Robert Lewandowski kehrt im Supercup zum ersten Mal nach Dortmund zurück. Die Borussia hat mal wieder die schwere Aufgabe, einen zentralen Mann im System zu ersetzen. Trainer Jürgen Klopp strebt auch deshalb nach mehr Flexibilität und anderen taktischen Varianten.
Wenn Robert Lewandowski das Stadion in Dortmund betritt, dürften viele Erinnerungen hochkommen. Hier hat er die größten Momente in seiner bisherigen Karriere gefeiert. Die vier Tore im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid. Das Hackentor gegen den FC Bayern, mit dem er dem BVB den Weg zur Meisterschaft ebnete.
Doch dieses Mal wird vieles anders sein. Lewandowski wird die Gästekabine benutzen müssen, in den Farben des FC Bayern auflaufen und die Fans werden ihn nicht feiern wie noch vor drei Monaten. Aber der Pole muss keine Anfeindungen erwarten, wie Mario Götze vor knapp einem Jahr, als dieser zum ersten Mal nach seinem Wechsel an die Isar nach Dortmund zurückkehrte.
"Lewy ist ein cooler Typ, auch wenn er jetzt das falsche Trikot trägt", sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp. Ex-Kapitän Sebastian Kehl erwartet einen respektvollen Empfang. Das angespannte Verhältnis beider Vereine resultiert mittlerweile vor allem aus den nicht enden wollenden verbalen Scharmützeln der Klubbosse.
Zwei Aufgaben für Klopp
Klopp hat diese Form der Rivalität von seiner Agenda gestrichen, er will sich auf den sportlichen Bereich konzentrieren. Und in diesem Zusammenhang spielt Lewandowski noch immer eine wichtige Rolle.
Zwei große Aufgaben hat Klopp in dieser Saison zu lösen. Zum einen die Rückkehr der defensiven Stabilität, um wieder deutlich weniger Gegentore zu bekommen und zum anderen die Veränderung der offensiven Ausrichtung, weil mit Lewandowski der Fixpunkt im Angriffsspiel abhandengekommen ist.
Geschichte wiederholt sich
Nach Nuri Sahin, Shinji Kagawa und Mario Götze war es in diesem Sommer Lewandowski, der seine sportliche Zukunft nicht mehr beim BVB sah. "Wir sind die einzige Spitzenmannschaft der Welt, der jedes Jahr der beste Spieler weggekauft wird, die aber trotzdem immer weiter oben mitmischt", sagt Klopp trotzig.
Allerdings brauchten die Dortmunder verständlicherweise immer einige Wochen, um sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Auch die meisten Neuzugänge funktionieren im System Klopp erst im zweiten Jahr.
Keine Kopie von Lewandowski
Mit Lewandowski hat den BVB ein Spieler verlassen, den Klopp in seiner Spielweise nach seinen Vorstellungen geformt hat und der von zentraler Bedeutung war.
Mit dem Rücken zum Tor hat Lewandowski viele Bälle festgemacht und seinen Kollegen die Möglichkeit zum Nachrücken gegeben. Vor allem bei hohen Bällen war der Pole mit seiner körperlichen Präsenz ungemein stark.
Trotzdem war er sehr beweglich, als Kombinationsspieler hilfreich und auch im Eins-gegen-eins sowie im Abschluss gefährlich. Nicht umsonst adelte ihn Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge im SPOX-Interview als besten Stürmer der Welt.
Eine Kopie von Lewandowski auf dem Markt zu finden, war schlicht unmöglich für die Dortmunder. Also hat der BVB für rund 30 Millionen Euro mit Ciro Immobile und Adrian Ramos zwei Stürmer verpflichtet, die Klopp nun mit seinen Anforderungen vertraut machen muss. Zumal auch Marco Reus nach seiner Verletzung noch nicht einsatzbereit ist.
Mehr taktische Varianten
Die Testspiele haben gezeigt, dass Immobile noch nicht so weit ist, um als Ein-Mann-Offensive a la Lewandowski zu funktionieren. Ramos hat bei der Hertha bewiesen, dass er das zumindest auf Bundesliganiveau bewerkstelligen kann, aber reicht es auch international?
Aus diesem Grund hat Klopp die Vorbereitung genutzt, um mit seiner Mannschaft mehr taktischen Varianten einzuüben. Nach vielen Jahren des 4-2-3-1 hat der BVB schon zum Ende der vergangenen Saison - auch aufgrund der Verletzungsprobleme - öfter am System geschraubt und auch im 4-3-3 oder im 4-1-4-1 agiert.
Selbst das 4-4-2 mit Raute ließ Klopp vergangene Saison schon spielen. "Das muss eine Option sein, wie alles andere auch", sagte Klopp im Trainingslager in Bad Ragaz.
Zwei Stürmer und flaches 4-4-2
Lange Zeit war dagegen das flache 4-4-2 aus dem Repertoire der Dortmunder verschwunden. Nur in der Anfangszeit von Klopp in der Saison 2008/09 kam diese taktische Ausrichtung zum Einsatz, ist jetzt aber wieder aktuell.
Klopp sieht im flachen 4-4-2 das System mit der höchsten defensiven Stabilität. In den Tests gegen Rapperswil, Chievo Verona, Rot-Weiß Essen, Slask Wroclaw und den FC Liverpool ließ Klopp zumindest in mehreren Halbzeiten so spielen.
Im Sturm scheint zurzeit Pierre-Emerick Aubameyang die Nummer eins zu sein, während Immobile und Ramos vorerst um den Platz an seiner Seite streiten. Der Gabuner scheint in seinem zweiten BVB-Jahr auch das Defensivkonzept besser verstanden zu haben.
Mehr Qualität in der Breite
Im Zentrum der Überlegungen steht eine hohe taktische Flexibilität, die den BVB für den Gegner weniger ausrechenbar machen soll. Eine tragende Rolle wird dabei natürlich Reus zukommen, wenn er wieder fit ist. Er könnte in den verschiedenen Varianten auf der Zehn, auf der Außenbahn oder aber auch im Sturm auflaufen.
Henrikh Mkhitaryan scheint dagegen nicht mehr für eine Rolle im Zentrum vorgesehen zu sein. Wie schon zum Ende der letzten Saison agierte er auch in der Vorbereitung über die linke Seite. Auch vom Armenier erwartet man sich in Dortmund in seinem zweiten Jahr konstantere Leistungen.
Durch die auch finanziell offensive Transferpolitik in diesem Sommer - der BVB hat 46 Millionen Euro ausgegeben und nur 2,5 Millionen Euro eingenommen - hat der Kader in der Breite an Qualität gewonnen. Dieser Mangel der letzten Spielzeit wurde beseitigt. Borussia Dortmund geht mit einer in mehreren Bereichen neuen Organisation ins Jahr eins nach Lewandowski.
Der Kader von Borussia Dortmund