Zu seiner aktiven Zeit war Max Eberl in Mönchengladbach für seine typischen Flanken bekannt. Heute ist er einer der angesehensten Sportdirektoren der Bundesliga und hat die Borussia aus der sportlichen Belanglosigkeit herausgeführt - weil er die richtigen Informationen hat, gut verkaufen kann und selber von Sommer zu Sommer dazulernt.
Es gelingt nicht vielen Fußballprofis, den Fans Ihres Vereins auch noch lange über die aktive Zeit hinaus im Gedächtnis zu bleiben. Kurze Vertragslaufzeiten, häufige Vereinswechsel und das oft kritisierte Fehlen von echten Typen - heutzutage kommen und gehen die Spieler meist im Zwei- bis Dreijahres-Rhythmus. Sicher wird es nicht viele Gladbach-Fans geben, die sich auf Anhieb an Chrysovalantis Anagnostou, Vladimir Ivic oder Jens Bäumer erinnern.
Wann immer im Borussia Park jedoch eine Flanke aus vollem Lauf hinter dem Tor landet, hört man mancherorts ein "typische Eberl-Flanke". Gemeint ist natürlich Max Eberl. Den Kopf im angesagten Wasserstoffblond-Look gefärbt, wetzte der 1,74 Meter große Außenverteidiger sechs Jahre lang die rechte Seite Mönchengladbachs auf und ab. Oft gelang es dem heute 41-Jährigen dabei auch, sich bis zur Grundlinie durchzusetzen. Die folgende Flanke rutschte ihm dann allerdings ein ums andere Mal über den Schlappen und driftete dadurch ins Toraus ab.
Die Fans der Fohlen liebten Eberl trotzdem. Sein unbändiger Kämpferwillen, sein Einsatz und seine manchmal auch ruppige Spielweise verkörperten die Leidenschaft, die den Anhängern das Gefühl gibt, dass sich ein Spieler für ihren Verein "den Arsch aufreißt".
Zu jener Zeit gab es sogar einen kleinen Max-Eberl-Fanclub, der in seiner Mitgliederzahl wohl nur vom Marcelo-Pletsch-Fußballgott-Fanclub unterboten wurde (zwei Mitglieder). Ein Bundesligatreffer blieb Eberl trotz seiner Stationen in München, Bochum, Fürth und Gladbach allerdings versagt.
Der kam zufällig mit dem Fahrrad vorbei
Auch wenn ein Vergleich der Leistungen eines Spielers mit denen eines Sportdirektors allein schon an den fehlenden Parametern scheitert, kann man im Fall von Max Eberl zumindest mit Sicherheit sagen, dass ihm als Verantwortlicher der Borussia die größeren Erfolge gelungen sind.
"Er ist wahrscheinlich zufällig mit dem Fahrrad vorbeigefahren", sagte Berti Vogts damals über die Entscheidung Gladbachs, Max Eberl als Nachfolger von Christian Ziege in die Position des Sportdirektors zu heben. Heute ist Eberl einer der angesehensten Sportdirektoren der Bundesliga und kann sich eine ganze Reihe von Toptransfers auf die Fahne schreiben.
Toptransfers, das bedeutet bei einem Verein wie Borussia Mönchengladbach nicht, dass man etwa das Werben um Radamel Falcao oder Edinson Cavani für sich entscheiden kann. Vielmehr geht es darum, junge, umworbene Spieler mit großem Potential an den Niederrhein zu holen, bevor deren Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass sie für einen Verein wie Gladbach nicht mehr finanzierbar sind.
Doppelstrategie in Gladbach
Dass es dabei nicht immer gelingt, diese Spieler, die eine Entwicklung wie etwa Marco Reus nehmen, im Anschluss langfristig zu halten, trifft die Borussia nicht unvorbereitet.
"Wir lassen uns nicht als Ausbildungsklub abstempeln. Wir verfolgen eine Doppelstrategie. Einerseits haben wir den Klub aus dem Abstiegskampf nachhaltig in die Einstelligkeit und sogar in die Europa League geführt und wollen Gladbach weiter nach vorne bringen. Aber dieser Weg beinhaltet auch, dass große Klubs uns nach wie vor Talente wegkaufen. Dadurch bekommen wir sehr viel Geld, um uns wieder weiterzuentwickeln", sagte Max Eberl im Gespräch mit SPOX.
Darüber hinaus gilt es, die Augen bei den Spielern offen zu halten, die mit überraschenden Leistungen auf sich aufmerksam machen und durch Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen für verhältnismäßig geringe Ablösesummen zu haben sind.
Ein solches "Schnäppchen" gelang Eberl vor der vergangenen Saison mit Max Kruse. Der Shootingstar des SC Freiburg avancierte 2012/2013 zu einem der besten Scorer der Liga und stand bei einigen Vereinen auf dem Wunschzettel.
"Informationen sind alles"
Dank Eberls früher Arbeit erhielt Gladbach am Ende den Zuschlag und konnte den Nationalspieler für nur 2,5 Millionen Euro verpflichten. "Bei Max Kruse haben wir vor anderthalb Jahren die Gespräche begonnen, ohne dann im Sommer des letzten Jahres den Vertrag zu machen", beschrieb Eberl vor der vergangenen Saison den Prozess des Transfers.
Etwas ganz ähnliches gelang dem Sportdirektor auch vor dieser Spielzeit, als Gladbach schon am 28. Spieltag die Verpflichtung von Andre Hahn bekanntgab. Hahn, der inzwischen ebenfalls deutscher Nationalspieler ist, hatte mit zwölf Toren und neun Vorlagen maßgeblichen Anteil an der starken Saison des FC Augsburg. Wie bei Kruse leitete Eberl früh die nötigen Schritte ein und überzeugte den schnellsten Spieler der Liga von den Fohlen.
"Alles dreht sich um Informationen. Wer mehr Informationen hat, hat einen Vorsprung. Beim Transfer von Max Kruse wussten wir beispielsweise, dass er schon bei St. Pauli eine Klausel hatte. Also schien klar, dass er auch in Freiburg eine Klausel in seinen Vertrag integrieren lässt. Bei Andre Hahn haben wir uns ebenfalls entsprechende Informationen eingeholt."
Seit dieser Saison spielt Hahn nicht in den Farben von Dortmund, Schalke oder Leverkusen, sondern im Dress der Fohlen - zu einem Dumpingpreis von 2,5 Millionen Euro. Ein typischer Eberl-Transfer.
Die Kunst der Überzeugung
Als Gladbach nach der völlig überraschenden Qualifikation für die Champions-League-Playoffs am Ende der Saison 2012/2013 durch die Abgänge von Reus, Dante und Neustädter eine wichtige Achse verlor, schaffte Eberl es, die Mannschaft mit drei Spielern zu verstärken, die noch vor einigen Jahren keinen Gedanken an einen Transfer zu den Fohlen verschwendet hätten.
Granit Xhaka kam aus Basel, Luuk de Jong aus Enschede und Alvaro Dominguez von Atletico Madrid. Obwohl allen dreien damals lukrativere Angebote anderer Vereine vorlagen, konnte Eberl sie von einem Wechsel an den Niederrhein überzeugen.
"Wir zeigen den Spielern auf, was wir mit ihnen vorhaben. Die Spieler sehen, wie wir mit ihnen planen. Dazu haben wir mit Blick auf den Trainer und die Entwicklung der letzten Jahre gute Argumente. Talente können bei uns mittlerweile den Weg gehen, den sie früher nur bei den vermeintlich großen Teams gehen konnten. Sie können Nationalspieler werden oder zu den ganz großen Klubs wechseln", erklärte Eberl.
Auch Eberl entwickelt sich weiter
Nachbetrachtet muss man sagen, dass vor allem die Verpflichtung Luuk de Jongs ein Fehlgriff war, da auch Trainer Lucien Favre keine Möglichkeit fand, den niederländischen Stoßstürmer in sein Spielsystem zu integrieren. Granit Xhaka machte zwar eine Vielzahl guter Spiele, konnte aber nie konstant und über Monate seine Leistung abrufen und fand sich regelmäßig auf der Bank wieder.
Auch Alvaro Dominguez hatte einen holprigen Start in Gladbach. Der Spanier hatte Schwierigkeiten, sich auf das Verteidigen in der Bundesliga umzustellen, dazu kam eine lange Verletzungspause. Wie Xhaka gehört er mittlerweile aber zum Stammpersonal.
Dass seine Neueinkäufe nur langsam in die Mannschaft fanden, entging Eberl nicht. Und so konzentrierte er seine Transferbemühungen in der folgenden Saison wieder auf Spieler aus dem Inland.
Mit Kramer, Kruse und Raffael kamen drei Spieler, die zu den absoluten Leistungsträgern der Borussia in der vergangenen Saison gehörten. Kruse und Raffael bildeten eines der besten Sturmduos der gesamten Liga, Kramer reifte zum Weltmeister.
Favre, Gladbachs "Königstransfer"
Kaum verwunderlich, dass Eberl auch für die anschließende Spielzeit mit Ibrahima Traore, Fabian Johnson (beide ablösefrei) und Hahn fast ausschließlich in der Bundesliga zuschlug. Einzig der vakante Torhüterposten wurde mit einem Spieler ohne Deutschlanderfahrung besetzt, Yann Sommer.
Der Schweizer schien mit seiner jungen, erfrischenden Art und seiner Spielstärke der perfekte Nachfolger für Marc-Andre ter Stegen zu sein, der nun das Tor des FC Barcelona hütet.
Der Erfolg gibt Eberl erneut Recht. Sommer überzeugt nach anfänglichen Wacklern auf der Linie und auch im Spielaufbau. Traore macht einen spritzigen Eindruck auf der linken Seite und Fabian Johnson hat gezeigt, dass er auf beiden Außenbahnen die offensive und die defensive Position spielen kann. Dazu kommen Andre Hahns fünf Tore in acht Pflichtspielen, davon viermal das 1:0.
Dass Mönchengladbach sich aus der sportlichen Belanglosigkeit verabschiedet hat und im Borussia Park mittlerweile internationaler Fußball zu sehen ist, ist zu großen Teilen Max Eberl zu verdanken. Der einstige Flügelflitzer sprach sich für Favre aus, als die ganze Bundesliga einen Feuerwehrmann erwartete, hat die Mannschaft mit dem Schweizer zusammen aufgebaut und stetig verbessert. Mit typischen Eberl-Transfers.
Borussia Mönchengladbach im Überblick