Es ist nun bald ein Jahr her, da sorgte Borussia Dortmund in der Winterpause für deutschlandweites Aufsehen. Die Meldung, dass Marco Reus im Sommer für 17,1 Millionen Euro zum BVB wechseln werde, kam für viele überraschend und war zugleich ein kräftiges Signal an die gesamte Bundesliga.
Eine solche Nachricht wird es jetzt im Winter nicht geben. Dennoch hat der deutsche Meister auf dem Transfermarkt zugeschlagen - er hat sich nur einige Regale tiefer bedient.
Mit Torhüter Hendrik Bonmann und Innenverteidiger Marian Sarr hat Dortmund zwei junge Talente verpflichtet, die zur neuen Saison (Bonmann) beziehungsweise bereits im Januar (Sarr) bei den Schwarzgelben anheuern werden.
Beide Spieler sollen über die U-23-Mannschaft langfristig an den Profikader herangeführt werden. Die zweite Mannschaft der Borussia rangiert zur Winterpause auf dem 19. Tabellenplatz der 3. Liga und befindet sich in akuter Abstiegsgefahr.
Auch die A-Jugend des BVB ist derzeit kein Ruhmesblatt. In der Bundesliga West stehen 18 Zähler Rückstand auf Platz 1 zu Buche, der letzte Meistertitel liegt bereits 14 Jahre zurück. Vor diesem Hintergrund bemängelte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auch kürzlich die Jugendarbeit in seinem Verein. "Im Moment gibt es wenig, was bei uns für großartige Jugendarbeit spricht", sagte Watzke.
Damit nicht nur ein Top-Spieler wie Mario Götze den Sprung nach ganz oben schafft, schaut sich der BVB weiterhin nach den größten Talenten des Landes um - und hat in Bonmann und Sarr nun zwei davon zu sich gelotst.
Hendrik Bonmann (18 Jahre, kommt von Rot-Weiss Essen, Vertrag bis 2015)
Die Hardliner unter den BVB-Anhängern werden sagen: "Ein Ex-Schalker!". Und in der Tat heuerte der gebürtige Essener mit zehn Jahren in der Jugend des FC Schalke 04 an und genoss dort seine Ausbildung zum Torhüter. Die endete jedoch in der U 15, da Bonmann den Königsblauen mit einer Körpergröße von rund 1,70 Meter zu klein erschien.
So ging es 2009 zurück nach Essen, wo mit sechs Jahren bei Fortuna Bredeney alles angefangen hat. "Als ich noch ein kleiner Junge war, hat mein Großvater mit mir vor dem Garagentor trainiert", erinnert sich Bonmann an diese Zeit. Derselbe Opa war es auch, der ihn früh ins Dortmunder Stadion mitgenommen hat - "seitdem schlägt mein Herz schwarzgelb", wie der 18-Jährige heute sagt.
Bei RWE machte Bonmann einen gehörigen Sprung in seiner Entwicklung und stieg in der Vorsaison in die U-19-Bundesliga West auf. In der aktuellen Spielzeit kassierte er zwischen September und Dezember in neun Partien nur einen Gegentreffer, zwischendurch hielt er über neun Stunden den Kasten sauber. Bonmann selbst macht darum nur wenig Aufhebens: Auf "ein Elftel" beziffert er seinen Anteil an der gegentorlosen Serie seines Teams.
Trainer Marco Rudnik, der im Sommer nach Jahren bei der U 17 die A-Junioren übernahm, lobt seinen Keeper: "Die Kommunikation mit seinen Vorderleuten läuft nahezu perfekt. So lassen wir unseren Gegnern nur wenig Räume und Chancen. Die Schüsse, die trotzdem auf das Tor gekommen sind, hat er überragend gehalten." Der Lohn für den mittlerweile 1,94-Meter-Mann: Neben den drei bis vier Trainingseinheiten, die er pro Woche bei der Regionalligamannschaft absolviert, kam Bonmann im Dezember zwei Mal in Folge "ganz oben" zum Einsatz.
Sein Debüt feierte er dabei vor über 10.000 Zuschauern beim 2:1-Heimspielsieg im Derby gegen Oberhausen und überzeugte durch Strafraumbeherrschung, Ruhe und tolle Reaktionen. "Vor dem Anpfiff war ich schon ein wenig nervös, danach war das aber wie weggeblasen. Das hat mich selbst ein wenig gewundert. Es war ein Super-Gefühl, bei einem so wichtigen Spiel zwischen den Pfosten zu stehen", lautete Bonmanns Resümee.
Blöd nur für RWE: Der Vertrag des angehenden Abiturienten läuft am Saisonende aus und so standen in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Klubs auf der Matte, die das aufstrebende Talent zu sich lotsen wollten. Bei seinem Lieblingsklub wird Bonmann zur neuen Saison den Kampf mit Zlatan Alomerovic um die Nummer eins aufnehmen. Übrigens: Auch Schalke soll im Rennen um Bonmann gewesen sein, doch angeblich habe er sich das Angebot der Knappen nicht einmal angehört - das dürfte den Hardlinern wiederum gefallen.
Marian Sarr (17 Jahre, kommt von Bayer Leverkusen)
Während Bonmann berechtigte Chancen hat, bis zu seinem Wechsel weitere Erfahrung in der Regionalliga zu sammeln, ist Marian Sarr dort seit Anfang November nicht mehr aufgelaufen.
Dabei war der 17-Jährige während der Vorbereitungsphase im Sommer noch einer der Gewinner im Kader von Leverkusens U 23. Trainer Ralf Minge zog den linken Innenverteidiger, der eigentlich noch für die U 19 auflaufen könnte, vorzeitig nach oben und setzte ihn in der Hinrunde zehn Mal ein - so oft wie keinen anderen Abwehrspieler.
Seine letzten sechs Partien absolvierte der Linksfuß jeweils über die vollen 90 Minuten und zeigte sich dabei hervorragend im Spielaufbau, körperlich robust und kopfballstark. Doch das Tauziehen im Hintergrund und die Angebote, die bei Sarr eintrudelten, nahm Bayer zum Anlass, um den wechselwilligen Spieler nicht mehr einzusetzen (auch nicht bei den A-Junioren) und stattdessen einem anderen Akteur einen Platz im sogenannten Kompetenzkader zu ermöglichen.
Der Wechsel nach Dortmund, der bereits zum 1. Januar 2013 greift, hat unterm Bayer-Kreuz Spuren der Enttäuschung hinterlassen. "Es ist sehr bedauerlich und hat auch viel Frust ausgelöst. Wenn man eine gute Jugendarbeit macht und etwa vier Millionen Euro im Jahr darin investiert, dann möchte man die Früchte auch ernten. Wir haben alles für ihn getan und alles versucht. Er hätte bei guten Leistungen bei uns in einer Dimension verdienen können wie noch kein Jugendspieler zuvor", sagt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.
Sarr wollte die Offerte aus Dortmund aber unbedingt annehmen, wie Manager Michael Reschke durchblicken lässt: "Es war keine einfache Entscheidung für uns. Hätte man auf Vertragserfüllung bestehen sollen, vielleicht sogar müssen? Aber es war sein großer Wunsch und es gab nach vielen Gesprächen die Situation, in der man sagen musste: Es ist für alle Beteiligten das Beste."
Dennoch will Holzhäuser, der gar kurzzeitig darüber nachdachte, die Vertragserfüllung Sarrs "arbeitsrechtlich durchzufechten", mittels des DFB-Kontrollausschuss untersuchen, ob ein lizenzierter Berater dazu befähigt ist, einen Jugendspieler zum Vertragsbruch zu bringen.
Immerhin: Leverkusen bekommt für Sarr, dessen Vertrag noch bis 2016 lief, eine Ablöse. Diese setzt sich aus einer unbekannten Fixsumme und einer zusätzlichen Staffelung für mögliche Einsätze in der Bundesliga zusammen.
Der Ärger über den Abgang des wie Bonmann in Essen zur Welt gekommenen Sarr ist verständlich. Vielleicht biss man ob der Transfermeldung auch bei Dortmunds Rivale Schalke in die Tischkante. Dort kickte Sarr nach Stationen in seiner Geburtsstadt bis 2008 und ging eben dann nach Leverkusen, wo auch Sarrs Bruder Wilfried spielt (B-Junioren).
Als Bayer-Spieler durchlief Marian seit der U 15 alle Junioren-Nationalteams des DFB und war besonders bei der U-17-EM 2012 eine feste Größe im deutschen Team, das erst in einem bitteren Finalspiel den Niederlanden im Elfmeterschießen unterlag (Sarr verwandelte dabei den ersten deutschen Strafstoß). Sarr absolvierte in der Qualifikation, der Eliterunde und der Endrunde alle Partien über die vollen 80 Minuten.
Wie BVB-Sportdirektor Michael Zorc betonte, soll Sarr zunächst in der Dortmunder Nachwuchsabteilung weiterentwickelt werden. Dort könnte er eines Tages die Borussen-Innenverteidigung der Zukunft komplettieren - an der Seite von U-19-Nationalspieler Koray Günter.
Borussia Dortmunds U 23: Der Kader im Überblick