Seit 1999 ist Cacau vom VfB Stuttgart nun schon in Deutschland. Im Interview spricht der deutsche Nationalspieler über die anfänglichen Schwierigkeiten in einem fremden Land, seine Beziehung zum Geld und wehrt sich gegen Egoismus-Vorwürfe.
SPOX: Als Sie 1999 nach Deutschland kamen, wohnten Sie bei Osmar de Oliveira, dem Vetter Ihres letzten Trainers in Brasilien. War das damals in München wie eine WG?
Cacau: Im Grunde schon. Ich war ein ganz normales Mitglied des Haushaltes und musste natürlich auch ein paar Aufgaben erledigen. Ich hatte aber auch mein Zimmer, in das ich mich zurückziehen konnte. Alles ganz normal (lacht). Ich stehe mit Osmar bis heute in Kontakt.
SPOX: Wie haben Sie denn in der Anfangszeit Ihre Freizeit verbracht?
Cacau: Ich hatte ja damals kein Geld, daher konnte ich nicht großartig weggehen. Anfangs bin ich immer mal wieder in die Stadt gefahren und habe mir die Sportgeschäfte angeschaut. Ich weiß noch, wie ich von den hochwertigen Fußballschuhen fasziniert war.
SPOX: Wie lange dauerte es, bis Sie einen Freundeskreis aufgebaut hatten?
Cacau: Das war schwer, ich konnte die Sprache ja überhaupt nicht. Ich habe nach drei Monaten eine brasilianische Gemeinde gefunden. Das war sehr wichtig für mich, da alle meine Kumpels ja in Brasilien waren.
SPOX: Aus Ihrem Heimatland haben Sie einen starken Glauben mitgebracht. Wie sind Sie überhaupt zum Glauben gekommen?
Cacau: Wie fast alle Brasilianer bin ich sehr gläubig erzogen worden. Der Glaube war für mich aber etwas Unpersönliches. Mit 16, 17 Jahren ging es mir persönlich nicht so gut, es hatten sich einige negative Erlebnisse angehäuft. Ich habe bei Palmeiras gespielt und inständig gehofft, dort Profi zu werden. Plötzlich wurde ich aber rausgeschmissen, weil mich der neue Trainer nicht mehr wollte. Ich habe mich in der Zeit oft gefragt: Wofür lohnt es sich zu leben?
SPOX: War es Ihnen zu diesem Zeitpunkt zu wenig, "nur" den Fußball zu haben?
Cacau: Ja, zumal ich gesehen habe, wie schnell sich dort die Begebenheiten ändern können. Mein Bruder, der schon etwas früher zum Glauben gekommen war, hat dann angefangen, mir von Jesus und der Bibel zu erzählen. Das war inhaltlich für mich zwar nicht neu, aber ich habe gemerkt, dass eine Veränderung in mir stattgefunden hat und ich im Glauben eine viel persönlichere Ebene wahrgenommen habe. Ich habe dann damit begonnen, unter diesem für mich neuen Gesichtspunkt die Bibel zu lesen und konnte vieles für mein persönliches Leben herausziehen.
SPOX: Glauben Sie denn an ein Leben nach dem Tod?
Cacau: Ich glaube grundsätzlich an das, was die Bibel sagt. Daher gibt es für mich ein Leben nach dem Tod. Auch für Menschen, die ohne Gott leben.
SPOX: Es gibt Leute, die die These vertreten, dass es ohne Religion deutlich weniger Kriege auf der Welt gegeben hätte und geben würde. Was sagen Sie dazu?
Cacau: Das kann ich nicht beantworten. Ich akzeptiere alle Ansichten, aber das ist mir zu weit entfernt und zu unpersönlich. Wichtiger ist für mich die Frage, wie sehr der Glaube dem Einzelnen helfen kann. Es gibt nicht nur in Brasilien zahlreiche positive Beispiele, bei denen der Glaube geholfen hat, den richtigen Weg im Leben einzuschlagen und Positives zu erleben. So lange man nach Jesus' Gebot lebt und alle Menschen wie seinen Nächsten behandelt, kann es nur positiv für einen selbst ausgehen.
SPOX: Sie sind selbst in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Mittlerweile muss man Sie als reich bezeichnen. Wie hat sich Ihr Verhältnis zum Geld in Ihrem Leben gewandelt?
Cacau: Vieles hat sich nicht verändert. Ich bin wie ich bin, ganz egal wie es auf meinem Konto aussieht. Ich habe schon immer sehr darauf geachtet, dass mich das Geld nicht regiert. Ich sehe Geld als ein notwendiges Mittel im Leben an, aber es macht mich nicht glücklicher, nur weil ich mehr davon besitze als andere.
SPOX: Aber so einen echten Lustkauf haben Sie sich doch bestimmt schon einmal gegönnt?
Cacau: Natürlich kann ich mir nun Dinge leisten, die früher undenkbar waren. Ich bin ein Fan von elektronischen Gegenständen und habe mir beispielsweise einmal einen richtig guten Computer gekauft. Einen Ferrari oder Ähnliches brauche ich aber nicht.
SPOX: Sie sind nun schon seit zwölf Jahren in Deutschland. Inwiefern hat sich das Land aus Ihrer Sicht verändert?
Cacau: Schwierige Frage, ich bin ja auch mit der Zeit gegangen und habe mich verändert. Seit der WM 2006 finde ich aber, dass die Menschen in Deutschland grundsätzlich offener geworden sind. Damals hat jeder sein Gefühl preisgegeben und sich für und mit Deutschland gefreut. Für mich war das, als ob eine Blase geplatzt sei. Niemand hat sich damals gefragt, ob es richtig oder falsch sei, seine Sympathien für sein Land offen zu zeigen.
SPOX: Gibt es eine Entwicklung, die Sie gerne rückgängig machen würden, wenn Sie könnten? Vielleicht auch im Kontrast zu Ihrer Anfangszeit als Fußballer.
Cacau: Nein, rückgängig würde ich nichts machen wollen. Ich habe festgestellt, dass junge Spieler heutzutage mehr Rechte haben als früher. Das macht sie auch selbstbewusster. Das ist einerseits positiv, da man direkt zeigen kann, wer man ist oder was man kann und sich keine Gedanken darüber machen muss, wie das bei den Älteren ankommt. Andererseits darf man es damit auch nicht übertreiben und nicht den Respekt verlieren. Wenn man jung ist, kann man immer etwas von Älteren lernen.
SPOX: Im Gegensatz zu früher stehen Sie nun sehr in der Öffentlichkeit, sind Nationalspieler und Leistungsträger beim VfB Stuttgart. Sind Sie manchmal neidisch auf das Leben anderer, die sich anonym in der Öffentlichkeit bewegen können?
Cacau: Meine persönliche Umgebung und auch der direkte Freundeskreis behandeln mich wie einen ganz normalen Menschen. Da kann ich so sein wie ich bin. Diese Freiheit ist mir sehr wichtig, daher verspüre ich auch keinen Neid auf Mitmenschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen. Außerdem bin ich relativ oft bei meiner Familie in Brasilien und dort kennt mich ja eh kein Mensch (lacht).
SPOX: Hat Sie Ihre Berühmtheit schon einmal richtig genervt?
Cacau: Nicht extrem. Natürlich gibt es manchmal Tage, da möchte man einfach nur seine Ruhe haben. Ich habe gelernt, mit solchen Phasen umzugehen. Ich versuche grundsätzlich den Leuten zu zeigen, dass ich ein ganz normaler Mensch geblieben bin. Ich kann eben einfach etwas besser Fußball spielen als andere. Dafür bin ich in anderen Dingen nicht so gut wie manche meiner Mitmenschen.
SPOX: Sie sagten einmal, dass Sie schnell nervös und wütend werden, vor allem auf dem Spielfeld. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, dass Sie sich so beschreiben?
Cacau: Weil ich so bin (lacht). Warum das so ist, weiß ich selbst nicht. Ich muss aber schon sagen, dass ich mich in dieser Hinsicht sehr verändert habe. Ich bin mit der Zeit deutlich ruhiger geworden. Früher bin ich auf dem Spielfeld deutlich öfter regelrecht ausgerastet.
SPOX: In letzter Zeit wurden Sie dafür auch öffentlich kritisiert. Es hieß, Sie meckern zu viel und sind egoistisch.
Cacau: Ich kann es in keiner Weise nachvollziehen, wenn man mir Egoismus vorwirft. Solche Dinge kommen vor allem dann immer auf, wenn es sportlich nicht so gut läuft und man die Erwartungen nicht erfüllt. Die Leute wissen, was ich schon geleistet habe und was ich zu leisten imstande bin. Daher scheint man dann regelrecht nach solch anderen Gründen zu suchen. Ich habe mich meine gesamte Karriere über immer in den Dienst meiner Mannschaft gestellt.
SPOX: Eine davon ist die deutsche Nationalmannschaft. Miroslav Klose und Mario Gomez stehen in der Stürmer-Hierarchie vor Ihnen. Wurmt Sie das oder wäre die bloße EM-Teilnahme schon ein Traum für Sie?
Cacau: Beides nicht (lacht). Die Konkurrenz zu Mario und Miro ist für mich eine riesige Herausforderung. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, daher reicht es mir nicht, einfach nur so bei der EM dabei zu sein. Ich will spielen und werde alles dafür geben. Wenn es dann nicht reichen sollte, muss ich mich damit abfinden. Aber erst dann.
SPOX: Eines Ihrer Lebensziele war, Profifußballer zu werden. Haben Sie schon Pläne, was Sie nach Ihrer aktiven Karriere machen wollen?
Cacau: Ich bin gerade ein bisschen am Schauen, was ich tun könnte. Das sind aber bislang nur lose Pläne. Ich kann mir vorstellen, dass der Fußball auch nach der aktiven Karriere ein Teil von mir bleibt und ich mich zudem stärker im sozialen Bereich engagiere.
Cacau im Steckbrief