Katharina Wildermuth arbeitet seit über viereinhalb Jahren beim 1. FC Nürnberg und ist die einzige Pressechefin der Bundesliga. Im Interview spricht die ehemalige Olympia-Teilnehmerin über die Männerwelt Fußball, Interview-Training, Facebook, schöne Momente und ein echtes Original.
SPOX: Als sich Pressesprecher Martin Haltermann vor rund anderthalb Jahren entschied, den Club zu verlassen, kamen Nürnbergs Verantwortliche auf Sie zu und haben Ihnen den Posten angeboten. Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie es machen?
Katharina Wildermuth: Es hat mich damals gefreut, dass man mich gefragt hat. Trotzdem habe ich mir erstmal ein bisschen Zeit genommen. Ich wollte es mir genau überlegen und mich auch mit Familie und Freunden austauschen. Danach war mir endgültig klar, dass ich es machen will und habe zugesagt. Es war eine große Chance und vor allem ein Vertrauensbeweis der Verantwortlichen.
SPOX: Haben Sie die Entscheidung manchmal schon bereut, weil Sie durch die neue Aufgabe schon die eine oder andere schlaflose Nacht hatten?
Wildermuth: Ich schlafe sehr gut, schon immer. (lacht) Aber sicherlich ist es so, dass man sich Gedanken macht und morgens vielleicht auch mal eine Stunde früher aufwacht, weil einem verschiedene Dinge durch den Kopf gehen. Das ändert aber nichts daran, dass es eine tolle Aufgabe ist, die mir viel Spaß macht. Es passiert immer etwas Neues, es ist nie langweilig oder monoton. Es gibt immer wieder neue, spannende Szenarien, auf die man reagieren muss. Und das macht diesen Job interessant.
SPOX: Sie sind die einzige Pressechefin in der Liga. Woran liegt das? Ist der Fußball noch immer eine Sportart voller Machos?
Wildermuth: Immerhin gibt es in Braunschweig und bei 1860 München auch zwei Frauen, die eine Pressestelle leiten. In der Bundesliga bin ich die einzige, okay. Aber ich denke nicht, dass ich eine Quoten-Frau bin. (lacht) In Deutschland sind Frauen heute im Durchschnitt besser ausgebildet als Männer, sie sind zielstrebig und ehrgeizig. Trotzdem sind sie in Führungspositionen unterrepräsentiert und verdienen in gleichen Positionen oft weniger. Das ist kein spezielles Problem des Fußballs sondern in allen Branchen üblich.
SPOX: Sie waren früher selbst Spitzensportlerin und haben 1996 als Rhythmische Sportgymnastin sogar an den Olympischen Spielen in Atlanta teilgenommen. Inwiefern helfen Ihnen die Erfahrungen im Leistungssport für Ihren jetzigen Job?
Wildermuth: Ich glaube, es ist insofern ein Vorteil, als ich mich gut in Spieler und Trainer hineinversetzen kann und weiß, wann man mal seine Ruhe haben und nicht reden will. Da hat man ein gewisses Gespür. Für den Job an sich hat es den Vorteil, dass einem Eigenschaften, die man als Leistungssportler schon seit der Kindheit gelernt hat, helfen. Dinge wie Durchhaltevermögen, Ehrgeiz oder ein gewisses Anspruchsdenken an sich selbst.
SPOX: Beim Club koordinieren Sie unter anderem die bei Spielern nicht immer so beliebten öffentlichen Auftritte und PR-Termine. Machen die Jungs denn auch immer, was Sie sagen?
Wildermuth: Das hoffe ich doch. Es gibt zumindest keine Widerrede. (lacht) Nein, im Ernst: Ich denke, es funktioniert bei uns ganz gut. Natürlich versucht man das immer in Absprache mit den Spielern zu machen. Und wenn man offen miteinander umgeht und redet, dann kann man auch mal einen Termin verschieben, wenn jemandem etwas dazwischen kommt. Aber es gab auch schon Fälle, bei denen das nicht mehr ging. Und dann muss man sich an die Absprachen halten und konsequent sein. Aber schimpfen musste ich mit noch niemandem. (lacht)
SPOX: Der Club hat viele junge Spieler. Werden die vom Verein gezielt auf PR-Termine und öffentliche Auftritte vorbereitet?
Wildermuth: Wir haben vor dieser Saison eine Medienschulung konzipiert, wo wir beispielsweise Hinweise für den Umgang mit Medien geben oder verschiedene Interviewsituationen üben: ein Interview direkt nach dem Spiel oder einen Studiobesuch.
SPOX: Wie sieht das in der Praxis aus?
Wildermuth: Wir simulieren die Situation, zeichnen mit der Kamera alles auf und werten es hinterher mit den Sportlern aus. Da geht es um Dinge wie Körpersprache, Gestik und Ausdrucksweise. Die Spieler sollen sich einfach mal selbst sehen, wie sie mit ihrem Auftreten wirken.
SPOX: Wie sieht es mit Facebook und Twitter aus?
Wildermuth: Auch das ist Teil unserer Medienschulung. Soziale Netzwerke eröffnen neue Wege der Selbstvermarktung für Spieler und Möglichkeiten, Fan-Kontakte zu pflegen, oder gezielte Infos zu kommunizieren. Wir weisen unsere Spieler darauf hin, dass sie mit diesem Medium sensibel umgehen sollten, denn das Internet vergisst nie! Als öffentliche Personen stehen sie im Vergleich zu einer reinen Privatperson auch dort extrem im Fokus. Und nicht jedem gefällt das.
SPOX: Inwiefern?
Wildermuth: Raphael Schäfer hat seinen Account beispielsweise gelöscht. Ihm ist das einfach alles zu viel geworden. Bei Ilkay Gündogan war es in der letzten Saison genauso. Wir als Verein empfinden diese sozialen Netzwerke aber, zumindest im Moment noch, eher als Segen.
spoxSPOX: Warum?
Wildermuth: Wir haben aktuell über 126.000 Freunde auf unserer Facebook-Seite und gute Erfahrungen mit Facebook als attraktivem Kommunikationsmittel gemacht. Mittlerweile ist es so, dass die meisten User direkt auf fcn.de klicken, die zweitmeisten kommen aber schon über Facebook. Früher war das noch über Google. Wir wollen bewusst die Interaktivität mit den Fans, um zu wissen, was ihnen wichtig ist, welches Thema sie interessiert und worüber sie sich unterhalten. Konstruktive Kritik ist zudem erwünscht.
SPOX: Wenn's sportlich schlecht läuft, wird der Ton allerdings rauer werden.
Wildermuth: Deshalb haben wir Fairplay-Regeln auf unserer Facebook-Seite veröffentlicht, ein Gebot zum respektvollem Umgang miteinander. Aber natürlich muss man abwarten, wie es sich in der Praxis entwickelt, wenn es schlechter läuft. Emotionen gehören zum Fußball dazu, Ärger und Unmut dürfen geäußert werden, wenn aber beispielsweise Schiedsrichter, Vereinsverantwortliche oder Spieler beschimpft, beleidigt oder verunglimpft werden, müssen wir reagieren. Beiträge, die gegen das Fairplay-Gebot verstoßen, werden entfernt. Generell ist das Internet eine sehr große Baustelle.
SPOX: Weil es sich kaum kontrollieren lässt?
Wildermuth: Richtig. Da verbreiten sich Dinge sekundenschnell, teilweise unter dem Deckmantel der Anonymität. Der eine schreibt etwas, was ein anderer wieder abschreibt und so manifestiert es sich zu einer Meinung. Deshalb haben wir beim Club uns entschieden, dass wir die Fan-Foren und Fan-Blogs, die ja eine gewisse Relevanz innerhalb der Fanszene haben, mehr in den Kommunikationsprozess einbeziehen und einen engeren Kontakt pflegen. Wir empfinden es als wichtig, dass wir den Machern dieser Seiten, die eine Menge Herzblut investieren, auch die Hintergründe erklären, zumal in diesen Blogs und Forenauch redaktionell hochwertige Beiträge produziert werden.
SPOX: Wie wichtig ist die Kontaktpflege zu Medien und Journalisten, um die Berichterstattung in Phasen, in denen es sportlich nicht läuft, womöglich auch ein Stück weit steuern zu können?
Wildermuth: Da würde ich die Rolle des Pressesprechers nicht überschätzen, weil sich die Medien in schlechten Zeiten eher an die Protagonisten selbst wenden. Natürlich kann ich in persönlichen Gesprächen versuchen, eine positive Grundstimmung zu erzeugen. Aber der tatsächliche Einfluss hält sich eher in Grenzen.
SPOX: Negative Schlagzeilen waren abseits des Rasens in Nürnberg zuletzt eher die Ausnahme. Der Club ist nicht mehr der Chaos-Verein vergangener Jahre. Woran liegt das?
Wildermuth: Unter den beiden Vorständen Martin Bader und Ralf Woy werden kontinuierlich neue Sachen angepackt. Oberstes Ziel ist natürlich die Etablierung in der Bundesliga bei gleichzeitiger Beibehaltung der wirtschaftlichen Stabilität. Das ist die Gratwanderung, die möglicherweise früher nicht immer gelungen ist. Zuletzt hat das sehr gut geklappt und deshalb konnten wir neue Projekte wie den Neubau desFunktionsgebäudes mit Jugend-Internat und Club-Museum, die Mitgliederkampagne oder den Kids Club angehen. Und das bekommt natürlich auch die Öffentlichkeit mit, dass beim Club etwas voran geht.
SPOX: Sie sind jetzt seit über anderthalb Jahren Pressechefin beim Club und insgesamt seit über viereinhalb Jahren im Verein. Was ist rückblickend Ihre schönste Erinnerung?
Wildermuth: Ich habe hier schon viele schöne Dinge erlebt. (überlegt) Als wir durch die Club-Anleihe das Finanzierungsvolumen für den Neubau des Funktionsgebäudes beisammen hatten, haben wir uns sehr gefreut, weil es ein Meilenstein für den 1. FC Nürnberg bedeutet. Und natürlich freuen wir uns seit Start der Mitgliederkampagne über jedes neue Mitglied in der Club-Familie. Sportlich gesehen, war der bislang schönste Club-Moment, als die Fans nach dem Aufstieg 2009 den Rasen gestürmt haben. Und natürlich die anschließende Aufstiegsparty. Die besten Partys beim Club waren immer die nach Aufstiegen oder Klassenerhalten.
SPOX: Sie haben mittlerweile auch schon einige Trainer erlebt, darunter auch Hans Meyer, der bei den Club-Fans wohl immer unvergessen bleiben wird.
Wildermuth: Das wird er auch im Verein und der Stadt bleiben. Er lebt ja noch immer in Nürnberg. Leider ist er jetzt in Gladbach Präsidiumsmitglied und kann daher nicht mehr so häufig zum Club kommen - was wir bedauern. Aber er drückt dem Club noch immer die Daumen. Er ist ein echtes Original...
SPOX: ...das Sie wie erlebt haben?
Wildermuth: Wir tauschen uns noch regelmäßig aus. Ich finde, er ist ein großherziger und liebenswerter Mensch. Es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten, weil er schlagfertig ist und einen tollen Humor hat. Ich glaube deshalb hat er auch bei allen Vereinen, bei denen er gearbeitet hat, einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
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