Am 3. Juli wurde Matthias Sammer als Sportvorstand beim FC Bayern München vorgestellt. 100 Tage später ist es Zeit für eine erste Bilanz. Ein Rückblick auf die sieben wichtigsten Momente seiner Anfangszeit.
Die Idee Sammer: Omnipräsenz erwünscht
Nach und nach sollte Christian Nerlinger als Nachfolger von Uli Hoeneß aufgebaut werden. Nerlinger hatte als Ex-Spieler des FC Bayern "Stallgeruch" und war damit legitimiert, die Aufgaben des allmächtigen Managers zu übernehmen. Doch Nerlinger konnte sich nie zur Zufriedenheit der Bosse emanzipieren. Nerlinger habe "gewisse Schwächen" in der Außendarstellung offenbart, erklärte Hoeneß zuletzt im "Spiegel"-Interview.
Nerlinger hätte auch der Gewinn der Champions League nicht vor einem Rauswurf bewahrt. "Dann hätten wir das Arbeitsverhältnis am 1. Januar 2013 beendet", so Hoeneß. Der Präsident war die treibende Kraft hinter dem Sammer-Coup. Hoeneß wollte einen omnipräsenten Mann, der motiviert und auch mal dazwischenhaut. "Es hat sich gezeigt, dass wir für diese Position einen Mann brauchen von der Ausstrahlung und von der Stärke nach außen, wie sie Matthias hat", sagte Hoeneß rückblickend.
Im Gegensatz zu Nerlinger fehlt Sammer der "Stallgeruch", umso bemerkenswerter war die Aussage von Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge anlässlich Sammers Vorstellung am 3. Juli, Sammer sei das "Herzstück" des FC Bayern. Und der neue Sportvorstand traf sofort den Nerv der Bosse. "Es ist nicht gut, sich zu bedauern und darauf zu hoffen, dass die anderen einen bedauern. Das geht woanders, aber nicht beim FC Bayern. Die schlimmste Situation wäre jetzt Selbstmitleid."
Sammers 1. Neuzugang: Zu mir erst später
Der Transfer von Mario Mandzukic wurde zwar schon vor der Verpflichtung Sammers perfekt gemacht, die offizielle Vorstellung des Kroaten war aber die erste öffentliche Aufgabe des neuen Sportvorstands. Dementsprechend groß war auch das Interesse an Sammer. Der verriet zwar, dass er den Transfer zwar nicht selbst eingefädelt hatte, aber "natürlich über die Vorgänge informiert" gewesen sei.
Fragen zu seiner Person und seinen Vorstellung wiegelte er vornehmlich ab, er werde sich "in gewohnter Deutlichkeit zu gewissen Dingen äußern". Der 13 Millionen Euro schwere Neuzugang Mandzukic sollte im Fokus stehen. Kein leichtes Unterfangen, denn immer wieder richteten sich die Fragen an ihn.
Sammer ließ sich dann ein paar Sätze über die geforderte Demut der Spieler, Egoismen aller Art und Härtefälle entlocken. Am Ende ging er mit dem Satz: "Ich habe schon viel mehr gesagt als ich eigentlich wollte."
Sammers 1. PK: Die Regierungserklärung
Schon bei der Vorstellung Mario Mandzukics war Matthias Sammer die gefragte Person, aber der neue Sportvorstand verwies auf "demnächst", um seine Regierungserklärung abzugeben, die dann wenige Tage später im Trainingslager am Gardasee erfolgte.
Sammer erklärte fast eine Stunde lang wort- und gestenreich, wie er sich den FC Bayern unter seiner Führung vorstelle. Sammer hatte sich trotz anfänglichem "Schleudertrauma" schnell einen Überblick schaffen können, hatte klare Vorstellungen. Das Sammer'sche Credo formulierte er klar und deutlich: "Wir brauchen unsere eigene Identität und unsere eigene Stärke. Wir brauchen Nirgendwo hinschauen. Die wahre Stärke liegt in der eigenen Denkweise und in der eigenen Orientierung. Nicht nur, weil es Bayern München ist."
Sammer war bestimmt, klar in der Aussage, hatte aber auch die nötige Portion Bescheidenheit im Gepäck. "Diese gebietet sich", sagte Sammer damals.
Sammers 1. Zwischenfazit: "Ich bin nicht der perfekte Mann"
Der FC Bayern hatte noch kein Pflichtspiel absolviert, als Matthias Sammer am 15. August zum Interview-Marathon antratund ein erstes Zwischenfazit zog. Ähnlich wie am Gardasee nahm sich Sammer wieder viel Zeit, um seine Denkweise zu erläutern.
Sammer hatte das "Schleudertrauma" längst überwunden, war in der Analyse des Ist-Zustands weit fortgeschritten, dass er ein für sich beruhigendes Zwischenfazit ziehen konnte: "Die Frage ist immer: Liegt das Problem an der Basis oder im Detail? Wenn es an der Basis liegen würde, dann müssten wir uns grundsätzliche Sorgen um den Klub machen. Aber an der Basis liegt es nicht, Bayern ist ein Riesen-Klub."
Auffällig blieb Sammers Bescheidenheit in Bezug auf die eigene Rolle ("Ich bin nicht der perfekte Mann"). Sammer sprach mutig davon, dass er seine Konsequenzen ziehen würde, wenn er langfristig nicht zum FCB passen würde: "Jetzt sagt man: Jetzt kommt der Sammer dazu, geht das denn gut? Ja wenn es nicht gut geht, muss ich wieder gehen. Es geht um Bayern München. Wenn ich nicht in der Lage bin, mich in diesen Klub, trotz einer eigenen Denkweise, zu integrieren und anzuerkennen, was hier organisch über Jahre hinweg gewachsen ist, dann habe ich auch keine Berechtigung, hier zu sein."
Seite 2: Sammer kontert Hoeneß und streitet mit Heynckes
Sammers 1. Konter: Gegengewicht zu Hoeneß
Es waren mehr oder weniger ein paar Freundschaftsspiele, die auf hohem Niveau ausgetragen wurden in Hamburg. Der LIGA total! Cup war ein sinnvolles, aber dennoch nicht richtungweisendes Zusammenkommen wichtiger Bundesliga-Klubs. Matthias Sammer nutzte aber die Bühne für seinen ersten Konter Richtung Chefetage und zeigte, dass er auch anders kann.
Wenige Tage zuvor hatte Bayerns Präsident Uli Hoeneß bei einer Fan-Veranstaltung Mario Gomez öffentlich kritisiert sagte u.a., dass Mario Gomez "gut, aber nicht sehr gut", sei.
Sammer schützte den Angreifer mit offenen Worten: "Der Präsident hat alle Rechte, aber so richtig hat uns das nicht gefallen. Dass er öffentlich kritisiert wird, lassen wir nicht zu. Der Präsident ist eine Persönlichkeit, die diesen Verein sehr geprägt hat. Aber wie er selbst sagt, wenn wir den Schritt von gut zu sehr gut machen wollen, müssen wir das in allen Teilen des Vereins machen."
Der Martinez-Transfer: Die gewünschte Persönlichkeit
Das verlorene Finale dahoam nagte lange an Jupp Heynckes. Am ersten Trainingstag Anfang Juli machte der Coach mit einem Satz deutlich, was seiner Mannschaft im Champions-League-Endspiel fehlte. "Didier Drogba hat uns in der 88. Minute den Ball ins Tor geköpft. Den bring' ich doch vorher um auf dem Feld."
Diese Kompromisslosigkeit, gepaart mit fußballstrategischen Fähigkeiten war dem FC Bayern 40 Millionen Euro wert. Ende August hatte das Tauziehen um Javi Martinez ein Ende: der spanische Nationalspieler wechselte als teuerster Einkauf der Bundesliga-Geschichte von Athletic Bilbao nach München. "Er ist ein Gigant, der in der Rückwärtsbewegung den Laden zusammenhält", urteilte Rafa Beato, Bilbao-Korrespondent der Zeitung "Marca".
Laut Heynckes verkörpert Martinez den "Spielertyp, den man im modernen Fußball auf der Sechser-Position braucht. Javi kann das Spiel lesen, er sieht das ganze Feld. Und er kann auch mal ordentlich dazwischenhauen." Sammer setzte sich vehement für Martinez' Verpflichtung ein. Er sah in ihm einen Spieler, der dem Gegner mehr weh tun kann als andere, der das Spiel des Gegners zerstört und das eigene belebt. Und Martinez brachte als Welt- und Europameister Siegermentalität mit. "Er ist der Spieler, der uns gefehlt hat", sagte Sammer.
Der 1. Zoff: Heynckes, Sammer und der Friedensgipfel
Der FC Bayern startet mit einer beeindruckenden Serie in die neue Saison. Sieg im Supercup gegen Dortmund, Sieg im Pokal gegen Regensburg, Sieg in der Champions League gegen Valencia, dazu sechs Bundesligasiege am Stück. Eigentlich alles in Butter. Nur nicht beim FC Bayern und Matthias Sammer.
Der nimmt die durchwachsene Leistung in Bremen zum Anlass, dem Team erstmals die neue Gangart zu präsentieren. Lange Zeit sei es "ein richtiger Käse" gewesen, viele Spieler seien "lätschern" gewesen. Sammer will vor dem Auswärtsspiel in Minsk bei BATE Borissow keinen Schlendrian aufkommen lassen und fordert in jedem Spiel von seiner Mannschaft volle Leistungsbereitschaft.
Mit seiner Kritik trifft er aber offenbar einen empfindlichen Nerv des Trainers. Obwohl Sammer am Montag behauptet, die Aussagen seien mit Heynckes abgestimmt gewesen, bezeichnet der Trainer diese als "überzogen. Mit der Form, Art und Weise war ich nicht einverstanden." Einen Tag nach der Niederlage legt Heynckes am Minsker Flughafen nach, er wirft Sammer wegen seiner öffentlichen Kritik "Populismus" vor.
Die Reaktion des Vereins: Ein Friedensgipfel an der Säbener Straße mit Heynckes, Sammer und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. "Ich bleibe dabei zwischen Jupp Heynckes und mich passt kein Blatt Papier", sagt Sammer. Heynckes meint: "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren."
Wegzuwischen ist der öffentliche Disput der sportlichen Führung aber nicht und dass sich die Bosse Rummenigge und Uli Hoeneß in der Sache auf Sammers Seite geschlagen haben, wird auch Heynckes registriert haben.
Die Termine des FC Bayern in der Saison 2012/13