So lief die Hinrunde
Bis zur Mitte der ersten Halbserie spielte die Mannschaft zumindest überdurchschnittlich erfolgreich. Bis auf wenige Ausnahmen war zwar nur wenig spielerischer Glanz zu erkennen, dafür stimmten im Großen und Ganzen die Ergebnisse. Von den letzten Spielen wurde aber nur noch eins gewonnen, der Abwärtstrend war unverkennbar.
Dabei hatte sich am Personal kaum etwas geändert, von hartnäckigen neuen Verletzungssorgen blieb die Mannschaft weitgehend verschont. Es fehlten der Biss und eine große Portion Entschlossenheit, um wirklich beharrlich das Ziel Platz sechs zu verfolgen. Die Mannschaft stieß einige Male auch schlicht an ihre (spielerischen) Grenzen.
Trainer Bruno Labbadia wechselte zwar zwischen den Spielsystemen, in festgefahrenen Partien wie zum Beispiel der in Bremen, das den VfB etwas überraschend mit einer zögerlichen und abwartenden Ausrichtung empfang, vermochte auch er keine Antworten zu finden.
Der derzeitige Platz acht dürfte dem Leistungsvermögen recht gut entsprechen, wobei der Abstand nach Europa mit vier Punkten zwar noch aufzuholen ist. Jedoch sollte auch ab und an der Blick nach unten gerichtet sein. Sechs Punkte zu Platz 16 sind auch nicht die Welt.
Das war gut
Die Mannschaft ist fit. Als Labbadia das Team vor gut einem Jahr übernahm, konnte davon nur ansatzweise die Rede sein. In Ansätzen ist auch eine Idee von Fußball zu sehen, besonders gegen dominante Gegner tut sich der VfB leichter. Obwohl in der Vorrunde kein einziges Tor unmittelbar im Anschluss an einen Konter erzielt wurde, liegt hier die Stärke der Mannschaft.
Die Defensivbewegung funktioniert schon recht gut, mit 20 Gegentoren steht der VfB gut da. Dazu haben sich mit dem wieder erstarkten Serdar Tasci, Sven Ulreich und Zugang William Kvist wichtige Korsettstangen für den VfB der Zukunft herauskristallisiert. Die Stuttgarter Standards waren vor allen Dingen zum Beginn der Saison brandgefährlich, hier zeigt sich der VfB einfallsreich und besonders kreativ.
Nachdem im Sommer der neue Präsident Gerd Mäuser die Führung übernommen hat, ist die Hektik und Unruhe rund um den Verein auch etwas gewichen. Das zunächst weniger mit Mäusers Arbeit zu tun, sondern ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass es um dessen Amtsübernahme und die Position von Aufsichtsratschef Dieter Hundt heftige Proteste gab - welche derzeit allenfalls noch leise im Hintergrund weiterlodern.
Das muss besser werden
Die Liga ist nicht so stark, dass Platz sechs für den VfB in dieser Saison unerreichbar wäre. Und trotzdem sind die Schwaben schon im Hintertreffen. In einigen Partien fehlte schlicht der Killerinstinkt - teilweise mehrfache Punktverluste wie gegen Berlin, Hamburg, Mainz oder Köln in zumeist deutlich überlegen geführten Partien müssen abgestellt werden. Hier hat der VfB fahrlässig wertvolle Zähler verloren.
Labbadia ist es zudem noch nicht gelungen, eine dominante Spielidee zu entwickeln. Gegen Gegner mit defensiver Grundausrichtung tut sich die Mannschaft ungemein schwer, dann fehlt es an Kreativität aus der Zentrale. Ansätze sind immer wieder vorhanden, insgesamt ist aber noch zu vieles Stückwerk und kein in sich geschlossener Fluss.
Daher lahmt auch die Offensive. Lediglich 23 Tore sind Mittelmaß, angesichts der personellen Besetzung muss da deutlich mehr kommen. Wichtige Spieler wie Cacau, Gentner (sehr lange Zeit) oder Kuzmanovic (fand sich zuletzt immer öfter auf der Bank wieder) sind jetzt gefordert.
Was immer noch fehlt, ist eine Art Initialzündung, quasi als Signal an die Fans: Viele Partien spult die Mannschaft zu nüchtern ab, es fehlt die letzte Leidenschaft und Gier. Dabei würden Fans auch das eine oder andere negative Ergebnis verkraften, aber eins muss sich nach und nach wieder entwickeln: die totale Identifikation mit der Mannschaft. Die ist auf Dauer mehr wert als jeder Punktgewinn.
Da kaum Geld zur Verfügung steht, muss Sportdirektor Fredi Bobic zudem improvisieren. Die vielen eigenen Talente, zu Teilen schon mit Profiverträgen ausgestattet, seien für die Bundesliga noch nicht so weit, meint Trainer Labbadia. Immerhin durften die Nachwuchsspieler Holzhauser, Riemann und Rüdiger mit ins Trainingslager und sich ein paar Hoffnungen auf erste Bundesligaminuten machen.
Der Spieler im Fokus
Serdar Tasci hat eine sehr vernünftige Vorrunde gespielt. Als Abwehrchef hat er den dauerverletzten Matthieu Delpierre sehr gut ersetzt und Zugang Maza den Sprung in die Bundesliga nahezu geräuschlos ermöglicht. Tasci fand sogar Zeit für ein veritables Aufbauspiel und war bei Standards auch torgefährlich. Im Trainingslager wurde er etwas überraschend dann von Labbadia auch noch zum Kapitän ernannt, was ihm einen zusätzlichen Schub geben sollte. Die solide Vorrunde bedarf schon noch einer Steigerung, will sich Tasci seine kleine Chance auf eine Teilnahme an der Europameisterschaft 2012 noch wahren. Die Konkurrenz ist ihm da noch einiges voraus, ab sofort beginnt die Aufholjagd.
Prognose
Bobic muss den VfB umbauen, ihm ein Konzept und ein neues Gesicht verpassen. Dieser Prozess der Operation am offenen Herzen steht dem bloßen Erfolg im Weg, die Planungen sind eher mittelfristiger, als kurzfristiger Natur. Derzeit spielen einige Akteure des immer noch zu teuren Kaders auf Bewährung, die Rückrunde sollte die angemessene Bühne für eine mögliche Weiterbeschäftigung in Stuttgart sein.
Da weder vom Trainer noch von den Zugängen Wunderdinge zu erwarten sind und das Potenzial der Mannschaft offenbar nicht mehr hergibt, ist ein Platz im gesicherten Mittelfeld eine realistische Annahme und dürfte den gesunkenen Ansprüchen in dieser Saison genügen.
Nur falls die Konkurrenz ganz erheblich patzen sollte und beim Rückrundenstart mit den schweren Spielen gegen Schalke (A), Mönchengladbach (H) und Leverkusen (A) einigermaßen gepunktet wird, wäre noch etwas mehr drin.
VfB Stuttgart: Der Kader im Überblick