Es ist der 11. November 2011. Tschechien trifft im Hinspiel der EM-Qualifikations-Playoffs auf Montenegro. 63 Minuten sind gespielt, beide Teams neutralisieren sich beim Spielstand von 0:0 gegenseitig. Dann bekommt Vaclav Pilar den Ball, zieht vom linken Flügel in die Mitte und knallt ihn aus 20 Metern einfach aufs Tor. Die Kugel schlägt im rechten oberen Toreck ein und Pilar dreht jubelnd zur Seite ab.
Vaclav Pilar hat sein Land eben in Richtung Europameisterschaft und sich selbst innerhalb einer Sekunde ins Herz aller tschechischen Fußballfans geschossen. Doch bis dahin war es ein langer Weg.
Aufstieg mit Hradec Kralove
Angefangen hat alles im 6000 Einwohner zählenden Städtchen Chlumetz an der Zidlina im tschechischen Bezirk Königgrätz. Dort wurde Vaclav Pilar am 13.10.1988 geboren. Späher des FC Hradec Kralove erkannten rasch das Talent des kleinen Wirbelwinds und holten ihn 2004 zum damaligen Zweitligisten.
Im Alter von 18 Jahren debütierte er in der ersten Mannschaft. Nach der Saison 2009/2010 stieg Kralove in die erste tschechische Liga auf. Maßgeblich daran beteiligt: Vaclav Pilar, der zehn Treffer zum Aufstieg beisteuerte.
Lob von Pep Guardiola
Auch in der ersten tschechischen Liga zeigte Pilar, der in seiner Freizeit gerne Tennis spielt, weiter ansprechende Auftritte. Der Lohn: sein erstes Länderspiel für Tschechien gegen Peru am 4. Juni 2011 und der Wechsel zum tschechischen Meister Viktoria Pilsen.
Mit Pilsen durfte er an der Champions-League-Qualifikation teilnehmen und zeigte gleich sein Können. Dem quirligen Offensivspieler gelangen in sechs Spielen drei Tore, woraufhin sich Viktoria Pilsen für die Königsklasse qualifizierte.
Dort setzte Pilar erste, auch international beachtete Ausrufezeichen, als er in der Gruppenphase gegen den FC Barcelona herausragende Leistungen zeigte. "Ich möchte Pilar und die Art, wie er spielte, herausheben", lobte ihn kein Geringerer als der damalige Barca-Trainer Pep Guardiola.
Pilar - der "tschechische Messi"
Wendig, dribbelstark, schnell, torgefährlich und mit dem Auge für seine Mitspieler ausgestattet. Das sind die Attribute, die Pilars Spiel so unberechenbar machen. Am liebsten greift der Tscheche über den linken Flügel an und sucht mit dem rechten Fuß entweder selbst den Torabschluss oder setzt seine Mitspieler in Szene.
Rasch bekam der 1,70 Meter kleine Flügelflitzer wegen seiner Spielweise von den heimischen Medien den Spitznamen "tschechischer Messi" verliehen.
Für Pilar selbst kein Grund abzuheben. "Ich bin natürlich glücklich, das zu hören. Ich bin nicht besonders groß, das ist auch ein Grund, warum wir uns so ein bisschen ähnlich sind", so Pilar im UEFA-Interview: "trotzdem gibt es nur einen Messi. Aber ich mag den Spitznamen dennoch."
Durchbruch bei der EM
Auch in der Gambrinus Liga lief es für Pilar weiter gut: Sieben Treffer und sechs Vorlagen standen nach der Saison 2011/12 auf seinem Konto. Spätestens seit seinem Tor gegen Montenegro ist der Flügelspieler auch ein fester Bestandteil der tschechischen Nationalmannschaft. Seine Nominierung in den EM-Kader der Tschechen war somit keine große Überraschung.
In Polen und der Ukraine stand der 23-Jährige dann in allen vier Spielen in der Anfangsformation und schoss zwei Treffer. Den ersten bei der 1:4 Klatsche im Auftaktmatch gegen Russland und den zweiten beim wichtigen 2:1 Sieg über Griechenland, als er die Führung erzielte und von der UEFA zum Spieler des Spiels gewählt wurde.
"Ich habe alles riskiert und ihn mit meinem Knie über die Linie gedrückt", sagte Pilar nach seinem Treffer gegen die Hellenen. "Es war ein wichtigeres Tor als gegen Russland, weil wir damit das Spiel gewinnen konnten."
Für die Elf der EM vorgeschlagen
Trotz allen persönlichen Erfolgs, für Pilar steht immer der Teamerfolg an erster Stelle. "Ich bin froh, dass diese beiden Tore der Mannschaft geholfen haben, das ist das Allerwichtigste", erklärte der tschechische Wirbelwind ganz bescheiden. Nach dem Turnier wurde er auf der Position des linken Mittelfeldspielers von der UEFA sogar für die Elf der EM vorgeschlagen - Felix Magath dürfte sich auf der heimischen Couch die Hände gerieben haben.
Bereits in der Winterpause hatte der Wolfsburger Trainer-Fuchs ein Auge auf den 23-Jährigen geworfen. Ein sofortiger Wechsel platzte zwar, doch der VfL konnte sich mit Pilar über einen Wechsel im Sommer einigen und überwies eine Millionen Euro Ablöse nach Tschechien. Magath kam damit vielen Klubs zuvor und konnte Pilar zu einem absoluten Schnäppchenpreis zu den Wölfen lotsen.
Pilar: Wolfsburg keine Schande
Pilar hat sich seit dem feststehenden Wechsel gewissenhaft auf sein Engagement in Wolfsburg vorbereitet und sein Schuldeutsch aufgefrischt. Doch auch Pilar weiß, dass in Wolfsburg vor allem seine Leistungen auf dem Platz zählen.
"Mit der tschechischen Liga ist das nicht zu vergleichen. Deshalb freue ich mich sehr auf Wolfsburg und auf die Chance, mich hier zeigen zu können", freut sich Pilar gegenüber der "WAZ" über die Herausforderung in Deutschland. "Man sagt mir, ich hätte nun zu einem großen Klub gehen können. Aber ich bin froh über Wolfsburg. Es ist ein tolles Team und keine Schande."
Eine Eingewöhnungshilfe sollte sein Nationalmannschaftskollege Petr Jiracek sein, mit dem er sich schon über seinen neuen Klub und die Bundesliga ausgetauscht hat. "In der deutschen Liga kann jeder jeden schlagen, alle Teams verfügen über eine hohe Dichte an Qualität", so Pilar.
Beinharte Vorbereitung unter Magath
Zwar bleibt abzuwarten, ob sich Vaclav Pilar in einem fremden Land und in der stärkeren Bundesliga dauerhaft durchsetzen kann. Wenn er allerdings an seine Leistungen bei der Europameisterschaft anknüpfen kann, wird er in der Bundesliga das ein oder andere Highlight für den VfL Wolfsburg setzen können.
Bevor es jedoch soweit ist, muss Pilar erst einmal die harte Vorbereitung unter Felix Magath durchstehen. Denn eines ist sicher: Magath gibt auf Spitznamen nicht viel und auch der "tschechische Messi" wird in Wolfsburg die berühmt berüchtigten Medizinbälle nicht so einfach umdribbeln können.
Vaclav Pilar im Steckbrief