Wenig Reiz am Unbekannten

Von Thomas Gaber
Der Kapitän und der Trainer: Philipp Lahm im Gespräch mit Pep Guardiola
© getty

Philipp Lahm wird von Pep Guardiola während der Vorbereitung vermehrt im Mittelfeld eingesetzt. Der Bayern-Kapitän arrangiert sich mit der Rolle, begeistert ist er nicht. Dabei schwebt Guardiola noch viel mehr vor.

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Der 22. Juni 2012 ist ein bemerkenswerter Tag im Leben von Philipp Lahm. Es war gegen 21.25 Uhr in der PGE Arena im polnischen Gdansk. Lahm erzielte in der 39. Minute des EM-Viertelfinals der deutschen Nationalmannschaft das 1:0 gegen Griechenland. Aus der Ferne. Mit rechts in den rechten Winkel, unter Mithilfe von Griechen-Torhüter Chalkias.

Deutschland hätte das wahrscheinlich auch ohne einen Treffer des Kapitäns gewonnen. Für Lahm stellt das Spiel aber ein Zäsur dar: seit jenem Freitag hat er weder im Verein noch in der Nationalmannschaft ein Tor in einem Pflichtspiel erzielt.

Seine Position rechts bzw. links hinten in der Viererkette qualifiziert ihn per se nicht unbedingt zum knipsen. Nach dem Gewinn des Triples mit dem FC Bayern nannte Lahm im Partyrausch aber als persönliches Ziel für die darauffolgende Saison, wieder mal ein Tor zu schießen.

Lahm: Lieber Rechtsverteidiger

Noch haben die Bayern in der Spielzeit 2013/14 kein Pflichtspiel bestritten; Lahm bringt sich aber schon mal fleißig in Form, um seinem Vorhaben gerecht zu werden. Drei Treffer erzielte er bereits in den bisherigen Testspielen, das vorerst letzte beim 2:0-Uli-Hoeneß-Cup-Sieg gegen den FC Barcelona. Mit dem Hinterkopf. Ein Uwe-Seeler-Vergleich gilt an dieser Stelle.

Enthusiasmus löste dieses Erlebnis in Lahm dagegen nicht aus. "Es ist doch klar, dass man mehr Chancen hat, Tore zu schießen, wenn man offensiver spielt", sagte er nach der Partie.

Lahm ist ein Medienprofi, es gibt kaum eine Frage, auf die er nicht in gewisser Weise vorbereitet ist und sachlich beantwortet. Wenn es um seine neue Position im Mittelfeld geht, die ihm Trainer Pep Guardiola während der Vorbereitung vermehrt zuteilt, werden seine Aussagen von einem sehr ernsten Gesichtsausdruck untermalt.

Lahm machte auch nach dem Barca-Spiel keinen Hehl daraus, "dass ich mich als Rechtsverteidiger wohler fühle". Der Kapitän kann mit den Positionsspielchen seines neuen Trainers augenscheinlich nicht so viel anfangen. Zumindest dann nicht, wenn es um ihn geht.

Erfahrung fehlt im Mittelfeld

Dabei bringt Lahm eigentlich das komplette Rüstzeug mit, das ein defensiver Mittelfeldspieler haben muss: Spielintelligenz, Antizipationsfähigkeit, Übersicht, Passkontrolle und herausragende Fähigkeiten im Tackling.

Mit diesen Qualitäten hat er es in den letzten Jahren zu einem der besten Rechtsverteidiger der Welt gebracht. Insbesondere in der historischen Triple-Saison spielte Lahm in den entscheidenden Spielen konstant auf sehr hohem Niveau.

Seine Fähigkeiten auf einer in Guardiolas System strategisch so interessanten wie wertvollen Position im zentralen Dreier-Mittelfeld zu zeigen, verbunden mit dem Reiz des eher Unbekannten, ist aber nicht unbedingt Lahms Sache.

Ein paar Auftritte für Deutschland im Mittelfeld, ein längerer Schnupperkurs bei Bayern unter Guardiola, das soll's dann aber auch gewesen sein.

"Ich habe immer gesagt, dass es gut ist, wenn man auf einer Position Erfahrung hat. Und die habe ich als rechter Verteidiger. Und nicht als Mittelfeldspieler", führte Lahm als Begründung an.

Pep: Lahm überall im Mittelfeld einsetzbar

Guardiola weiß um Lahms Fähigkeiten als rechter Verteidiger; er hat ihn in der Vorbereitung auf seinem neuen Platz wie alle anderen Spieler genau studiert. Der Trainer hat aber eben auch seine eigene Denke von funktionierendem, modernem Fußball und da gehört die Vielseitigkeit eines Spielers zwingend dazu.

Guardiola lässt Lahm nicht nur in Ermangelung passender Alternativen - Schweinsteiger, Martinez und Gustavo haben noch Trainingsrückstand - im Mittelfeld ran, er ist auch überzeugt davon, dass Lahm dort genauso gut aufgehoben ist wie in der Viererkette.

Nach dem Spiel gegen seinen Ex-Klub ging Guardiola gedanklich sogar noch einen Schritt weiter: "Philipp ist ein so intelligenter Spieler, dass er überall im Mittelfeld spielen kann."

Mit welchen Spielern er seine Positionen im Mittelfeld besetzen will, wenn er alle Spieler wieder zur Verfügung hat, weiß nur Guardiola selbst. Fest steht jedenfalls, dass Lahm dazugehört.

Es ist freilich keineswegs unwahrscheinlich, dass Lahm wieder auf seine Stammposition zurückkehrt, sobald es in der Bundesliga wieder um Punkte geht. Zumal Rafinha ihn nicht adäquat ersetzen kann. Aber es kann genauso gut sein, dass der Kapitän fortan öfter mal weiter vorne spielen wird. Auch wenn es Lahm vieleicht nicht ideal findet.

Philipp Lahm im Steckbrief