"Van Marwijk ist sehr pragmatisch"

Bert van Marwijk (r.) und Rafael van der Vaart werden wohl bald wieder zusammenarbeiten
© getty

Bert van Marwijk ist der Nachfolger von Thorsten Fink als Trainer beim Hamburger SV. Der holländische Journalist Leon ten Voorde kennt van Marwijk aus seiner Zeit als Nationaltrainer. Im Interview spricht er über seine Arbeitsweise, den Umgang mit Superstars und den Vergleich mit Louis van Gaal.

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SPOX: Herr Ten Voorde, Bert van Marwijk steht vor einem Engagement beim Hamburger SV. Passt van Marwijk nach Hamburg?

Leon Ten Voorde: Er wollte immer zurück in die Bundesliga, für ihn ist sie die stärkste Liga der Welt. Van Marwijk hat die letzten Jahre immer gesagt, dass er auf den richtigen Trainerjob wartet. Um nochmal als Trainer einzusteigen, müsse bei einem Angebot alles stimmen. Wenn dies nicht kommt, hätte er auch keine Probleme damit aufzuhören. Deshalb hat er auch Offerten von Besiktas und Olympiakos abgelehnt. Er hatte ja auch einen schönen Job, war Chefanalyst beim holländischen Fernsehen für die Champions League und die Eredivisie.

SPOX: Die Situation beim HSV macht nicht den Anschein, als wäre es das schöne Angebot auf das van Marwijk gewartet hat. Warum tut er sich das an?

Ten Voorde: Der HSV hat auch in Holland einen sehr großen Namen. Wenn in Holland über die deutschen Spitzenvereine gesprochen wird, fällt neben Bayern, Dortmund und Schalke auch immer der Name HSV. Aber wir wissen schon auch, dass der HSV zum Chaosklub geworden ist. Van Marwijk hat im holländischen Fernsehen gesagt, dass er den Wechsel als große Herausforderung sehe. Er komme zu einem Topklub, in eine schöne Stadt und die stärkste Liga der Welt. Wenn man sich aber die Mannschaft und die einzelnen Spieler anschaut, wird es ganz schwierig für ihn.

SPOX: Viele sagen, die Mannschaft in Hamburg brauche eine harte Hand und straffe Führung. Van Marwijk gilt nicht gerade als Hardliner.

Ten Voorde: Er ist ein sehr nüchterner, sachlicher Typ. Er legt viel Wert auf Disziplin, Geschlossenheit und Stabilität, die großen Egos mag er nicht so sehr. Bei der Nationalmannschaft hat immer mit zwei defensiven Mittelfeldspielern gespielt, van Bommel und de Jong. Das war ein kleiner Skandal, das ist nicht die holländische Art, wir haben immer 4-3-3 gespielt. Aber der Erfolg hat ihm recht gegeben, er ist damit bis ins WM-Finale gekommen. Für den HSV ist es wichtig, dass er Stabilität und Ruhe in den Verein und die Mannschaft bringt. Mit seiner Erfahrung könnte er der richtige Typ für die Aufgabe sein. Immerhin ist er der letzte Trainer, der mit einer holländischen Mannschaft einen internationalen Titel geholt hat, 2002 den UEFA-Cup mit Feyenoord.

SPOX: Wie kommt van Marwijk dann mit dem starken Ego von Rafael van der Vaart klar, der in Hamburg ja noch immer eine exponierte Stellung genießt?

Ten Voorde: Es stimmt nicht, wenn man sagt: Van Marwijk kann nicht mit Egos. Er hat auch bei der Nationalmannschaft die vielen großen Egos wie Robben, van Persie und Sneijder unter einen Hut gebracht. Aber er liebt die normalen Jungs, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Sein Verhältnis zu van der Vaart ist ganz gut. Natürlich war van der Vaart nach der EM 2012 sauer, weil er nicht immer gespielt hat. Aber das war in Wahrheit nicht so schlimm, wie es nach dem Vorrundenaus in Holland gemacht wurde.

SPOX: Wie ist van der Vaarts Standing in Holland? In Deutschland ist er aufgrund seiner privaten Affären gerade dabei, sein Renommee zu verspielen. Auch seine Leistungen lassen nach.

Ten Voorde: Van der Vaart ist beliebt in Holland, er ist kein Großmaul, sondern ein ganz normaler Typ. Aber man lächelt ein bisschen über die ganzen Sachen, die man jetzt in den Magazinen und Boulevardblättern liest. Seine Ex-Frau Silvie ist nicht sonderlich beliebt in Holland. Da macht er sich lächerlich.

SPOX: In seiner Zeit bei Borussia Dortmund hat van Marwijk viel auf junge Spieler gesetzt. Sahin und Kruska kamen beispielsweise unter ihm nach oben. Ist er generell ein Typ, der die Jugend fördert?

Ten Voorde: In Dortmund musste er mit jungen Spielern arbeiten, weil kein Geld da war. Er hätte schon gerne mehr gestandene Spieler verpflichtet, aber das ging nicht. Sahin hat seine Karriere aber auch zum Teil van Marwijk zu verdanken, weil er ihn zu Feyenoord holte, als es für ihn in Dortmund nicht weiterging. Van Marwijk kennt die Verhältnisse in Hamburg, er weiß, dass das Geld knapp ist und er mit dem vorhandenen Spielermaterial arbeiten muss. Er ist jetzt aber kein Jugendfanatiker wie Louis van Gaal.

SPOX: Wie fällt Ihr Vergleich zwischen van Gaal und van Marwijk aus?

Ten Voorde: Eigentlich kann man beide nicht miteinander vergleichen. Bei van Gaal muss man immer mit etwas Unberechenbarem rechnen, jede Pressekonferenz ist ein Clash. Bei van Marwijk verliefen Pressekonferenzen dagegen immer gleich. Er musste sich auch die Kritik gefallen lassen, dass er immer dieselbe Mannschaft aufgeboten und kaum neue Spieler eingebunden hat. Es gibt auf der Welt keinen zweiten Trainer, der so fanatisch über Taktik spricht und denkt wie van Gaal. Van Marwijk ist dagegen sehr pragmatisch.

SPOX: Besteht die Möglichkeit, dass van Marwijk seinen Schwiegersohn Mark Van Bommel als Co-Trainer mit nach Hamburg bringt?

Ten Voorde: Nein, das hat van Marwijk schon ausgeschlossen. Van Bommel macht ein Jahr Auszeit und dann im Crashkurs für ehemalige Nationalspieler seine Trainerlizenz, bevor er als Trainer oder Assistent einsteigt.

Bert van Marwijk im Steckbrief