"Habe den Bayern zweimal abgesagt"

Von Interview: Haruka Gruber
Jörg Heinrich wurde mit Dortmund zweimal Meister und gewann die Champions League
© Imago

Seine Beidfüßigkeit: einzigartig. Seine Vita: ungewöhnlich. Sein Wechsel zu Florenz: Teil deutscher Fußball-Geschichte. Wie Jörg Heinrich von Weltvereinen gejagt wurde. Und warum er abtauchte. Der 42-Jährige über seinen späten Durchbruch, Giovanni Trapattonis Respekt und David Beckham.

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SPOX: Fußballern wird häufig vorgeworfen, nicht den richtigen Zeitpunkt für den Rücktritt gefunden zu haben. Gilt das auch für Sie? Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit spielten Sie nach der Bundesliga-Karriere beim Heimatklub Rathenow in der Landesliga. Im April 2011 aber hörten Sie nach einer Muskelverletzung auf - woraufhin die Mannschaft in wenigen Wochen vom ersten bis auf den sechsten Platz durchgereicht wurde. Kein schönes Ende...

Jörg Heinrich: Man sollte es nicht überdramatisieren. (lacht) In der Landesliga ist es eben so, dass es gleich kritisch wird, wenn ein, zwei Stützen ausfallen. Ich hatte den Laden zusammengehalten und den anderen Sicherheit gegeben, das fehlte ihnen später. Damit kam für mich dennoch der richtige Zeitpunkt, mich aus dem Herrenfußball zurückziehen.

SPOX: Dafür sind Sie nun der Superstar der Rathenower Altherrenmannschaft. Bei Ihrem letzten Einsatz führten Sie Ihr Team mit drei Toren und einer Vorlage zum 5:1-Sieg und der Spielbericht hatte die Überschrift: "Jörg Heinrich machte den Unterschied." Ganz vom Fußball kommen Sie nicht los?

Heinrich: Fußballspielen an sich macht Spaß, es ist jedoch mehr als das. In der Mannschaft sind viele Kumpels, mit denen ich im Sandkasten aufgewachsen bin. Daher kann ich das eine mit dem anderen verbinden: Wenn ich mag, kann ich einfach am Wochenende vorbeikommen, mich fithalten und mit den Jungs Zeit verbringen.

SPOX: Vor Rathenow spielten Sie beim Ludwigsfelder FC, dem damaligen Oberligisten Union Berlin, TSV Chemie Premnitz und SC Oberhavel Velten. Warum hört ein gefeierter Ex-Nationalspieler nicht einfach auf?

Heinrich: Das ist wie bei Rathenow: Es waren alles Geschichten mit Kumpels. Ein Manager, den ich schon 20 Jahren kenne, fragte mich einfach, ob ich nicht beim Ludwigsfelder SC mittrainieren will, und ich bekam schnell Lust auf mehr. Daraufhin bat Union um Hilfe, damit der Klub so schnell wie möglich wieder aufsteigt, und da ich ohnehin aus der Nähe stamme und die Fans absolut überragend sind, habe ich zugesagt. Als der Aufwand aber zu groß wurde mit ein, zwei Trainingseinheiten pro Tag und ich zudem noch einen Bandscheibenvorfall erlitt, hörte ich auf und orientierte mich unterklassig. Über Freunde bin ich in Premnitz, Velden und jetzt wieder in Rathenow gelandet.

SPOX: Parallel trieben Sie Ihre zweite Karriere voran und übernahmen Ende 2005 den Sportdirektor-Posten bei Union Berlin. Im März 2007 übergaben Sie allerdings die Aufgaben überraschend an Christian Beeck. Seitdem war nicht mehr viel von Ihnen zu hören. Was ist geschehen?

Heinrich: Es war eine interessante Erfahrung und ich probierte es eine Weile aus, bis ich merkte, dass es nicht mein Ding ist und ich in dem Beruf nicht aufgehe. Ich konnte mir davor nicht vorstellen, wie stressig und zeitraubend der Job ist - daher sagte ich: 'Lass es lieber jemand anders machen, dann sind alle glücklicher.' Außerdem gibt es in der Branche einige schwarze Schafe, deren Umgang nicht immer schön und ehrlich ist.

SPOX: Sie haben mit dem Fußball abgeschlossen?

Heinrich: Nein, im Gegenteil. Ich hatte Zeit zum Durchschnaufen und bin wieder bereit. Mit dem Abstand kam die Lust zurück. Ich sehe mich allerdings nicht im Büro sondern eher im Trainerberuf und schloss deswegen im März die Fußballlehrer-Ausbildung ab. Wobei ich nicht auf Teufel komm raus einer Stelle nachjage. Ich kann mir alles vorstellen, vielleicht etwas im höherklassigen Jugendbereich, vielleicht als Co-Trainer, vielleicht gleich als Chefcoach - aber es muss passen. Ich habe in Berlin sowie Rathenow zwei Sportgeschäfte und bin nicht auf dem Sprung.

SPOX: Seit Ihrem letzten Bundesliga-Spiel 2004 war kaum mehr etwas über Sie zu lesen. Die Ausnahme: Wann immer es einen großen Transfer gibt, taucht ihr Wechsel von Dortmund nach Florenz auf. Mit der damaligen Ablöse von umgerechnet 12,6 Millionen Euro waren Sie neun Jahre lang sogar der teuerste Deutsche aller Zeiten und liegen noch heute in den Top Ten. Verstehen Sie, dass einige darüber erstaunt sind?

Heinrich: Nicht wirklich, ich war zu der Zeit echt kein Schlechter! (lacht) Ich kam ja erst mit 24 in die Bundesliga und hatte eine sehr gute Phase, in der ich mich halbjährlich stetig gesteigert habe. Am Ende war der Wechsel nach Florenz nur die logische Konsequenz.

SPOX: Gleich für 12,6 Millionen Euro?

Heinrich: Ich hatte vor schon gehört, dass mich der damalige Florenz-Trainer Giovanni Trapattoni ziemlich gut finden würde. Als ich mit der Nationalmannschaft unterwegs war, erzählten die Bayern-Spieler, dass Trapattoni vor den Spielen gegen Dortmund immer extra betont hat, dass man auf mich aufpassen soll. Umso mehr freute ich mich, als Trapattoni eines Tages am Telefon war und mir von den großen Plänen in Florenz erzählte. Ich musste nicht lange überlegen und weil Florenz offensichtlich das meiste Geld an Dortmund gezahlt hat, kamen wir rasant zu einer Einigung.

SPOX: Es soll Angebote von Weltvereinen gegeben haben.

Heinrich: Das stimmt, ich hatte unter anderem mit Inter Mailand, Parma, das damals sehr stark war, Arsenal und Atletico Madrid gesprochen. Doch irgendwie kam nie etwas Konkretes heraus, weil Dortmund eine riesige Mannschaft beisammen hatte und uns so lange wie möglich zusammenhalten wollte. Daher bleib ich ein bisschen länger als geplant und bin erst 1998 gegangen.

Teil II: Jörg Heinrich über die Bayern-Avancen und seine Erwähnung in der Beckham-Biografie

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