Kevin de Bruyne: "Ich kann böse werden"

Von Interview: Haruka Gruber / Jan Wunder
Kevin de Bruyne ist für ein Jahr von Chelsea an Werder Bremen ausgeliehen
© Imago

Das Antlitz eines Knaben, aber die Wortgewalt eines Leaders: Chelseas Toptalent Kevin de Bruyne soll sich in Bremen zum Star entwickeln. Deswegen verlieh ihn der Champions-League-Sieger für ein Jahr an Werder. Sein Anspruch: das Maximum.

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SPOX: Mit dem Turniersieg beim LIGA total! Cup feierten Sie einen gelungenen Einstand in Bremen. Wie lautet Ihr Fazit nach den ersten Tagen mit Werder?

Kevin de Bruyne: Es war okay und so kann es weitergehen. Im modernen Fußball geht es um Ballbesitz und Bremen hat das schon gut umgesetzt. Vor allem in den ersten 20 Minuten gegen Dortmund haben wir gut gespielt und uns nur bei den Gegentoren als Mannschaft blöd angestellt. Dennoch war es nicht mehr als ein netter Beginn. In der Vorbereitung stehen andere Dinge als das Gewinnen im Vordergrund: sich körperlich in Form bringen, die Mitspieler kennenlernen.

SPOX: Was wissen Sie über die Bundesliga?

De Bruyne: Ich interessiere mich seit langem für den deutschen Fußball und schaute früher schon die "Sportschau".

SPOX: Sie können Deutsch?

De Bruyne: Zuhören ist in Ordnung, das Wichtigste verstehe ich. Aber selbst sprechen ist noch schwierig.

SPOX: Sie sind einer der spektakulärsten Zugänge in dieser Saison. Sind die Erwartungen zu hoch an Sie?

De Bruyne: Nein, das ist mein Anspruch. Ich will wichtig sein. Ich will das Maximum erreichen, so wie es mir mit Genk gelungen ist. Damals sagte auch jeder, dass wir nichts erreichen würden. Doch wir hörten nicht auf, an uns zu glauben - und schufen 2011 mit dem Gewinn der belgischen Meisterschaft etwas ganz Besonderes.

SPOX: Ist Bremen nicht zu jung, um große Ambitionen zu verfolgen?

De Bruyne: Das Alter ist egal. Ich spiele professionell Fußball seit ich 17 bin. Ich war in der Champions League. Ich habe schon sehr viel gelernt, obwohl ich erst 21 Jahre alt bin. Die Erfahrung kommt mit dem Erfolg.

SPOX: Sie hatten zahlreiche Angebote, aus denen Sie wählen konnten. Wie wichtig war es, dass Ihnen der ehemalige Bremer Marko Marin im Chelsea-Trainingslager dazu riet, sich zu Werder ausleihen zu lassen?

De Bruyne: Ich habe ein bisschen mit Marko gesprochen, das ist normal. Doch entscheidend war, was ich und meine Familie denken. Man sollte mehr als hundert Prozent hinter einer Entscheidung stehen. Denn dann bin ich überzeugt, dass sich alles zum Guten wendet.

SPOX: Trotz Ihres Alters ist es auffällig, dass Sie sich nicht verstecken und vorangehen. Im Februar kritisierten Sie öffentlich ihre Mitspieler von Genk mit den Worten: "Ich schäme mich für einige von ihnen. Wenn sie nicht spielen wollen, sollen sie zuhause bleiben." Sehen Sie sich selbst als Leader?

De Bruyne: Ich bin direkt zu den Leuten. Und alles, was ich sage, kommt vom Herzen. Ich werde niemals lügen. Manchmal gibt es Situationen, in denen man nicht immer alles sagen sollte, vor allem nicht vor der Kamera. Aber zu dem damaligen Zeitpunkt hielt ich das für dringend nötig. Dass ich vom Klub nicht bestraft wurde, zeigt mir, dass ich nicht falsch lag. Das Wichtigste war: Nach meinen Aussagen spielten wir viel besser.

SPOX: Die neuen Mitspieler bei Werder müssen sich nicht vor Ihrer Wortgewalt fürchten?

De Bruyne: Manchmal kann ich böse werden. Und manchmal ist das nötig, um wichtige Punkte anzusprechen. Sonst bin ich aber ein entspannter Typ. (lacht)

SPOX: Der Plan von Chelsea lautet, dass Sie als fertiger Spieler nach dem Ende der Ausleihe zurückkehren. An welchen Schwächen müssen Sie arbeiten?

De Bruyne: Wie jeder andere Spieler habe ich Defizite, allerdings möchte ich nicht zu genau darauf eingehen. Im Fußball ist es entscheidend, die Stärken herauszustellen und vorhandene Schwachstellen zu verschleiern.

SPOX: Im neuen 4-3-3 von Bremen müssen alle Mittelfeldspieler nach hinten arbeiten, weil sonst die Balance fehlt. Was heißt das für Sie, nachdem Sie sich in Genk fast ausschließlich auf die Offensive konzentrieren konnten?

De Bruyne: Ich weiß es selbst nicht genau, weil ich mit Trainer Thomas Schaaf noch kein ausführliches Gespräch geführt habe. Ich muss mehr wissen, wie das Team funktioniert. Nach zwei Testspielen kann ich die Mechanismen noch nicht kennen, daher werden wir die Tage intensiv reden.

SPOX: Obwohl Sie ein offensiver Mittelfeldspieler sind, tragen Sie die Nummer 6, die Nummer eines defensiven Mittelfeldspielers. Zufall?

De Bruyne: Ja, da sollte man nicht zu viel hineininterpretieren, die Nummer ist nicht wichtig. Ich wollte die 14, weil ich sie mein Leben lang trage. Da sie jedoch an Aaron Hunt vergeben ist, wurde mir die 6 angeboten. Nicht mehr und nicht weniger.

SPOX: Sie sind neben Eden Hazard, Marouane Fellaini und Thibaut Courtois das Gesicht des neuen, talentierten belgischen Fußballs. Wann wird die Nationalmannschaft wieder erfolgreich sein?

De Bruyne: Es stimmt, in den letzten Jahren haben viele den Wechsel ins Ausland gewagt und sich durchgesetzt. Jetzt müssen wir uns als Team finden und anfangen, zusammenzuspielen. Dann können wir eine großartige Nationalmannschaft sein. Vielleicht gelingt uns auch schon die Qualifikation für die WM 2014. Das wäre sehr wichtig für das gesamte Land.

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