SPOX: Alex, Tim Wiese sorgte zuletzt mit einem möglichen WWE-Engagement für Schlagzeilen. Wie haben Sie darauf reagiert?
Alex Wright: Das hat mich schon sehr überrascht, da er keinerlei Vorkenntnisse im Wrestling hat. Ich wüsste zumindest nicht, dass er schon mal ein Training im Ring hatte. Er ist zwar noch relativ jung, aber um den Sport zu erlernen, ist er vergleichsweise alt. Auf der anderen Seite könnte ich es mir schon vorstellen, da die WWE in erster Linie auf Leistungssportler abzielt und Wiese in dieses Schema passt. Er kennt sich mit dem Druck hervorragend aus.
SPOX: Glauben Sie denn, dass die ganze Geschichte nur ein reiner PR-Gag ist, um beispielsweise Wiese wieder ins Gespräch zu bringen?
Wright: Auf jeden Fall! Ob nun Fußball oder Pro Wrestling - es ist ja alles Profisport. Im Gespräch zu bleiben und Medienaufmerksamkeit zu bekommen, ist mit das Wichtigste. Es ist sicher nicht abwegig, dass er PR generieren möchte, um sich wieder bei Fußballvereinen ins Gespräch zu bringen.
SPOX: Was könnte auf der anderen Seite die WWE davon haben?
Wright: Für die WWE ist das Ganze auch interessant. Sie veranstalten jedes Jahr mehrere Events in Deutschland. Wenn dort ein ehemaliger deutscher Nationalkeeper in den Ring steigen sollte, würde das sehr viel Medienaufmerksamkeit kreieren und das Interesse wecken. Rein geschäftlich wäre es mit Sicherheit interessant für die WWE, einen Deutschen in der Liga zu haben. Und dann gibt es noch die dritte Möglichkeit.
SPOX: Und die wäre?
Wright: Wiese strebt tatsächlich eine Wrestlingkarriere an. Aber ich habe diese Meldung schon Anfang des Jahres gehört und war damals bereits skeptisch.
SPOX: Die Diskussion nahm auch deswegen Fahrt auf, weil sich Wiese viel Muskelmasse antrainierte und sich daraufhin im Internet viel Spott anhören musste. Viele meinten schon vor einigen Monaten, er solle zur WWE gehen...
Wright: Lustig machen finde ich immer schlecht. Wiese ist ein echter Profisportler, der weiß, worauf es ankommt. Zudem ist er ein gut ausschauender, junger Mann, der ins TV passen würde. Ich denke, er hätte durchaus Chancen. Aber um bei der besten Wrestlingliga der Welt bestehen zu können, braucht man vor allem ein gutes Training.
SPOX: Sie arbeiten selber als Trainer. Welches Training müsste Wiese durchlaufen, um es in der WWE zu schaffen?
Wright: Ganz einfache Antwort: Er müsste zu mir in meine Wrestlingschule "The Wright Stuff" kommen (lacht). Es gibt keinen anderen in Deutschland, der mit dem TV-Wrestling mehr Erfahrung hat als ich. Ich bin der einzige deutsche Wrestler, der sich jemals in den USA dauerhaft etabliert hat. Ich war zehn Jahre in Amerika und habe in der Zeit sogar direkt für Time Warner gearbeitet. Die Leute, die sich damit auskennen, wissen, dass die WCW sogar eineinhalb Jahre lang in den Ratings vor der WWE lag. Ich habe unzählige Pay-per-Views und Live-Shows hinter mir, bei der WCW haben immer 30 Millionen Zuschauer vor dem Fernseher gesessen. Ich hatte über viele Jahre einen permanenten Spot in den Shows, was bei der Anzahl von Wrestlern, die unter Vertrag standen, schon hervorzuheben ist, weil es jeder in die Shows schaffen wollte, aber die Spots limitiert waren. Ich würde mich freuen, ihn trainieren zu dürfen, aber er müsste hart an sich arbeiten und lernen, mit noch mehr Schmerzen umgehen zu können.
SPOX: Mal direkt gefragt: Gab es irgendeinen Kontakt zwischen Wieses Beratern und Ihnen bzw. Ihrer Wrestlingschule?
Wright: Nein, bis jetzt nicht. Er sollte sich aber melden, wenn er ein Angebot der WWE hat (lacht).
SPOX: Es wäre eine schöne Promo für Sie, oder?
Wright: Keine Frage, das erklärt sich von selbst. Wobei ich sehr ausgebucht bin und das gar nicht bräuchte. Aber ich arbeite gerne mit neuen Talenten zusammen und bin sicher, dass es mit Wiese sehr einfach wäre, weil er schon seit vielen Jahren Profisportler ist und weiß, worauf es ankommt. Anderen, die neu in den Profisport oder die Schule einsteigen, muss ich erst noch beibringen, auf die Motivation und Einstellung zu achten. Die WWE hat mittlerweile ja auch ihr Performance Center in Orlando, das dafür perfekt geeignet wäre. Ich war Anfang des Jahres selbst dort und habe als Gasttrainer für die WWE gearbeitet. Es ist die ultimative Erfahrung. Tim könnte in dieser Umgebung sicher auch das Wrestlinghandwerk lernen.
SPOX: Die Mic Skills hat er jedenfalls schon.
Wright: (lacht) Genau. Er ist ja sehr extrovertiert, soweit ich das sehe.
SPOX: Mal Spaß beiseite: Würden Sie das Projekt "Tim Wiese in der WWE" für realisierbar halten?
Wright: Durchaus, auch wenn ich ihn natürlich nicht persönlich kenne. Er mag ein super Torhüter und Profisportler sein und wissen, worauf es im Fußball ankommt. Aber im Wrestling zählen andere Dinge. Ich weiß auch nicht, ob sein Körper diese Form der Belastung noch mitmachen würde. Außerdem müsste er hier alles abbrechen und den Schritt in die USA wagen, wo er 200 bis 300 Tage im Jahr auf Tour wäre. Der familiäre Aspekt spielt auch eine Rolle.
SPOX: Während Ihrer Zeit bei der WCW haben Sie genau das erlebt. Welche Rolle - auch hinsichtlich der Expansion nach Deutschland - haben Sie damals gespielt?
Wright: Ich war auf jeder Deutschland-Tour dabei, was mich immer gefreut hat, da ich meine Familie wiedersehen konnte. Ich hatte 350 Tour-Tage im Jahr und habe jede Chance ergriffen, auch wenn meine Familie vielleicht nur zur Halle gekommen ist. Die WCW hat es ihrerseits genutzt, dass ich Deutscher bin, und hat mich als Aushängeschild für die Bewerbung der Touren eingesetzt. Das hat schon gewirkt. Meine Kämpfe hatten hierzulande mehrere Millionen Einschaltquote, für die damalige Zeit war das ein Riesenhammer. So geht die WWE auch vor. Wenn sie nach Mexiko gehen, setzen sie auf die Mexikaner, in Japan auf Japaner und so weiter.
SPOX: Die WWE hat Ende letzten Jahres mit Stuart Tomlinson bereits einen englischen Torhüter verpflichtet, der nun im Developmental-Bereich trainiert. Im Vergleich zu Wiese ist der Brite aber ein deutlich kleinerer Name.
Wright: Trotzdem stand wohl auch bei Tomlinson die PR im Vordergrund, auch wenn es nicht der einzige Grund war. Athleten gibt es viele, aber jemanden, der schon im Profisport gearbeitet hat, weiß, welche Leistung er wann abrufen muss und hat die mentale Einstellung. Das macht das Ganze einfacher.
Seite 1: Wright über Wieses WWE-Angebot und Wrestling-Training