An Christian Nerlinger konnte man erkennen, dass bei diesem Spiel in Stuttgart für den FC Bayern etwas anders war, als in vielen Partien zuvor. Der Manager des Rekordmeisters gilt als ruhiger Vertreter seiner Zunft und hält sich während eines Spiels auf der Bank im Normalfall eher im Hintergrund.
In Stuttgart stand Nerlinger nach rund einer Viertelstunde allerdings plötzlich in vorderster Front. Nahe der Außenlinie tigerte der 38-Jährige nervös durch die Coaching Zone. Bastian Schweinsteiger hatte sich am rechten Sprunggelenk verletzt und zeigte an, nicht weiterspielen zu können.
Ausgerechnet jetzt, wo die Bayern nach dem durchwachsenen Rückrundenstart doch so dringend ein Erfolgserlebnis brauchten, musste der Kopf und Taktgeber des Bayern-Spiels also raus. Nerlinger beunruhigte diese Tatsache sichtlich.
Es geht auch ohne Schweinsteiger und Robben
Knappe 15 Minuten später durfte der Bayern-Manager dann allerdings ein erstes Mal durchschnaufen. Franck Ribery hatte die Münchner in Führung gebracht und damit gezeigt: es geht auch ohne Schweinsteiger. Die Mannschaft führte diesen Beweis bis zum Schlusspfiff fort.
Durch den 2:0-Erfolg beim - zugegeben - sehr schwachen VfB schafften die Bayern den Sprung ins Pokal-Halbfinale und lieferten die beste Leistung nach der Winterpause ab. Ohne Schweinsteiger. Aber auch ohne Arjen Robben.
Heynckes: "Musste etwas ändern"
Der Niederländer saß 90 Minuten lang auf der Bank. Nicht aus Verletzungsgründen, nicht um ihn zu schonen, sondern weil sich Jupp Heynckes aus taktischen Gründen gegen ihn entschied. "Ich musste etwas ändern nach dem holprigen Start", erklärte der Bayern-Coach seine durchaus überraschende Maßnahme.
Für Robben rückte Thomas Müller auf den rechten Flügel und Toni Kroos ins offensive Zentrum hinter Mario Gomez. So hatten die Bayern bereits in der Vorrunde in Robbens Abwesenheit überzeugt. In Stuttgart knüpfte man daran erstmals wieder an.
"Ich kann sehr zufrieden sein. Wir haben heute einen sehr souveränen Auftritt gehabt. Wir haben das Spiel beherrscht, sehr guten Fußball gespielt", sagte Heynckes und machte deutlich, was ihm am Spiel seiner Mannschaft besonders gefiel: "Wir hatten eine super Balance zwischen Defensive und Offensive."
Toni Kroos überzeugt als Zehner
Zuletzt war das nicht immer der Fall gewesen, weshalb der Bayern-Coach mit Luiz Gustavo auch wieder einen rein defensivorientierten Sechser ins Team genommen hatte, an dessen Seite nach Schweinsteigers Verletzung David Alaba zu überzeugen wusste. Eine Konstellation, auf die Heynckes auch während Schweinsteigers Verletzungspause zurückgreifen könnte.
SPOX-Analyse: Kroos der Star des Spiels
Denn was in Stuttgart abermals deutlich wurde: Toni Kroos ist auf der Zehn weitaus wertvoller, als im defensiven Mittelfeld. "Toni hat ein super Spiel gemacht", sagte Manuel Neuer. "Man sieht, wie wichtig er auf der Zehn ist."
"Ich konnte meine Qualitäten auf der Zehnerposition ausspielen. Es hat hervorragend geklappt", erklärte Kroos selbst, und auch Heynckes gab zu, dass die Art und Weise, wie der 22-Jährige die Position im offensiven Mittelfeld interpretiert "unserem Spiel gut tut".
Besser ohne Arjen Robben?
"Das Offenspielspiel war variabel und sehr zügig", so Heynckes. Was der Bayern-Trainer unausgesprochen ließ: Zuletzt war das Spiel der Münchner eben nicht variabel und zügig, sondern häufig eindimensional und festgefahren.
"Wir haben schnell nach vorne umgeschaltet", erklärte Gomez. "Der Trainer hat das wochenlang gefordert, wir haben es nicht umgesetzt." Eine Aussage, die auch Arjen Robben treffen wird, schließlich klappten diese Dinge, die Heynckes offenbar immer wieder angesprochen hatte, erst jetzt - ohne ihn.
Wie die Vorarbeit zu Riberys 1:0, als Müller auf Rechtsaußen fast bis zur Grundlinie durchdrang und dann aus vollem Lauf nach innen flankte. "Wir haben versucht mehr zu flanken", so Müller. "Und wir sind gefährlich geworden, wenn wir den Ball in den Rücken der Abwehr gespielt haben."
Robben, der den Ball gerne in den Fuß bekommt, dann nach innen zieht und meist selbst den Abschluss sucht, hatte sich zuletzt immer wieder festgelaufen und dadurch an Effektivität eingebüßt. So holten die Bayern ohne den holländischen Nationalspieler in der Bundesliga in dieser Spielzeit durchschnittlich 2,33 Punkte, mit ihm aber nur 1,82.
Wie reagiert Arjen Robben?
Überflüssig ist der 28-Jährige deshalb beim FC Bayern freilich längst nicht. Doch weil das Team ohne ihn besser funktionierte als mit ihm, ist Robben erstmals seit er in München ist, nicht mehr über jeden Zweifel erhaben.
Heynckes versuchte zwar sofort Zündstoff aus der Sache zu nehmen: "Das war keine Entscheidung gegen Arjen, ich hätte vorne jeden rausnehmen können." Doch nach dem Spiel in Stuttgart wird Robben nach schwächeren Leistungen künftig schneller in Frage gestellt werden als bisher.
Wie der Niederländer selbst mit der veränderten Situation umgehen wird, ist dabei eine der spannenden Fragen der nächsten Wochen. In Stuttgart verabschiedete er sich mit einem Lächeln Richtung Mannschaftsbus. Reden mochte er nicht.
In Kürze will man beim FC Bayern Robbens Vertragsverlängerung unter Dach und Fach bringen. Zuletzt hatten beide Seiten von einer Formalie gesprochen. Ob dies für Robben auch jetzt noch gilt? Der Nationalspieler fühlt sich in München wohl, braucht allerdings das Gefühl gebraucht zu werden und ist es schlichtweg nicht gewohnt, auch mal auf der Bank zu sitzen.
Suche nach Schweinsteiger-Ersatz
Ob Robben vielleicht schon am Wochenende wieder in der Startelf steht, ließ Heynckes offen. Durch die Verletzung von Schweinsteiger ist der 66-Jährige auf jeden Fall zum Umdenken gezwungen. Bayerns Mittelfeldchef fällt mit einem Riss des vorderen Außenbandes im rechten Sprunggelenk aus und muss erstmal eine Woche Gips tragen. Derzeit wird von einer Pause zwischen vier bis sechs Wochen ausgegangen.
Der 27-Jährige war nach der Winterpause erst von seinem Schlüsselbeinbruch genesen. Zuvor hatten die Bayern in der Liga ohne Schweinsteiger doch einige Probleme offenbart. "Sein Ausfall trifft uns sehr, ein herber Verlust", so Heynckes.
Als erster Vertreter Schweinsteigers empfahl sich in Stuttgart David Alaba. Der Österreicher, den Heynckes schätzt, könnte künftig abwechselnd mit Luiz Gustavo und Anatolji Tymoschtschuk das defensive Mittelfeld bilden.
Möglichkeit Nummer zwei: Kroos rutscht erneut zurück und gibt den Spielmacher aus der Tiefe. Eine Variante, die Heynckes nach den Erfahrungen der letzten Wochen wohl nur recht widerwillig wählen wird. Andererseits würde sie Brisanz aus der Personalie Robben nehmen. Denn der Niederländer würde dann auf jeden Fall wieder spielen
Arjen Robben im Steckbrief