Künstler, der Heiland und kauzige Burschen

Von SPOX
Vier Köpfe der Hinrunde: Felix Magath, Rene Adler, Christian Streich und Juan Arango (v.l.)
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Die Hinrunde der 50. Bundesliga-Saison ist zu Ende. Geliefert hat sie wie immer allerhand Geschichten. Absurdes und Chaotisches, Fröhliches und Trauriges, Aufsteiger und Absteiger. Und eine fast schon nervtötende Debatte.

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Der Spieler der Hinrunde: Alexander Meier

Im Januar wird Alex Meier 30 Jahre alt. Allerspätestens dann wird man nicht mehr von einem hoffnungsvollen deutschen Talent sprechen können. Und in die Nationalmannschaft wird es Meier nach menschlichem Ermessen wohl auch nicht mehr schaffen. Es sei denn, die geplante USA-Reise im kommenden Sommer muss gänzlich ohne Bayern- und Dortmund-Spieler angetreten werden. Und trotzdem hat Meier diese Vorrunde entscheidend geprägt. Elf Tore und zwei Vorlagen hat Meier zusammengetragen und damit seine mit Abstand beste Halbserie in der Bundesliga hingelegt. Lediglich Leverkusens Stefan Kießling hat bisher öfter getroffen (zwölfmal). Offenbar wird Meiers Spiel von den Gegnern immer noch ein wenig unterschätzt, vielleicht auch auf Grund seiner stoischen Art. Das sollte sich schleunigst ändern. Sonst gewinnt Meier am Ende tatsächlich noch die Torjägerkanone. Als Mittelfeldspieler.

Die Enttäuschung der Hinrunde: Felix Magath

In Wolfsburg spielte Geld wieder einmal kaum eine Rolle. Also verschob Felix Magath die Ware Fußballprofi wieder wie auf vielen anderen seiner Stationen als Trainer. Am Ende umfasste der Kader unglaubliche 36 Spieler, ein Drittel davon steht unter dem Verdacht, nur ein kostspieliger Bilanzposten zu sein ohne reelle Chance auf nachhaltige Einsätze. Oder kann sich noch jemand an Namen wie Hrvoje Cale, Soritios Kyrgiakos, Ferhan Hasani, Mateusz Klich oder Slobodan Medojevoc erinnern? Das Modell Magath hat auf diese Weise ja auch schon funktioniert. Nur krachte es dieses mal in Wolfsburg mit 180 Sachen gegen die Wand. Als Magath gehen musste, war der VfL Tabellenletzter. Die totale Fokussierung und Bündelung aller Entscheidungsgewalt bei nur einer Person hat bei den Wölfen einen Trümmerhaufen hinterlassen. Magaths Erben sind nun gerade dabei, diesen nach und nach abzutragen.

Der Trainer der Hinrunde: Christian Streich

Sein badisches Idiom ist wirklich gewöhnungsbedürftig. Auch seine Art passt sicherlich nicht jedem. Dieses Kauzige, Unvorhersehbare. Was Christian Streich aber aus einer leblosen Mannschaft innerhalb der letzten zwölf Monate gebastelt hat, verdient das Prädikat "besonders wertvoll". Streich will sich nicht den neumodischen Begriff des Konzepttrainers anheften, obwohl seine Mannschaft mit so viel Augenmaß und Plan auf dem Platz agiert wie nur wenige in der Liga. Freiburg hat kein Geld und keine Stars. Also müssen Alternativtechnologien gefunden werden. In Freiburg heißen die: Spielidee, Flexibilität, Gemeinschaftssinn. Ihr Bauherr und Moderator ist Streich, auch wenn der das eine oder andere Mal mit seinem Verhalten vielleicht übers Ziel hinausschießt. Das wiederum rückt ihn in die Nähe eines Großen der Liga. Jürgen Klopp wurde mit einer ähnlichen Art zuletzt zweimal Trainer des Jahres.

Der Aufsteiger der Hinrunde: Eintracht Frankfurt

Es ist die beste Vorrunde seit der Herbstmeisterschaft 1993/94 und die beste Hinrunde eines Aufsteigers nach Kaiserslautern und Hoffenheim. Die erste Niederlage setzte es am 7. Spieltag, bis dahin hatte die Eintracht aber schon den neuen Start-Rekord von 16 Punkten aufgestellt. Die Zugänge Trapp, Inui und Aigner schlugen voll ein, dazu spielt Frankfurt einen technisch versierten, schnellen Offensiv-Fußball. Und hat aus der Vergangenheit gelernt. Vor zwei Jahren ging die Eintracht mit 26 Punkten in die Winterpause und hatte sofort das Gerede vom UEFA-Cup am Hals. Am Ende stand der jämmerliche Abstieg. Diesmal dreht in Frankfurt keiner mehr durch.

Der Aufreger der Hinrunde: Szabolcs Huszti

Es war ein Spiel wie gemalt. Hannover 96 bekämpfte den Nordrivalen Werder Bremen im kleinen Derby buchstäblich bis zur letzten Sekunde. Dann kam diese Flanke von links angeflogen. Szabolcs Huszti, davor schon als Torschütze und Vorbereiter auffällig geworden, legte sich quer in die Luft. Es sollte einer jener "echten" Fallrückzieher werden. Nicht die Billig-Variante, bei denen der Schütze noch ein Bein am Boden behält und sich dann ungelenk nach hinten fallen lässt. Der Ungar traf den Ball satt, Clemens Fritz fälschte noch leicht ab. Das 3:2 in der letzten Minute ließ in Hannover und bei Huszti alle Dämme brechen. Der rannte über die Bande, zog sich das Trikot vom Leib und kletterte auf den Zaun. Als sich der Trubel dann wieder einigermaßen gelegt hatte, machte sich die komplette Sinnlosigkeit des Regelwerks an diesem großen Moment zu schaffen. Der arme Deniz Aytekin als die Exekutive bornierter Gralshüter zeigte Huszti Gelb für den Mini-Striptease und nochmal Gelb für das Besteigen des Zauns. Nie zuvor lagen in der Bundesliga Genie (Huszti) und Wahnsinn (Regelwerk) enger beieinander.

Die Wutrede der Hinrunde: Bruno Labbadia

"Ich kann gewisse Dinge nicht akzeptieren, wenn der Trainer wie der letzte Depp dargestellt wird, als hätte er gar keine Ahnung. Die Zuschauer sind aufgewiegelt durch absolute Unwahrheiten. Holzhauser wäre nicht mehr beim VfB, wenn ich nicht mein Veto eingelegt hätte. Die Trainer sind nicht die Mülleimer von allen. Es ist eine gewisse Grenze erreicht. Vor 22 Monaten bin ich hier angetreten. Da hatten wir nur zwölf Punkte auf dem Konto. Da hat keiner mehr auch nur einen Pfifferling gegeben auf die Mannschaft. Danach habe ich sie in die Europa League geführt. Es wundert nicht, dass es beim VfB alle paar Monate einen neuen Trainer gibt. Als normaler Bundesliga-Trainer muss man sich die Frage stellen: Gehe ich einen schweren Weg mit? Oder sage ich: 'Am Arsch geleckt!' Das Fass ist absolut voll."

Das Drama der Hinrunde: Boris Vukcevic

Am 28. September krachte Boris Vukcevic auf dem Weg zum Training mit seinem Wagen frontal in einen LKW. Offenbar war Vukcevic als Folge einer akuten Unterzuckerung am Steuer ohnmächtig geworden; seit Jahren leidet der 22-Jährige an der Typ1-Diabetes. Zwei Wochen lang schwebte der Hoffenheimer in Lebensgefahr. Die gesamte Liga reagierte auf den schlimmen Unfall mit Solidaritätsbekundungen. Vukcevic ist mittlerweile nach sieben Wochen wieder aus dem Koma erwacht und zur stationären Behandlung in eine Reha-Klinik verlegt worden. Über seine Eltern meldete er sich vor dem 17. Spieltag erstmals wieder zu Wort: "Ich möchte alle grüßen und sie gleichzeitig bitten, mir die nötige Zeit und Ruhe zu geben, um wieder in mein Leben zurückzufinden." Ob Boris Vukcevic je wieder Fußballspielen kann, ist derzeit ungewiss.

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