Seit dem vergangenen Jahr geht der 23-Jährige regelmäßig im benachbarten Bundesleistungszentrum turnen. Er springt seither höher. "Ich mache da ein Athletiktraining, um schnellkräftiger und geschmeidiger zu werden", sagt Ulreich im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd.
Ob er etwas Besonderes für den Fußball gelernt habe? Ulreich lacht und entgegnet: "Ich mache jetzt keinen Flic Flac, um anschließend den Ball zu halten, wenn Sie darauf anspielen." Ulreich ist entspannt wie lange nicht. Würde ihm jemand einen Sonnenstuhl und Rum reichen, es würde ins Bild passen.
Vom Wackelkandidaten zum Stammtorhüter
Der VfB Stuttgart hat vor dem letzten Bundesligaspiel am Samstag noch die Möglichkeit, sich mit einem Sieg gegen Wolfsburg auf Rang fünf vorzuschieben. Der Platz in der Gruppenphase der Europa League wäre der Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia damit gewiss.
Doch auch wenn sie noch zwei Playoff-Spiele bestreiten sollten, um vollends dabei zu sein, die Saison des VfB ist erfolgreich verlaufen. Maßgeblichen Anteil daran hatte auch Sven Ulreich, der sich innerhalb von wenigen Monaten von einem Wackelkandidaten zu einem der besten Torhüter der Liga entwickelt hat.
Dabei war der VfB im Februar dieses Jahres nach zwei Niederlagen dem Abstieg sehr viel näher als dem internationalen Startplatz. "Ich hätte es ihm nicht geglaubt", gibt der Torhüter zu, wenn jemand in der Schwächephase zu ihm gekommen wäre und vorausgesagt hätte, dass der VfB es noch in die Europa League schaffen würde.
Keine Selbstzweifel zugelassen
"Das Knackpunktspiel", wie es Ulreich nennt, war dabei die Niederlage im Pokal gegen den FC Bayern. "Es war mit Sicherheit der Wendepunkt dahin gehend, dass wir uns eingeschworen haben, wieder unser Spiel aus der Vorrunde zu spielen, also aggressiv zu verteidigen und schnell und schnörkellos nach vorne zu spielen", sagt Ulreich.
Plötzlich lief es wieder für den VfB, wie nur zwei Niederlagen in den folgenden 13 Spielen eindrucksvoll belegen. Und es lief für Ulreich, der aber seine schwierige Zeit beim VfB, als Labbadia ihn gar auf die Bank setzte, nicht vergessen hat. "An mir selber habe ich allerdings nie gezweifelt", sagt Ulreich im dapd-Interview.
"Ich wollte deswegen im nächsten Training gleich zeigen, dass ich gut genug bin für die Bundesliga." Seine Rückbeförderung ging am Ende schneller als gedacht.
Nationalmannschaft ein Thema für Ulreich
Marc Zieglers Pech war Ulreichs Glück. Ziegler verletzte sich gleich in seinem ersten Spiel und Ulreich durfte wieder dorthin zurück, wo er sich am wohlsten fühlt: zwischen die Pfosten. Geholfen hat ihm in dieser Zeit die Distanz zu der schnelllebigen Profibranche, die er sich auch bewahrte, als er nach dem Rücktritt von Jens Lehmann aufstieg zur neuen Nummer Eins des VfB.
Ulreich, der seit der E-Jugend im Klub mit dem roten Brustring spielt, war zwölf Jahre alt, als sein Vater starb. Er hat früh gelernt, dass es Wichtigeres im Leben gibt als Fußball. "Diese Erkenntnis hat mir in meiner Karriere schon geholfen", sagt Ulreich und fährt fort: "Aber gleichzeitig muss man seine Ziele auch mit Leidenschaft und Ehrgeiz erreichen wollen und kann sich nicht immer einreden, dass es Schlimmeres gibt."
Sein Ziel ist die Nationalmannschaft. Ob er schon nach der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine eine Chance erhält, könne er nichts voraussagen. Aber in einem Punkt ist er sich ganz sicher. "Ich weiß, dass ich das Zeug dazu habe, um eines Tages meinen Traum erfüllen zu können." Auch ohne Flic Flac im Strafraum.
Sven Ulreich im Steckbrief