFB in der U 15 und U 16 zu Lehrgängen eingeladen, darüber hinaus hatte ich jedoch nie Kontakt zum Verband. Zumal ich schon sehr früh gewusst habe, dass mein Herz Polen gehört. Ich bin zwar im Saarland aufgewachsen, aber von meinen Eltern und von den Geschwistern mal abgesehen, lebt die komplette Familie in Polen. Wir fahren jedes Jahr in der Heimat, wir sprechen zuhause nur polnisch. Von daher gab es keine andere Wahl für mich.
Der kommende Star in Köln und Polen: Adam Matuschyk im Steckbrief