Manuel Neuer steht vor seiner zweiten Saison beim FC Bayern. Sein erstes Jahr kannte Höhen und Tiefen. Jetzt muss er seine Leistung stabilisieren und zum Führungsspieler aufsteigen.
Manuel Neuer schaut nicht zurück. Erinnerungen an den 1. Spieltag der vergangenen Saison sind für ihn Spielereien der Medien. Es war kein guter Auftakt für den FC Bayern und kein guter Einstand für Manuel Neuer. Die Münchner verloren zuhause 0:1 gegen Borussia Mönchengladbach, auch weil Neuer ein ungewohnter Fehler unterlief.
Es blieb nicht sein einziger Patzer in dieser Spielzeit. Im Rückspiel gegen Gladbach leitete ein missglückter Abschlag die erneute Niederlage ein, in Mainz rutschte ihm ein Fernschuss durch. Neuer stellte sich den Kritiken, suchte keine Ausreden und ging offen mit den Fehlern um. "Dann habe ich sie auch schneller wieder vergessen und bin freier für das nächste Spiel."
"Koan Neuer" ist Geschichte
Es scheint gewirkt zu haben. Neuer leistete sich zwar einzelne Schwächemomente, stabilisierte seine Leistung aber auf einem hohen Niveau und war am Ende der Saison in den entscheidenden Momenten zur Stelle. Er hielt im Elfmeterschießen gegen Gladbach, er vernagelte das Tor in Madrid und er trat im Champions-League-Finale sogar selbst als Schütze an.
Man kann Neuer nicht vorwerfen, dass er sich in seinem ersten Jahr in München versteckt hätte. Trotz des Gegenwindes, der ihm nach seinem Wechsel von manchen Fangruppierungen entgegenblies. "Koan Neuer" ist längst Geschichte. Ebenso die Diskussion, ob eine Ablöse von 20 Millionen Euro für einen Torwart gerechtfertigt ist, der auf Schalke nur noch ein Jahr Vertrag hatte.
Neuer: "Ich erwarte mehr von mir"
Aber Neuer weiß auch, dass seine erste Saison "nicht überragend" war. "Ich erwarte mehr von mir." Die ganze Wechsel-Thematik habe ihn schon beschäftigt, dazu ein neues Umfeld und eine andere Situation beim FC Bayern. "Außerdem war es - konkret auf das Torwartspiel bezogen - eine Umstellung von Schalke zu Bayern." In München gibt es weniger Gelegenheiten sich auszuzeichnen, dafür werden Fehler mit größerer Kritik bestraft.
Neuer hat sich davon nicht beeindrucken lassen und sich an die neuen Gegebenheiten angepasst. Dass er auf dem richtigen Weg ist, hat er in den großen Spielen bewiesen. Ausrutscher wie in der Vorsaison oder in zwei Testspielen gegen den 1. FC Kaiserlautern und Werder Bremen muss er aber abstellen. Wie die gesamte Mannschaft muss auch Neuer mehr Konstanz in seine Leistung bringen, um wieder den gewünschten Erfolg zu haben.
Sammer nimmt Neuer in die Pflicht
Dabei ist er nicht nur als Torwart gefragt. Matthias Sammer hat explizit erklärt, dass Neuer gemeinsam mit Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger als Führungsspieler vorangehen muss.
"Der Geist des FC Bayern muss auch auf sie wirken. Sie müssen lernen, ein Bündnis für diesen Verein einzugehen. Sie müssen sich respektieren, sie müssen sich akzeptieren im Interesse des Vereins. Sie haben ein wichtige Aufgabe, die Mannschaft als verlängerter Arm des Trainers auf und neben dem Platz zu führen, sogar mit zu erziehen", sagte der Sportvorstand etwas übertrieben poetisch.
Von einer neuen Rolle will Neuer nicht sprechen. Es sei aber auch klar, dass er in seiner ersten Saison "nicht mit ausgefahrenen Ellbogen in die Kabine gekommen" ist und gleich das Revier für sich beanspruchte. "Ich musste erst mal alles beobachten und den Verein kennenlernen. Inzwischen habe ich mich so angepasst und integriert, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann. Ich will in der neuen Saison meiner Führungsrolle noch mehr gerecht werden."
Thon-Kritik lässt Neuer kalt
Dass Olaf Thon ihn im "Kicker" als "Anfänger" bezeichnete, "wenn es darum geht, eine Mannschaft als Leader zu führen", kann Neuer nicht nachvollziehen. Er verweist auf seine Zeit als Kapitän auf Schalke, in der er in der Mannschaft die Richtung vorgab und trotz großer Namen unumstritten war. Wie gut sein Standing war und schwer seine Nachfolge ist, zeigt auch die aktuell schwierige Situation von Benedikt Höwedes.
Was er davon hält, dass Thon ihn als zu brav bezeichnet? Neuer rollt mit den Augen, legt die Stirn in Falten und sagt: "Es bringt nix, immer mit dem Hammer draufzuschlagen. Wir haben verschiedene Spielertypen, die unterschiedlich angesprochen werden müssen."
Wie so oft treffen hier Ansichten zweier grundverschiedener Spielergenerationen aufeinander. "Wir versuchen gemeinsam, das Team zu führen", sagt Neuer über das Triumvirat mit Lahm und Schweinsteiger. "Jeder von uns hat in seiner Karriere schon viel erlebt und schon die Kapitänsbinde getragen. Es ist gut, dass wir zusammen sind und die Richtung vorgeben."
Klare Ansagen von Neuer
Neuer hat sich der Herausforderung gestellt. Er wirkt in den Gesprächen erwachsener und ernster. Sein bubenhaftes Lachen, das er früher mit vielen Antworten verknüpfte, ist fast komplett verschwunden. Dafür formuliert er klare Ansagen: "Es darf keiner ausscheren, wir müssen alle zusammenhalten, jeder muss für den anderen da sein."
Es könnte eine fruchtbare Zusammenarbeit sein für den FC Bayern. Neuer versteht sich gut mit Schweinsteiger und Lahm. Vor allem mit dem Kapitän ist er auch privat des Öfteren zusammen.
Schädlichen Tendenzen wird das neue Führungstrio entschieden entgegentreten. "Wenn man das alleine beobachtet und versucht zu korrigieren, ist das schwierig. Wenn man zu dritt ist, kann man alles besser kontrollieren und auf die Mitspieler einwirken. Wir haben in dieser Combo die richtigen Leute gefunden."
Manuel Neuer im Steckbrief