"Mich reizt mittlerweile nichts mehr"

Jochen Tittmar
11. Februar 201316:16
Ioannis Amanatidis absolvierte 32 Länderspiele für Griechenland und schoss dabei drei ToreGetty
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Ioannis Amanatidis hat 198 Bundesligaspiele bestritten und dabei 54 Tore erzielt. Nach dem Abstieg von Eintracht Frankfurt 2011 wurde der Vertrag des Griechen mit zahlreichen Nebengeräuschen aufgelöst. Seitdem ist Amanatidis ohne Verein und steht nun kurz davor, seine Karriere offiziell zu beenden. Im Interview spricht der 31-Jährige über den enttäuschenden Abschied von der Eintracht, langweilige Interviews von Bundesligaprofis und erklärt die Gründe, warum er keinen Verein mehr gefunden hat.

SPOX: Herr Amanatidis, man hat lange nichts mehr von Ihnen gehört. Wo befindet sich Ihr derzeitiger Lebensmittelpunkt?

Ioannis Amanatidis: Ich lebe in Nikosia im griechischen Teil auf Zypern. Ich wollte mal weg aus Deutschland. Ich habe dort viele Freunde und Bekannte und das Wetter ist ja bekanntlich exzellent.

SPOX: Apoel Nikosia zog 2012 überraschend ins Champions-League-Viertelfinale ein. Haben Sie nach der Zeit in Frankfurt dort mal vorbeigeschaut?

Amanatidis: Nein. Ich habe mich seitdem schon noch fitgehalten und umgesehen. Ich hatte auch das eine oder andere Angebot vorliegen, aber nichts davon hat mir zugesagt. Es muss einem ja auch gefallen, Geld hin oder her. Da es nicht so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt habe, habe ich mich irgendwann dazu entschlossen, Dinge zu tun, die man während einer Karriere nicht tun kann: Individuell zu reisen oder einfach mal gar nichts tun. Mir hat die Pause gut getan. So langsam muss ich aber wieder etwas machen, weil es auch langweilig wird.

SPOX: Was steht an?

Amanatidis: Ich kümmere mich gerade um die bürokratischen Angelegenheiten, um Mitte des Jahres mit dem Trainerschein zu beginnen. Ich möchte dem Fußball treu bleiben, das war schon immer klar. Was dann aus mir wird, weiß ich jetzt noch nicht.

SPOX: Dann lassen Sie uns zurückblicken: Ihr Abschied aus Frankfurt verlief unschön. Er erweckte den Eindruck, dass man Sie nur noch loswerden wollte. Schmerzt Sie das noch?

Amanatidis: Das nicht, aber wie das Ganze abgelaufen ist und sich gewisse Personen mir gegenüber verhalten haben, war schon enttäuschend. Dennoch war diese Sache relativ schnell vergessen.

SPOX: Der Verein hat damals kein persönliches Gespräch mit Ihnen gesucht hat, sondern gleich den juristischen Weg eingeschlagen.

Amanatidis: Dafür fehlen mir bis heute gewissermaßen die Worte. Das war kein respektvoller Umgang mit einem verdienten Mitarbeiter, dem man zuvor immer vertraut hat, mit dem man jahrelang durch dick und dünn ging und der dabei war, als sich der Verein sportlich stabilisiert hat. Dass man dann in einem Moment des Misserfolgs einen solchen Weg wählt, obwohl man seit jeher einen guten Draht zueinander hatte, war für mich natürlich eine Enttäuschung und schlichtweg nicht fair. Man merkt im Misserfolg, auf wen man sich verlassen kann. Dieser Spruch hat schon etwas Wahres an sich.

SPOX: Sie hatten schon immer eine enge Beziehung zu Heribert Bruchhagen. Hat diese damals gelitten?

Amanatidis: Wir hatten vom ersten Tag an ein sehr, sehr gutes und im Grunde freundschaftliches Verhältnis. Wir konnten immer auch über private Dinge reden. Ich habe ihn sehr geschätzt. Deswegen war die Tatsache, wie er sich am Schluss positioniert hat und mir gegenüber trat, eigentlich unvorstellbar. Ich habe ihn seit der Vertragsauflösung nicht mehr gesehen, der Kontakt ist abgebrochen.

SPOX: Auch zur Eintracht?

Amanatidis: Ich bin noch mit einigen meiner ehemaligen Mitspieler in Kontakt. Im Stadion war ich seitdem aber nicht mehr. Einmal war ich in Frankfurt, als die Eintracht spielte, aber ich habe eben immer sehr viel zu tun, wenn ich ein paar Tage in Deutschland bin. Ich versuche, dass ich das in der Rückrunde mal ändere - derzeit läuft es ja auch wahnsinnig gut.

SPOX: In der Öffentlichkeit wurden meist zwei Versionen diskutiert, warum Sie die Eintracht verlassen mussten. Erstens: Sie waren einfach nicht fit genug. Zweitens: Sie waren ein ungemütlicher Rebell.

Amanatidis: Erstens: Ich war in dieser Saison, 2010/2011, nicht einmal krankgeschrieben wegen meinem Knie. Mir wurde vorgeworfen, dass ich nicht fit sei, obwohl ich ständig trainiert und alle Umfänge absolviert habe. Ich stand ja auch immer im Kader. Natürlich war es so, dass ich nach zwei schweren Knieoperationen nicht mehr so schnell war wie mit 25. Alles andere wäre ja auch unnormal gewesen. Man hätte sagen können, dass ich nicht mehr an das Niveau von früher heranreiche, aber nicht, dass ich nicht fit sei.

Seite 2: Amanatidis über sein Modelabel, langweilige Interviews und Darmstadt 98

SPOX: Und zweitens?

Amanatidis: Angestellte, die klar ihre eigene Meinung vertreten, hat man grundsätzlich nicht gerne. Ich war aber nicht irgendein Spieler, sondern zwei Jahre Kapitän und Führungsspieler des Teams. Ich habe nicht aus Lust und Laune gewarnt, sondern zu Zeitpunkten, an denen es notwendig war. Andere haben sich gar nicht beziehungsweise erst dann geäußert, als alles schon zu spät war. SPOX

SPOX: Was überraschte: Als Sie Frankfurt verließen, war auch die "Bild" der Meinung, dass Sie einen solchen Abschied nicht verdient hatten. Ihr Verhältnis zum Boulevard war damals ja inexistent.

Amanatidis: Zuerst einmal: Es wurde damals über private Dinge von mir berichtet. Ich habe dann mit den Journalisten gesprochen und gesagt, sie sollen es doch bitte sein lassen. Am folgenden Tag gab es aber eine ähnliche Geschichte. Daraufhin habe ich die Zusammenarbeit eingestellt und es wurde ab dann nur noch negativ über mich berichtet. So und nicht anders ist das Ganze entstanden. Natürlich hat mich das, was Sie ansprechen, ebenfalls überrascht und ehrlich gesagt auch gefreut. Das zeigt auch, dass sie dort wohl zur Einsicht gelangt sind, dass hier ein verdienter Spieler vom Hof gejagt wird, der jahrelang seine Knochen für den Verein hingehalten hat.

SPOX: Dabei war Ihr Standing bei den Medien seit jeher ausgezeichnet. Sie waren immer ein beliebter Gesprächspartner. Sie sagten einmal, dass gute Fußballberichterstattung auch davon abhängt, dass Sportler interessante Dinge sagen. Ist das für Sie noch gegeben?

Amanatidis: Nein, schon lange nicht mehr. Man braucht im Anschluss eines Spiels eigentlich keine Interviews mehr zu führen. Es ist immer dasselbe Frage-und-Antwort-Spiel, das kann man sich kaum mehr anhören. Ich will ja nicht, dass Kritik an Mitspielern geübt wird, aber man wird doch als erwachsener Mensch in der Lage sein, frei von der Leber weg zu antworten ohne Gefahr zu laufen, dass man dafür direkt im Anschluss einen Anschiss in der Kabine bekommt. Der Fußball lebt schließlich von den Emotionen auf und außerhalb des Platzes.

SPOX: Seit Sie nicht mehr aktiv kicken, haben Sie ein Modelabel namens "IAM Exposure" gegründet und das Restaurant "Der Grieche" in Frankfurt eröffnet. Wie sehr sind Sie in diese Projekte eingebunden?

Amanatidis: Unterschiedlich. Ich habe jeweils meine Partner, die sich in der Hauptsache darum kümmern. Ich habe jetzt eine Kollektion herausgebracht und weitere Pläne in der Schublade. Es ist ein Hobby. Damit beschäftige ich mich tendenziell aber mehr als mit dem Restaurant, da ich nicht vor Ort bin. Das wird von meinem guten Freund und Partner geleitet. Uns war aufgefallen, dass es in Frankfurt kein griechisches Restaurant gibt, wie man es von gewissen Tavernen am Strand kennt, wo es beim Essen und Trinken einfach laut sein darf und wo die Leute auf den Tischen tanzen. Es erfreut sich großer Beliebtheit.

SPOX: Was halten Sie denn von den Modetrends, die einige Bundesligaspieler zur Schau tragen?

Amanatidis: Teilweise schon skurril. Den Trend mit den Basketball-Mützen gibt es ja schon länger. Ich finde es eher erstaunlich - wobei das nun weniger mit Mode zu tun hat -, dass sich mittlerweile jeder Zweite den Arm tätowiert hat. Das hat fast den Anschein, dass manche diesen Virus zum Anlass nehmen, um auch nachzulegen und bloß nicht dem Trend hinterher zu hinken.

SPOX: Bleiben wir lieber beim Fußball: Als Sie die Eintracht verlassen haben, liebäugelten Sie mit einem Engagement im Ausland. Warum ist daraus nichts geworden?

Amanatidis: Ich wäre beispielsweise gerne in die USA gegangen, weil mich das sportlich wie privat gereizt hätte. Da hat sich aus einem Kontakt aber leider nichts Konkretes entwickelt. Mir war klar, dass ich mich nach der Bundesliga sportlich wohl nur verschlechtern kann. Das hätte ich auch problemlos in Kauf genommen. Ich wollte das aber mit einer ordentlichen sportlichen wie privaten Perspektive verknüpfen, eine neue Lebenserfahrung sammeln. Ich hatte keine Lust auf die Länder, bei denen man viel Geld verdienen kann, aber sportlich nur durch die Gegend dümpelt und sich privat nicht wohlfühlt. Es stand auch für mich fest, dass ich nirgends auf Teufel komm raus unterschreibe, nur um anderen zu beweisen, dass ich noch einen Verein gefunden habe.

SPOX: Es hieß mal, der SV Darmstadt 98 hätte Interesse an Ihnen.

Amanatidis: Genau, da hat mich dann mein Berater verwundert angerufen und gefragt, ob ich mit irgendjemanden aus Darmstadt zu tun hätte. Welch' ein Quatsch! Ich weiß bis heute nicht, wer diesen Blödsinn in die Welt gesetzt hat. Es war aber eine amüsante Geschichte.

SPOX: Was würde Sie denn derzeit noch am ehesten reizen?

Amanatidis: Mittlerweile nichts mehr. Ich bin nun seit eineinhalb Jahren aus dem Geschäft und bräuchte eine Vorbereitungsphase, die Monate dauern würde. Das wäre auch vom Kopf her nicht einfach. Ich habe mich mit der aktuellen Situation angefreundet, bin mit anderen Dingen beschäftigt und mir geht es sehr gut.

SPOX: Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bald Ihr Karriereende verkünden?

Amanatidis: Sehr hoch.

Ioannis Amanatidis im Steckbrief