Kyriakos Ioannou wusste wohl nicht, wie wertvoll sein halbherziger Hechtsprung für das seelische Wohlbefinden seines Gegenübers sein sollte.
Als sich Zyperns U-21-Keeper in der 72. Minute beim EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland mit einem unplatzierten Flachschuss konfrontiert sah, fiel er wie ein nasser Sack zur Seite und ließ den Ball durchrutschen - sehr zur Freude des Absenders.
Denn der feierte dadurch sein Tordebüt in Deutschlands U 21 und zugleich die Vorentscheidung beim 3:0-Sieg auf Zypern. Es war ein dankbarer Lichtblick in einer schwierigen Zeit seiner noch jungen Profikarriere. Die Rede ist von Ilkay Gündogan.
Von der Startelf auf die Tribüne
Jener Ilkay Gündogan entschloss sich im Sommer, wie auch sein Kumpel Mehmet Ekici, nach dem Durchbruch beim 1. FC Nürnberg den nächsten Karriereschritt zu wagen. Während es Ekici nach Bremen zog, heuerte Gündogan beim BVB an.
Doch der Start verlief holprig. Gündogan fand nur äußerst selten seine Rolle im Dortmunder Spiel und konnte weder seine Kreativität in der Offensive ausreichend unter Beweis stellen, noch sich als brauchbarer Abräumer oder Kommandogeber aus der Defensive heraus profilieren.
Nach mehreren durchschnittlichen bis enttäuschenden Auftritten wurde der Ex-Nürnberger sukzessive aus dem BVB-Spiel und damit auch aus der Schusslinie der Medien genommen, die ihm die Rolle des Sahin-Nachfolgers (noch) nicht zutrauten. Auch SPOX diagnostizierte Ende September bei der Borussia ein "Spiel ohne Lenker".
Gündogans mäßiger Saisonauftakt hatte knallharte Folgen: Zwischenzeitlich stand er nicht einmal mehr im Kader, sein letzter Einsatz im BVB-Dress liegt mittlerweile über einen Monat zurück. "Die Erwartungen von Außen an Ilkay sind sehr groß. Es ist eine schwierige Situation für ihn. Wir wollten jetzt einfach mal die Luft rauslassen", verteidigte Trainer Jürgen Klopp den Umgang mit dem 21-Jährigen.
Das Kollektiv ersetzt Sahin - kein Platz mehr für Gündogan?
Doch seitdem hat sich die sportliche Situation aus Sicht des Deutsch-Türken eher verkompliziert. Grund hierfür sind die jüngsten Erkenntnisse aus dem Dortmunder Spiel. Erstens: Es läuft auch ohne Gündogan hervorragend! Zuletzt stand er vier Ligaspiele in Folge nicht in der Startelf, drei davon wurden gewonnen, eines endete Remis.
Des Weiteren scheint Klopp endlich den perfekten Nachfolger für Nuri Sahin gefunden zu haben: das Kollektiv. "Bei uns wird auf allen Positionen mehr Fußball gespielt als im vergangenen Jahr", lautet die Feststellung des Borussia-Trainers.
Mats Hummels beispielsweise schlüpft gerne in die Rolle des Defensivregisseurs, er hat regelmäßig die meisten Ballkontakte beim BVB. Auch Sven Bender traut sich auf neues Terrain und schaltet sich häufiger in die Offensive ein (vier Assists, ein Tor).
Aus dem Spiel ohne Lenker wurde ein Spiel mit mehreren Lenkern, deren Abstimmung in puncto Arbeitsteilung von Woche zu Woche besser wird und jüngst mit einem hart erkämpften 1:0-Sieg bei den Bayern belohnt wurde.
Zudem muss sich Gündogan mit der Tatsache abfinden, dass neben Oldie Sebastian Kehl vorerst auch Moritz Leitner an ihm vorbeigezogen ist und beide weitestgehend kritikfrei ihren Job machen. Ein freier Platz für Gündogan in der schwarz-gelben Elf schien bis zum Champions-League-Spiel der Dortmunder beim FC Arsenal in dieser Woche unauffindbar. Sven Benders schwere Verletzung in London könnte aber die Chance des deutschen Nationalspielers sein. Beginnen wird am Samstag gegen Schalke aber erstmal der 18-jährige Leitner.
Dortmund - Schalke: Die voraussichtlichen Aufstellungen
Ekici: Fremdkörper im Bremer Spiel
Derart weit weg von einem Stammplatz wie zuletzt Gündogan ist dessen Freund und ehemaliger Mitbewohner aus Nürnberger Zeiten, Mehmet Ekici, in Bremen nicht. Zuletzt durfte er gar dreimal in Folge von Beginn an ran. Doch der Schein trügt.
Zwar stehen für Ekici auf dem Papier 13 Einsätze in der Liga zu Buche, doch nicht ein einziges Mal erlebte er An- und Abpfiff auf dem Rasen. Maximale Einsatzzeit: 68 Minuten. Weitaus gravierender als bloß die häufigen Ein- und Auswechslungen sind jedoch die bislang unbefriedigenden Leistungen des fünf Millionen Euro schweren Neuzugangs.
Noch immer hat der 21-Jährige keinerlei Bindung zum Spiel seiner Bremer Teamkollegen gefunden, die mangelnde Körpersprache tut ihr Übriges. Vom Ideenreichtum, der Spritzigkeit und der Explosivität eines Mesut Özil ganz zu schweigen.
Zwar ließ Ekici sein Potenzial als Kreativposten und Passgeber durchaus aufblitzen, doch insgesamt wirkt er nach wie vor nicht wie ein funktionierender Teil der Mannschaft. Längst ist klar, wer gemeint ist, sobald die Begriffe "Fremdkörper" oder "Randfigur" in den Bremer Medien fallen.
Kritik vom Werder-Boss persönlich
Um genau solcher Kritik zuvorzukommen, hatte Trainer Thomas Schaaf eigentlich früh klargestellt: "Ich setze ihn nicht unter Druck. Ich gebe ihm die Zeit, damit er die Erwartungen bei uns erfüllen kann", versprach der Werder-Coach und ergänzte: "Wir kennen seine Qualitäten. Wir wissen, dass er ein Super-Spieler ist."
Auch Ekici selbst wollte zu hohe Erwartungen und unangebrachte Vergleiche mit Mesut Özil von vornherein vermeiden, verwies auf den "unterschiedlichen Spielstil" und betonte selbstbewusst: "Ich bin Mehmet Ekici, nicht Mesut Özil!"
Doch auch von dem Ekici, der in der Vorsaison noch gemeinsam mit Gündogan als Garant für den Nürnberger Höhenflug galt, ist zurzeit wenig zu sehen. Mittlerweile reichen auch die Adduktorenverletzung während der Saisonvorbereitung und die fehlende Anpassung an das schnellere Spieltempo in Bremen nicht mehr allein als Begründung für seine schwachen Auftritte aus.
Selbst Werder-Boss Klaus Allofs äußerte unlängst öffentlich Kritik am Neuzugang und bemängelte unzureichende Effektivität und Torgefahr sowie Probleme bei der Ballan- und Ballmitnahme. Dennoch sicherte ihm Allofs weiterhin "Unterstützung und Vertrauen" zu. Ob Ekici jenes Vertrauen spürt, wenn er wie beispielsweise gegen Köln noch vor oder wie in Gladbach während der Halbzeit ausgewechselt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Bremen - Stuttgart: Die voraussichtlichen Aufstellungen
Rückendeckung in Dortmund - Unruhe in Bremen
Möglicherweise hat es Kumpel Gündogan in dieser Hinsicht leichter: Er hat bereits den schweren Gang von der Startelf auf die Tribüne vollständig bestritten und befindet sich so gesehen wieder auf dem Rückweg, nachdem er beim Sieg in München zumindest wieder im Kader stand.
Gündogan erhielt früh die Chance, einen echten Neubeginn zu starten. Klopp gewährt ihm zudem ausreichend Zeit: "Ilkay ist ein langfristiges Projekt", so der Plan des BVB-Coaches.
Währenddessen ähnelt Ekicis noch kurze Werder-Laufbahn durch den regelmäßigen Wechsel zwischen Startelf und Ersatzbank einem unregulierbaren Auf und Ab. Trainer Schaaf setzt hierbei auf kleinere Schritte als Klopp, zudem fehlt es aufgrund der Formschwankungen von Konkurrent Marko Marin an Alternativen.
Die Tatsache, dass auch der Ton in Bremen nach der 0:5-Demontage in Gladbach wieder deutlich rauer geworden ist, sowie die zahlreichen personellen Unklarheiten in der Führungsetage sorgen nicht gerade für zusätzliche Ruhe. Ob Ekici unter diesen Bedingungen endlich frei aufspielen und sich voll entfalten kann, ist ebenfalls fraglich.
Von einem deutlich ruhigeren Umfeld könnte Gündogan profitieren, zeigt doch die schwarz-gelbe Erfolgskurve steil nach oben. Die Diskussionen um seine Person gerieten zudem durch die jüngste Zwangspause und die Wechselspekulationen um Mario Götze in den Hintergrund.
Weder Flop noch gescheitert: Der Blick geht nach vorn
Auch wenn es noch lange dauern kann, bis sich beide mit ihrer neuen Rolle im Verein angefreundet und zu alter Form zurückgefunden haben, wäre es jedoch voreilig und aktionistisch, Gündogan und/oder Ekici als Transfer-Flops oder gar als bereits gescheiterte Talente zu bezeichnen.
Vielmehr befinden sich beide in der bisher schwierigsten, aber wohl bedeutendsten Lernphase ihrer noch jungen Karriere. Zudem wurde ausreichend beteuert, dass sowohl Gündogan in Dortmund als auch Ekici in Bremen als Investitionen in die Zukunft und nicht etwa als kurzfristige Lückenfüller verpflichtet wurden.
In der Sommerpause unterschrieben beide einen Vierjahresvertrag. Bleibt also noch genügend Zeit, um sportlich wieder für positive Schlagzeilen zu sorgen.
Dortmunds Ilkay Gündogan im Steckbrief