Borussia Dortmund hat bei seinem Aufenthalt in der Schweiz intensiv am kompakten Pressing gefeilt, das die Mannschaft bereits in der Vorsaison auszeichnete. Trainer Jürgen Klopp wird im Training von vier meist unbeachteten Helfern unterstützt. Das Konditionstraining fand größtenteils bereits im Urlaub statt - bis auf eine Ausnahme.
Die BVB-Fans, die einem allgegenwärtigen Banner zufolge offenbar unter dem Motto "Rubbeldikatz in Bad Ragaz" in die Schweiz gereist sind, um ihre Stars hautnah zu erleben, kommen vollkommen auf ihre Kosten. Die Mannschaft präsentiert sich wie gewohnt publikumsnah und macht auf dem Weg zum Trainingsgelände mehrfach auf ihren Fahrrädern halt, um Trikots zu unterschreiben oder für Fotos zu posieren.
Während selbst Mediendirektor Josef Schneck bereits um ein Autogramm gebeten wurde, bleiben vier Angestellte gänzlich unbeachtet und dürfen ungestört von dannen radeln. Dabei handelt es sich um die beiden Co-Trainer Zeljko Buvac und Peter Krawietz sowie die Fitnesstrainer Oliver Bartlett und Florian Wangler.
Klopp beobachtet und bespricht
Alle vier sind außerhalb des Spielfelds die verlängerten Arme von Trainer Jürgen Klopp. Sobald das Training beginnt, haben Bartlett und Wangler das Sagen, Klopp und seine Co-Trainer stehen dabei etwas entfernt zusammen, beobachten und besprechen letzte Details der anschließenden Übungen.
Wie bei jeder Kreisklassenmannschaft beginnen die Einheiten logischerweise mit einem lockeren Aufwärmprogramm unter Anleitung von Bartlett oder Wangler. Dazu gehören Lockerungs- und Dehnübungen sowie kurze Sprints. Dies dauert in der Regel gut 30 Minuten, ein erstes grobes Anschwitzen eben. An den Tagen mit drei Einheiten läuft die Mannschaft morgens um 7.30 Uhr fünfmal 1000 Meter, am letzten Tag sogar zehnmal.
Bei den Mittagseinheiten ist beim Meister von Kondition bolzen bis zum Erbrechen allerdings fast nichts zu sehen. Die Spieler befinden sich nicht nur aufgrund der kurzen Sommerpause in guter Verfassung, sondern auch weil sie für die Urlaubszeit individuelle Trainingspläne ausgehändigt bekamen. Jeden Tag mussten die Profis ein gewisses Fitnessprogramm abspulen und anschließend ihren Coach per SMS über das Geleistete informieren.
Ein Brustgurt übermittelt die wichtigsten Werte
"Wir machen nicht extra ein Lauftrainingslager, wie das bei anderen Vereinen der Fall ist. Stattdessen erwarten wir, dass die Spieler sich selbst gegenüber ehrlich sind und Eigenverantwortung zeigen. Für die Spieler ist es wesentlich angenehmer, wenn sie das in der Umgebung tun können, in der sie sich wohl fühlen. Dass dies klappt, zeigen uns die Werte", sagt Bartlett.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Klopps Team kann sich bereits jetzt darauf konzentrieren, mit den Spielern fußballerisch zu arbeiten.
Um einen Überblick zu bekommen, wie die Spieler grundsätzlich die individuelle Belastung wegstecken, wird ihnen bisweilen ein Gurt um den Oberkörper gelegt, der die wichtigsten Werte digital bündelt.
Kommt der Ball ins Spiel, kann man bei den unterschiedlichen Übungen schnell eine Gemeinsamkeit erkennen: der Ball zirkuliert fast immer mit wenig Berührungen auf engstem Raum, der ballführende Spieler sieht sich quasi immer der Bedrohung des Ballverlustes gegenüber.
Pressing und Gegenpressing im Verbund
Beispiel: Ein drei gegen drei auf engem, mit Hütchen abgestecktem Terrain, wobei drei weitere, in graue Leibchen gekleidete Spieler als Anspielstationen des Teams dienen, das sich gerade im Ballbesitz befindet. So wird daraus ein sechs gegen drei.
Bei den anschließenden "großen" Übungen liegt der Schwerpunkt auf Pressing und Gegenpressing im Verbund. Das Verschieben und Attackieren in der Kette ist essentiell für den Fußball, den Klopp sehen will, und zeitgleich die größte Umstellung für alle Neuzugänge.
So lässt der Coach innerhalb einer Spielfeldhälfte eine Vierermittelfeldkette auf vier Spieler in Ballbesitz anlaufen, die sich auf Höhe der Mittellinie den Ball hin und her passen. Hinter der Kette lauert noch ein Stürmer (Robert Lewandowski oder Mohamed Zidan) inklusive Gegenspieler. Die Kette muss in einem markierten Bereich vor und zurück schieben und darf den Abstand zueinander nicht zu groß werden lassen. Co-Trainer Buvac steht fünf Meter hinter dem Geschehen und spielt einen plötzlichen Pass auf die Außen oder den Stürmer, anschließend wird der Torabschluss gesucht.
Besondere Anweisungen für Ilkay Gündogan
Buvac und Klopp geben dabei gleichberechtigt Kommandos. Krawietz, an Spieltagen für die Videoanalyse in der Halbzeitpause zuständig, hält sich eher im Hintergrund. Klopp zieht sich jedoch auch immer wieder in die Beobachterrolle zurück, um einen besseren Blick auf das gesamte Geschehen zu haben. Um Sachverhalte besser zu erläutern, nimmt Klopp aber auch aktiv an den Übungen teil oder unterbricht, um seine Spieler händisch regelrecht auf die erforderlichen Positionen zu schieben.
Immer wieder ist dabei zu beobachten, wie sich Klopp Ilkay Gündogan schnappt und ihm gestenreich erklärt, wie er sich auf der Sechs zu verhalten hat und welche Räume er dabei beackern soll und welche nicht.
Es folgen Spielformen auf das gesamte Spielfeld im Kampf elf gegen elf: Dabei liegt der Fokus auf dem Attackieren aus der Defensivzentrale heraus. Einer der beiden defensiven Mittelfeldspieler gibt lautstark das Kommando zur Attacke und bekämpft zusammen mit den beiden ballnahen Spielern (meist der Stürmer und ein Flügelspieler) den Ballführenden.
Den Spielzug zu Ende zu spielen und den Torabschluss zu suchen, ist dabei völlig unwichtig. Dieses Offensivpressing, in dem sich der in Ballbesitz befindliche Spieler urplötzlich drei Gegenspielern gegenüber sieht, beherrschte die Borussia in der Vorsaison so gut wie kein anderes Team und war Hauptgrund für überfallartige Ballgewinne tief in der gegnerischen Hälfte.
Kehl mit besonderem Trainingseifer
Das gleiche Ziel verfolgt eine weitere Übung, bei der Krawietz zuvor ca. 15 Meter vor und hinter der Mittellinie Markierungen an der Seitenlinie aufstellt und somit die Kampfzone im Mittelfeld absteckt. Innerhalb dieser muss sich das Fünfermittelfeld bewegen. Wird sie von einem der Spieler verlassen, pfeift Klopp den Spielzug ab und er beginnt von vorn. Auch Konter werden vom Trainer rigoros unterbrochen, da diese nicht Bestandteil des Trainingsziels sind.
Man merkt, wie wichtig Klopp diese Abläufe sind. Hier ist er ganz Cheftrainer, brüllt von außen hinein ("Tempo", "Enger", "Das geht aber schneller") und hebt fast schon enttäuscht und fragend die Arme, wenn einem Spieler ein zu leichter Fehlpass unterläuft, der die Übung wieder von vorne beginnen lassen muss.
Die Spieler geben keine Widerworte und arbeiten konzentriert mit. Das gilt gerade für die Neuzugänge, denen man anmerkt, dass die hohe Intensität für sie noch Neuland ist. Chris Löwe und Moritz Leitner machen dabei einen recht stabilen Eindruck, ihnen unterlaufen kaum Fehler. Sebastian Kehl wirkt dagegen beinahe ein wenig übermotiviert und versucht, sein Team mit lautstarken Anweisungen in Bewegung zu halten. An seinem Trainingseifer ist abzulesen, dass er sich nicht mit der drohenden Reservistenrolle abfinden wird.
70 Minuten Steigerungsläufe
Ohne jedes Konditionstraining geht es in einem Trainingslager aber natürlich auch nicht. Laut Aussage einiger Spieler wird dies durch die Tatsache aufgewertet, dass immerhin der Ball im Spiel ist. So mussten die Profis 70 Minuten Steigerungsläufe über die gesamte Spielfeldlänge mit nur kurzen Erholungsphasen absolvieren.
Buvac betätigte sich dabei als Einpeitscher ("Schneller Kuba", "Auf geht's Toni"), Klopp und Krawietz beobachten schweigend auf Höhe der Mittellinie. Das war für die Borussen kein Zuckerschlecken, Buvac gab unaufhörlich Kommandos: Der Ausruf "schwarz" bedeutete, den Ball in hohem Tempo eng mit sich zu führen. Bei "weiß" durften die Spieler auslaufen, "gelb" signalisierte, den Ball abzustoppen und in die andere Richtung mitzunehmen.
Die Truppe schlich am Ende erschöpft von dannen. Nur Klopp und seine vier Mitstreiter waren bester Laune.
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