"Wir hatten bei Pep genauso viel Spaß"

Jochen Rabe
13. Oktober 201609:35
Rafinha und Douglas Costa feiern gemeinsam mit Trainer Pep Guardiolaimago
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Rafinha spielt seine sechste Saison beim FC Bayern München. Im Interview spricht der Brasilianer über seine deutsche Staatsbürgerschaft, die Bedeutung von Spaß, sein langjähriges Bad-Boy-Image und gern gesehene, sportliche Krisen.

SPOX: Rafinha, am vergangenen Wochenende war Ligapause. Während viele Ihrer Mitspieler bei ihren Nationalmannschaften sind, hatten Sie eine Woche spielfrei. Haben Sie sich die Länderspiele Ihrer Kollegen angeschaut?

Rafinha: Nein, kein einziges. Ich schaue sowieso kaum Fußball bei mir zu Hause. Ab und zu schaue ich ein Spiel aus Brasilien oder mal ein Bundesligaspiel. Aber grundsätzlich versuche ich, wenn ich zu Hause bei meiner Familie bin, den Kopf frei zu bekommen. Bei mir dreht sich ja bei Bayern schon die ganze Woche alles um Fußball.

SPOX: In den letzten Tagen waren viele Leistungsträger wegen der Länderspielreisen nicht auf dem Trainingsplatz dabei. Wie effektiv können die Daheimgebliebenen in so einer Zeit überhaupt arbeiten?

Rafinha: Natürlich sind zu wenige Spieler im Training. Es fehlt über die halbe Mannschaft. Aber die Spieler, die hier bleiben, haben eine hohe Qualität und wir haben viel Spaß im Training. Außerdem unterstützen uns die Jungs von der U19 und der zweiten Mannschaft. Deswegen können wir gut trainieren, damit wir im Rhythmus bleiben.

SPOX: Sie sprechen vom Spaß. Den sah man Ihnen am Wochenende im Training unter anderem beim Fußballtennis an. Wie wichtig sind solche Auflockerungen für Sie persönlich?

Rafinha: Es geht immer um den Spaß! Das ist jetzt meine sechste Saison bei Bayern und ich hatte hier immer eine gute Zeit. Unsere Stimmung ist super. Wir sind wie eine Familie, jeder kennt den anderen. Ich glaube, dass alle glücklich zum Training kommen. Das ist ein Geheimnis unseres Erfolges.

SPOX: Viele Spieler haben in den letzten Wochen betont, dass unter Carlo Ancelotti wieder mehr Freude als zuletzt in der Mannschaft sei. Geht es Ihnen da genauso?

Rafinha: Ich habe immer meinen Spaß gehabt: bei Jupp, bei Pep und jetzt bei Carlo. Aus meiner Sicht gibt es da keine großen Unterschiede. Wir verstehen uns super untereinander, das war auch in den letzten Jahren so. Jeder hat da seine eigene Meinung. Für mich hatten wir bei Pep genauso viel Spaß im Team.

SPOX: Taktisch hat sich das Spiel unter Ancelotti gerade für die Außenverteidiger verändert. Wie bewerten Sie die Unterschiede?

Rafinha: Die Taktik ist einfach eine andere als unter Pep. Wir spielen mit einer anderen Aufstellung und jeder muss sich anders auf dem Platz positionieren. Das gilt auch für uns Außenverteidiger, weil wir höher spielen und die Außenstürmer mehr zur Mitte gehen. Das ist seine Idee vom Fußball. Aber ich glaube, dass sich alle sehr schnell an das neue System gewöhnt haben und wir das schon gut umsetzen.

SPOX: Nachdem Ancelotti angekündigt hat, Philipp Lahm als Rechtsverteidiger zu sehen, haben viele gemutmaßt, dass Sie kaum noch zum Zug kommen werden. Nach zehn Pflichtspielen haben Sie nun fünf Spiele gemacht. Wie fällt Ihr erstes Zwischenfazit der neuen Saison aus?

Rafinha: Jeder hier will spielen, das ist ganz klar. Es macht keinen Spaß, wenn Du auf Dauer nur auf der Bank sitzt. Aber ich mache mir keine Sorgen. Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass ich meine Spiele machen werde. Ich bin ein Typ, der immer bereit ist und alles gibt. Wenn ich meine Chance bekomme, spiele ich gut. Ich habe fast 200 Spiele für Bayern München gemacht. Das ist eine Marke. Das schafft so schnell nicht jeder. Aber ich weiß auch, dass ich den besten Rechtsverteidiger der Welt vor mir habe. Philipp macht keine Fehler und ist sehr wichtig für die Mannschaft. Doch es ist logisch, dass ich auch spielen will. Ich habe meine Qualitäten, sonst wäre ich nicht schon in der sechsten Saison hier.

SPOX: Hand aufs Herz: Hatten Sie während der EM zwischenzeitlich Bammel, dass Joshua Kimmich nach seinen starken Leistungen in der Nationalmannschaft auch bei Bayern in den Konkurrenzkampf hinten rechts einsteigen wird?

Rafinha: Nein. Ich freue mich, dass er das bei der EM so super gemacht hat. Er hat eine riesige Qualität. Ich mag ihn sehr, das weiß er auch. Aber ich habe ihm sofort gesagt: Hier bei Bayern geht hinten rechts gar nichts für dich. Du kannst das gerne bei der Nationalmannschaft spielen, hier sind Philipp und ich... (lacht) Aber im Ernst: Es gibt überhaupt kein Problem, auch bisher sind wir alle zu unseren Einsätzen gekommen.

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SPOX: Kimmich hat auch im zentralen Mittelfeld große Konkurrenz. Im Sommer ist mit Renato Sanches ein weiterer hochveranlagter Spieler für diese Position gekommen. Wie ist Ihr Eindruck von ihm nach den ersten Wochen?

Rafinha: Renato ist ein großartiger Junge und ein guter Spieler. Er braucht noch Zeit, aber ich bin sicher, dass er bei Bayern München in Zukunft zusammen mit Kimmich eine wichtige Rolle spielen kann. Es ist sehr gut für diese jungen Spieler, dass sie mit den Besten auf ihrer Position zusammen spielen. Das wird sie für die Zukunft stärker machen.

SPOX: Sie sind eine wichtige Bezugsperson für Sanches, allein weil Sie beide Portugiesisch sprechen. Wie sehr können Sie ihm bei der Eingewöhnung helfen?

Rafinha: Er sitzt neben mir in der Kabine und ich versuche, ihm so gut es geht zu helfen. Das sehe ich auf jeden Fall als eine meiner Aufgaben an. Portugiesisch ist meine Muttersprache und es ist selbstverständlich, dass ich ihn bei der Eingewöhnung unterstütze. Es hat sich noch nicht ergeben, dass ich ihm privat etwas von der Stadt zeige, aber wenn er Fragen hat, kann er immer zu mir kommen. Ich habe einen super Eindruck von ihm.

SPOX: Ein Thema, das zuletzt hitzig diskutiert wurde, waren die Undiszipliniertheiten von Franck Ribery. Wie sehen Sie die Situation?

Rafinha: Jeder kennt Franck Ribery. Er ist sehr emotional und immer mit vollem Herzen dabei. Aber er ist niemand, der seinen Gegenspieler vorsätzlich verletzen will.

SPOX: Sie selbst waren in Ihrer Schalker Zeit als Hitzkopf bekannt. Auch bei den Bayern sind Sie zweimal gegen Borussia Dortmund wegen Tätlichkeiten vom Platz geflogen. In den letzten beiden Jahren sind Sie jedoch ruhiger geworden, haben keinen Platzverweis kassiert. Haben Sie aktiv an Ihrem Temperament gearbeitet?

Rafinha: Das ist schwierig. Wenn wir auf dem Platz stehen, ist es meine Arbeit, diesen Verein zu verteidigen. Gerade die Spiele gegen Dortmund sind immer eng und emotional, beide Mannschaften wollen unbedingt gewinnen. Aus der Emotion heraus machst Du vielleicht manchmal Sachen, die Du hinterher bereust. Du schaust Dir das dann an und fragst dich: Warum hast Du das gemacht? Aber je mehr Erfahrung Du hast, desto mehr denkst Du über so etwas nach. Ich glaube schon, dass ich nicht mehr so heißblütig bin. SPOX

SPOX: Sportlich lief der Saisonstart einwandfrei. Zuletzt gab es jedoch die ersten Rückschläge. Wie bewerten Sie den Saisonstart?

Rafinha: Gegen Atletico haben wir nicht gut gespielt. Atletico ist eine Mannschaft, die sehr gut verteidigt. Da war es schwierig für uns. Gegen Köln haben wir ein gutes Spiel gemacht, aber wir haben unsere Chancen nicht genutzt. Das kann passieren. Wir sind nun mal keine Maschinen. Wir haben acht Spiele gewonnen. Irgendwann kommt eben mal ein Unentschieden oder eine Niederlage. Das ist völlig normal im Fußball. Jede Mannschaft auf dieser Welt verliert. Bei Bayern München ist es immer so: Wenn wir einmal Unentschieden spielen, reden viele schon von einer Krise. Wir haben in der Champions League noch alle Chancen, sind in der Bundesliga Tabellenführer mit drei Punkten Vorsprung, stehen im Pokal in der zweiten Runde - wo ist da die Krise? Ich hoffe, dass wir weiterhin so eine Krise haben. (lacht) Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

SPOX: Auch in dieser Saison steht das Ziel Champions League über allem. Ist es von Vorteil, dass Ancelotti diesen Wettbewerb schon dreimal als Trainer gewonnen hat?

Rafinha: Es ist auf jeden Fall gut, wenn der Trainer weiß, wie man den Titel gewinnt. Aber für uns muss alles passen, damit es klappt. Die Champions League hat bisher noch keine Mannschaft zweimal hintereinander gewonnen. Keine! Das zeigt, wie schwer der Wettbewerb zu gewinnen ist. Seitdem ich hier bin, haben wir jedes Jahr im Halbfinale gespielt. Das wollen wir wieder schaffen. Wir dürfen jetzt aber noch nicht zu weit nach vorne schauen. Der Weg ist noch zu weit. Wir müssen uns erst einmal auf das konzentrieren, was direkt vor uns liegt.

SPOX: Sie sind seit Dezember 2015 deutscher Staatsbürger und haben oft betont, wie wohl Ihre Familie und Sie sich hier fühlen. Was gefällt Ihnen besonders an der deutschen Kultur?

Rafinha: Deutschland ist meine zweite Heimat. Ich mag die Menschen, die Organisation, die Sicherheit. Die Kultur ist fantastisch. Meine Familie und ich lieben das Land und die Stadt München. Ich kenne mittlerweile viele Leute hier in der Bäckerei oder im Supermarkt. Ich habe ein super Umfeld. Der einzige Kritikpunkt für mich ist, dass es ein bisschen zu kalt ist im Vergleich zu Brasilien. (lacht)

SPOX: Sehen Sie sich auch langfristig im Deutschland?

Rafinha: Am liebsten hätte ich beides: ein bisschen Brasilien und ein bisschen Deutschland. Ich habe hier die meiste Zeit meiner Karriere verbracht, viel gelernt und mich menschlich weiterentwickelt. Deutschland hat einen wichtigen Platz in meinem Herzen. Deswegen habe ich mir auch die Umrisse von Brasilien und von Deutschland auf den Unterarm tätowieren lassen.

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SPOX: Ihr Vertrag läuft nach der Saison aus. Wie sehen Ihre Pläne ab Sommer aus?

Rafinha: Ich mache mir ganz ehrlich überhaupt keine Gedanken darüber. Ich habe einen Vertrag bis zum Ende der Saison und mein Berater kümmert sich um alles Weitere. Ich glaube, dass der Verein mit mir zufrieden ist, und ich fühle mich sehr wohl. Aber darüber, wie es nach der Saison weitergeht, denke ich nicht nach. Wir wollen in dieser Saison noch einmal Titel gewinnen, der Rest ergibt sich dann.

SPOX: Ihr ehemaliger Kollege Bastian Schweinsteiger wird derzeit mit einem Wechsel in die MLS in Verbindung gebracht. Ist die USA perspektivisch auch für Sie eine reizvolle Option?

Rafinha: Irgendwann kann das schon einmal interessant werden. Die Liga wächst. Sie haben einen guten Plan, sind gut organisiert und wollen weiter investieren. Aber derzeit ist das nicht mein Ziel, nein. Ich bin erst 31 Jahre alt, ich will noch weiter auf hohem Niveau in Europa spielen.

Rafinha im Steckbrief