"Manchmal auch mit Schmerztablette"

Von Interview: Daniel Börlein
Sven Bender ist längst eine feste Größe im Dortmunder Mittelfeld
© Imago

In der Bundesliga läuft es für Borussia Dortmund nach mäßigem Start inzwischen gut, in der Champions League enttäuschte der deutscher Meister dagegen bislang. Einer der wenigen Dortmunder, der in Bundesliga wie Königsklasse konstant seine Leistung zeigt, ist Sven Bender. SPOX sprach mit dem 22-Jährigen über Heimatbesuche, Aggressive Leader, seinen Umgang mit Blessuren und die Zeit nach Nuri Sahin.

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SPOX: Sven Bender, in München ist vor kurzem das Oktoberfest zu Ende gegangen. Sie haben jahrelang in München gelebt. Wären Sie gerne mal wieder dabei gewesen?

Sven Bender: Privat war ich früher gar nicht so oft dort. Wir waren meistens, wenn von Sechzig Termine anstanden oder ein Mannschaftsabend war. Dann war's auch immer ganz schön. Aber ich kann auch ohne. (lacht)

SPOX: Seit Sie beim BVB spielen, müssen Sie auch auf regelmäßige Besuche in Ihrem Heimatort Brannenburg verzichten. Als Sie bei den Löwen spielten, sind Sie eine zeitlang sogar täglich nach Hause gefahren. Wann waren Sie zum letzten Mal in der Heimat?

Bender: Das war erst vor kurzem. In der Länderspielpause war ich mal wieder zwei Tage zu Hause. Aber Sie haben schon recht: Ich habe leider nicht mehr viele Gelegenheiten dazu. Wenn es irgendwie reinpasst in den Terminkalender, dann fahre ich schon ganz gerne nach Hause. Ich bin gerne daheim. Es tut auch immer wieder gut.

SPOX: Und dann rufen Sie die alten Kumpels an und sagen: Lasst uns mal wieder was unternehmen?

Bender: Die brauche ich gar nicht anzurufen. Die wissen schon, wenn ich komme, weil wir ständig in Kontakt sind.

SPOX: Was steht dann auf dem Programm?

Bender: Das ist unterschiedlich und kommt natürlich drauf an, an welchen Tagen ich da bin. Die meisten spielen ja auch noch Fußball. Und wenn ich dann mal am Wochenende da bin, dann gucke ich schon mal bei den Spielen zu. Das ist schon auch ganz interessant.

SPOX: Aber es ist das komplette Gegenteil zu Ihrem aktuellen Leben. Als Profi, der viel in Öffentlichkeit steht, genießt man privat ja auch die Anonymität der Großstadt.

Bender: In der Heimat wird man noch immer so gesehen wie früher. Ich bin natürlich jetzt nicht mehr der kleine Junge. Aber man wird als Person nicht anders wahrgenommen als in der Vergangenheit. Natürlich wissen die Leute, was wir machen und finden es auch gut. Aber man geht deshalb nicht anders mit uns um. Man spricht auch über die gleichen Dinge wie früher. Deshalb ist es für meinen Bruder und mich auch immer ganz angenehm, wenn wir zuhause sind.

SPOX: Wer in der Nähe von München aufwächst, ist als Kind entweder Bayern- oder Löwen-Fan. Sie waren ein Sechzger.

Bender: Eigentlich die ganze Familie. Wir haben das von unserem Vater sozusagen abgekriegt. Wir fanden Sechzig sehr sympathisch und waren als Kinder auch öfter mal im Stadion.

SPOX: Die Löwen war damals noch ein etablierter Bundesligist. Welchen Spieler fanden Sie besonders toll?

Bender: Da gab's einige. Icke Häßler natürlich, Abedi Pele hat mir auch immer gut gefallen. Zu der Zeit hatte Sechzig schon viele gute Kicker und hat auch einen sehr guten Fußball gespielt.

SPOX: Häßler oder Pele waren eher die Techniker, die in der Offensive für Furore gesorgt haben. Sie selbst definieren Ihr Spiel ganz anders.

Bender: Ich denke, dass Leidenschaft, Wille und Kampf mein Spiel auszeichnen. So komme ich in eine Partie auch rein. Das liegt mir, das mag ich auch: mich in ein Spiel reinbeißen.

SPOX: Es gibt Typen, die man aufgrund solcher Eigenschaften Aggressive Leader nennt. Passt dieser Begriff auch auf Sie?

Bender: Ich denke schon, dass meine Spielweise sehr aggressiv ist, dass ich immer marschiere und immer alles raus hauen will. Ein Leader bin ich, glaube ich, aber noch nicht.

SPOX: Noch nicht.

Bender: Das will ich schon werden. Es gehört zu meiner Entwicklung dazu, auch in jungen Jahren mehr zu führen und andere mitzureißen. Das ist für mich ein Lernprozess, aber sicher auch ein nächstes Ziel.

SPOX: Wie arbeitet man daran?

Bender: Du musst dir erstmal in den Spielen Sicherheit holen. Wenn du dich sicher fühlst, dann traust du dir immer mehr zu. Ich glaube, dass das auch immer ein bisschen positionsabhängig ist. Spieler, die zentral spielen - ob hinten oder vorne - müssen eben auch führen. Ich sage nicht, dass ich das nicht auch schon jetzt mache, aber da kann noch mehr kommen. In diese Rolle muss man hineinwachsen. Das will ich. Und ich traue es mir auch zu.

SPOX: Jürgen Klopp schätzt Ihre Art zu spielen und lobt Sie auch mal öffentlich. Schmeichelt Ihnen das, wo Sie in der Öffentlichkeit doch sonst vielleicht nicht so wahrgenommen werden?

Bender: Ich habe damit überhaupt keine Probleme, wenn andere Spieler in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden. Jeder weiß, wie wertvoll meine Arbeit ist und dass ich jede Woche versuche, mein Bestes rauszuholen. Natürlich tut das dann auch mal gut, wenn man gesagt bekommt, dass man ein wichtiger Bestandteil der Truppe ist. Nur: Wirklich viel bringt mir das auch nicht. Ich muss ja trotzdem meine Leistung bringen. Und an meiner Einstellung ändert ein Lob sicher nichts. Eher im Gegenteil: Es ist für mich ein Ansporn, noch mehr zu tun.

SPOX: Aufgrund Ihrer Spielweise bekommen Sie immer wieder auch selbst was ab. In der Vergangenheit schien es gelegentlich so, als würden Sie sich von Spiel zu Spiel schleppen. Was läuft da unter der Woche ab?

Bender: Wenn man nach Spielen merkt, dass man Probleme hat, dann stellt man mit der Physio-Abteilung und dem Trainerstab einen Plan auf, wie es bis zum nächsten Spiel klappen könnte. Und entweder es funktioniert - oder eben nicht. Meistens zeichnet sich das schon ab. Es ist nicht so, dass man die Woche über gar nichts macht und dann entscheidet man am Freitag, ob's geht oder nicht.

SPOX: Ab und an geht's wahrscheinlich nur mit Schmerztablette.

Bender: Manchmal gehört auch mal eine Schmerztablette dazu. Das ist mit Sicherheit nicht die beste Variante, aber ab und zu ist es vielleicht der letzte Tick. Aber klar ist auch: Ein gewisses Risiko ist okay, aber wenn's nicht geht, dann geht es nicht. Man darf sich da nicht verheizen. Und man schadet ja nicht nur sich, sondern auch der Mannschaft, wenn man spielt, obwohl man nicht fit ist und seine Leistung nicht abrufen kann.

SPOX: In der letzten Saison bildeten Sie zusammen mit Nuri Sahin eine überragende Doppelsechs. Unabhängig davon, wer Sahin jetzt wie gut ersetzt: Wie hat sich Ihr Spiel verändert, seit er nicht mehr da ist?

Bender: Zwischen Nuri und mir gab es ein blindes Verständnis. Ich wusste, wann er nach vorne geht und was ich dann zu tun hat. Zudem war er der Spieleröffner. Jetzt merke ich, dass ich das Spiel mehr steuern und selbst mehr teilnehmen muss. Ich gehe jetzt zum Beispiel in Räume, in die ich im letzten Jahr nicht gegangen bin, weil Nuri da war. Trotzdem darf ich meine Aufgaben nicht vernachlässigen. Das heißt: Ich muss die Defensive stabilisieren, Räume schließen und da sein, wo es brennt. Aber ich muss auch sagen, dass es schon ganz gut aussieht, wie wir das machen, egal wer auf der Sechs spielt. Wir haben jetzt sicher eine leicht veränderte Spielweise, weil Nuri das Spiel sehr geprägt und an sich gezogen hat. Das machen wir jetzt auf der Sechs zu zweit. Aber so sind wir eben sehr variabel und flexibel.

SPOX: Hat es eigentlich schon mit einem Madrid-Besuch geklappt? Nuri Sahin wollte die Mannschaft doch mal zu einem Real-Spiel einladen...

Bender: Stimmt, da war doch noch was. Da müssen wir ihn wohl zu gegebener Zeit nochmal dran erinnern. (lacht)

Sven Bender im Steckbrief

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