"Die letzte Chance zum Überleben"

Haruka Gruber
07. März 201314:09
Der Fürther Innenverteidiger verpasste erst eine Begegnung diese Saisonimago
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Ausgerechnet der unbekannteste Bundesliga-Trainer schenkt Fürth neue Hoffnung. Kapitän Mergim Mavraj (26) über das Abstiegs-Showdown gegen Hoffenheim (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER), Nobody Ludwig Preis und Franz Beckenbauers Empfehlung, Lothar Matthäus einzustellen.

SPOX: Am Samstag empfängt Fürth als Tabellenletzter den Tabellenvorletzten Hoffenheim. Ist es tatsächlich das von den Medien proklamierte "Endspiel um den Klassenerhalt"?

SPOXMergim Mavraj: Definitiv. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Spiele, die sehr, sehr wichtig waren. So wie am letzten Hinrunden-Spieltag gegen Augsburg. Aber das Spiel gegen Hoffenheim ist ein echtes Endspiel. Wir müssen es gewinnen, um die kleine Chance zu wahren, Augsburg doch vom Relegationsplatz zu verdrängen. Uns muss bewusst sein: Es geht nicht darum, schön zu spielen! Es geht nicht darum, sich taktische Raffinessen auszudenken! Es ist egal, was war. Und es ist egal, was kommt. Wir müssen den Überlebens-Instinkt in uns wecken. Wir dürfen uns bloß nicht vormachen: Das Hoffenheim-Spiel ist eine der letzten, wenn nicht die letzte Chance zum Überleben.

SPOX: Nach Mike Büskens' Entlassung übernahm der unbekannte Ludwig Preis, zuvor für die zweite Mannschaft zuständig, das Amt des Cheftrainers. Seitdem gab es immerhin zwei Unentschieden aus zwei Partien. Was hat sich verändert?

Mavraj: Es ist ein Ruck durch die Mannschaft und das gesamte Umfeld gegangen. Ludwig Preis kam aus der Versenkung und keiner von uns kannte ihn so wirklich. Dennoch hinterließ er vom ersten Tag an einen durchgängig guten Eindruck. Nicht nur bei mir und den Mitspielern, sondern auch bei den Fans. Sie honorierten nach dem 0:0 in Leverkusen unsere Leistung. Mit der gleichen Leistung unter Mike Büskens hätte es womöglich andere Reaktionen gegeben.

SPOX: Preis trainierte noch vor drei Jahren in der Bezirksoberliga den Baiersdorfer SV. Wie bewerten Sie seine Arbeit?

Mavraj: Er stellt uns taktisch sehr gut ein und gibt uns vor einem Spiel Werkzeuge in die Hand, so dass wir wissen, wie wir dem Gegner wehtun können. Außerdem ist er charakterlich ein sehr feiner Kerl, der Mike Büskens in nichts nachsteht. Herr Preis macht das Arbeiten unter ihm sehr einfach.

SPOX: Den neuen Trainer besonders zu loben, kann als indirekte Kritik am Vorgänger interpretiert werden.

Mavraj: Das wäre aber falsch! Es ist nicht fair, zwei Trainer miteinander zu vergleichen. Herr Preis hat genau die Impulse gesetzt, die sich der Verein erhofft hatte. Jedoch können Trainerwechsel grundsätzlich einen solchen Impuls bewirken, ohne dass man es personalisieren muss. Wir hatten unter Mike Büskens eine tolle Zeit und wir können ihm alle nur danken.

SPOX: Was allerdings besonders auffällt: Anders als Büskens setzt Preis vielmehr auf die Talente. Plötzlich stehen mit Felix Klaus, Johannes Geis und Thomas Pledl plötzlich drei Spieler unter 21 Jahren in der Startelf und überzeugen.

Mavraj: Es ist offensichtlich, dass der extreme Verjüngungskurs der Mannschaft gut bekommt. Die jungen Spieler blühen auf, sind wieder lockerer und beherzter. Die Jungs erinnern mich wieder an die Aufstiegssaison: Da hatten sie keine Sorgen und wollten nur Fußball spielen. Nur: In der Bundesliga wurde der Rucksack immer schwerer und schwerer und sie verloren an Dynamik und Unbekümmertheit. Umso mehr freut es mich, wie sie sich durchgekämpft haben. Johannes Geis war zwischendurch nur noch bei den Amateuren, Thomas Pledl war ebenfalls komplett weg und lange Zeit nicht mal mehr im Kader. Dennoch trotzten sie dem Gegenwind und blieben hartnäckig dran. Jetzt bekommen sie ihre Chancen, sind nicht vorbelastet und konzentrieren sich auf den Fußball. Und das spornt wiederum die älteren Spieler an, ebenfalls mehr zu machen, weil die Talente Druck ausüben. Das merkt man in jedem Training.

SPOX: Warum verzichtete Büskens auf die Talente?

Mavraj: Man muss ehrlich sein und sagen, dass sich die Jungs nicht immer aufgedrängt haben. Wenn man die Berichterstattung verfolgt hatte, ging es unter Mike Büskens in jedem Spiel um alles oder nichts und so wurde Druck von außen aufgebaut, mit dem man ohne Erfahrung nur schwer zurechtkommt. Jetzt schreiben uns alle Experten komplett ab - was den Vorteil mit sich bringt, dass es sich leichter Fußball spielen lässt. Man kann nicht alles auf den Trainer schieben.

SPOX: Wie erklären Sie sich dann den Leistungsabfall im Vergleich zur Vorsaison? Fürth wurde Zweitliga-Meister, erreichte sensationell das Pokal-Halbfinale und zeigte sich bei der knappen Niederlage gegen Dortmund ebenbürtig.

Mavraj: Es spielen zwei Faktoren rein. Erstens: Spätestens nach dem Dortmund-Spiel wussten alle Bundesligisten, dass sie uns nicht locker schlagen können. So hatten wir den Überraschungseffekt nicht mehr auf unserer Seite. Zweitens: Wir hängten die Messlatte sehr hoch und viele sahen in uns ein potenzielles Sensationsteam. So viel Gerede macht die Beine schwerer und den Kopf immer voller. Trotzdem wehre ich mich dagegen, unsere Leistungen in dieser Saison schlechtzureden. Wir hatten Begegnungen dabei, in denen wir annährend so gut waren wie bei den Pokal-Erfolgen in Nürnberg und in Hoffenheim.

SPOX: Wie beim 2:1 auf Schalke.

Mavraj: Uns wurde vorgeworfen, dass wir ratlos wären oder kein fußballerisches Konzept hätten. Klar, es ist eine schwere Saison. Aber: Wir sind nicht so schlecht, wie uns einige machen wollen. Wir waren in vielen Spielen ebenbürtig und zeigten, dass wir eine Mannschaft mit Charakter sind und voll hinter Mike Büskens standen. Wenn wir keine Chancen herausspielen würden, könnte man einiges in Frage stellen. Allerdings hatten wir Chancen, die wir nur nicht verwandeln konnten. Gefühlt brauchen wir zehn Großchancen für ein Tor. Was hätte Mike Büskens tun sollen? Irgendwann muss man sich die Frage nach der Qualität stellen. Und sich bewusst machen, dass man eine Straßenbahn nicht mit einem Formel-1-Boliden vergleichen kann. Wir sind nicht so gut besetzt, dass wir Spieler haben, die aus einer Chance ein Tor machen.

Seite 2: Mavraj über Personalpolitik, seine Zukunft und Lothar Matthäus

SPOX: Eine Kritik an der Transferpolitik von Präsident Helmut Hack?

Mavraj: Es wäre falsch genau aufzudröseln, was schief gelaufen ist. Wenn man unten steht, ist es einfach, Einzelne als Schuldige auszumachen. Wir sollten immer daran denken: Ohne Helmut Hack wäre der Verein nie in der Bundesliga. Es stimmt, einige Neuzugänge kamen nicht auf die Spiele, die wir uns erhofft hatten. SPOXDas ist dennoch nicht der Grund, warum wir nur bei 14 Punkten stehen. Uns fehlte häufig nur eine Kleinigkeit. Deswegen glaube ich nach wie vor daran, dass wir die Wende schaffen können. Sollte uns das nicht gelingen, muss sich jeder Spieler selbst hinterfragen.

SPOX: Sie selbst gehören zu den Konstanten der Mannschaft. Doch Ende Januar kamen Gerüchte auf, wonach Sie als Kapitän abgesetzt werden sollten. Was lief damals?

Mavraj: Der Ursprung lag in einem sehr unglücklich geschriebenen Artikel, indem es hieß, dass Mike Büskens mich abgesägt hätte. Dabei hatte ich in einem Training nur kein Laibchen für die A-Mannschaft an, was keinerlei Bedeutung besaß. Der Trainer wollte nur etwas ausprobieren. Und dann wurde etwas an den Haaren herbeigezogen. Ich sprach daraufhin den Trainer kurz an und er bestätigte mir, dass ich intern nie in Zweifel gezogen wurde. Was nicht heißen soll, dass ich mich selbst nicht hinterfragen würde. Ende Januar lagen wir bei neun Punkten. Da darf man keine Eitelkeiten besitzen und muss mit sich hart ins Gericht gehen.

SPOX: Sercan Sararer unterschrieb zur kommenden Saison bereits in Stuttgart. Wie geht es mit Ihnen weiter? Sie besitzen einen Vertrag bis 2014 und könnten das Gesicht des Neuanfangs in der 2. Liga sein. Zugleich sollen mehrere Bundesligisten, darunter Mainz, an Ihnen interessiert sein.

Mavraj: Ich bin Fürth sehr, sehr dankbar. Ich kam vor zwei Jahren aus Bochum und wurde sofort zum Stammspieler und sogar zum Kapitän. Daher kann ich mir alles vorstellen. Wobei es generell falsch wäre, jetzt über die Saison hinaus zu denken. Es geht gerade nicht um Einzelschicksale, sondern nur um Fürth und den Klassenerhalt.

SPOX: Die wichtigste Frage für den Klassenerhalt lautet: Wer wird der neue Cheftrainer? Preis besitzt keinen Fußballlehrer-Schein und darf nur noch das Hoffenheim-Spiel auf der Bank sitzen. Hack wollte trotzdem nicht ausschließen, dass Preis in welcher Form auch immer nah an der Mannschaft bleibt.

Mavraj: Wie gesagt: Herr Preis ist kompetent, leidenschaftlich und ein guter Kommunikator. Ich bin überzeugt: Früher oder später wird er seinen Weg gehen und wir werden noch viel von ihm hören. Ob er in Fürth bleiben kann, liegt nicht in meinem Ermessen. Die Verantwortlichen werden die richtige Entscheidung treffen. Wenn die Entscheidung so aussieht, dass eine Lösung mit Herrn Preis gefunden wird, wären wir allerdings sehr froh. Es gibt in der Bundesliga ja einige Modelle wie in Leverkusen, bei denen ähnliches erlaubt ist.

SPOX: Was sagen Sie zu Franz Beckenbauers Vorschlag, dass Fürth doch Lothar Matthäus engagieren soll? Beckenbauers Aussage: "Ich würde Lothar Matthäus nehmen. Er ist ein Franke, der kennt sich in Franken aus. Er kennt die Mentalität. Er ist für mich ein wunderbarer Mensch, ein wunderbarer Trainer."

Mavraj: Ich bin autoritär erzogen worden und respektiere ältere Menschen. Ich würde mir nie anmaßen, einem Franz Beckenbauer zu widersprechen. (lacht)

Mergim Mavraj im Steckbrief